Das kategorische Nein zu Tusk isolierte das größte osteuropäische Mitgliedsland im Kreis der EU-Partner. Im EU-Rat stand es 27 zu 1: Nur Polen stimmte gegen Tusk, dem es die Einmischung in die polnische Innenpolitik vorwirft. Die Staats- und Regierungschefs der übrigen EU-Staaten unterstützten den 59-Jährigen für eine weitere Amtszeit bis November 2019.
"Ich werde die Gipfelschlussfolgerungen nicht akzeptieren, der Gipfel wird damit nicht gültig sein", sagte die polnische Regierungschefin Beata Szydlo nach dem Beschluss und sprach von einem "sehr gefährlichen Präzedenzfall".
"Diktat aus Berlin"
Aus Warschau kamen schwere Vorwürfe an Deutschland: "Wir wissen nun, was das ist, eine EU unter dem Diktat aus Berlin", sagte Außenminister Witold Waszczykowski der Webseite "wpolityce.pl". Dass Polen in der Personalfrage ignoriert wurde, könne die EU zu einer "sehr giftigen Union" werden lassen.
Mehrere EU-Chefs warfen Polen vor, die Brüsseler Bühne für innenpolitisch motivierte Kämpfe zu missbrauchen. Durch Polens Widerstand konnte der Gipfel keine offiziellen Entscheidungen mehr treffen. Dies muss nach dem EU-Vertrag "im Konsens" erfolgen. Die Wahl Tusks ist von Polens Blockade nicht betroffen und gültig.
Veröffentlicht wurden in der Nacht dann "Schlussfolgerungen" im Namen Tusks, die von 27 EU-Staaten außer Polen unterstützt wurden. Das Dokument habe "aus Gründen, die mit seinem Inhalt nichts zu tun haben, keinen Konsens erzielt", hieß es auf der Titelseite. Innen fand sich nun der vorbereitete Text der geplanten Gipfelschlussfolgerungen zur Flüchtlingskrise, Verteidigung, zum Westbalkan, zur Wirtschaftspolitik sowie zum Freihandel.
Bedeutend oder nicht?
Der polnischen Blockade wollten die anderen EU-Staaten öffentlich keine große Bedeutung beimessen. Diese werde "nicht viele Konsequenzen haben", sagte Frankreichs Präsident François Hollande. Österreichs Bundeskanzler Christian Kern sagte, dies sei ein Vorgang, der "die Europäer und den Gang der europäischen Geschichte jetzt nicht maßgeblich beeinflussen wird".
Die EU-Verträge sähen die Möglichkeit der Wahl des Ratspräsidenten per Mehrheit ausdrücklich vor, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch wenn die Konsenssuche wichtig sei, dürfe diese "natürlich nicht zur Blockade genutzt werden". Die Wiederwahl Tusks wertete sie als Zeichen der "Kontinuität und Stabilität". Die EU sei damit "arbeitsfähig". Merkel äußerte mit Blick auf Polen die Hoffnung, "dass wir zu einer vernünftigen Zusammenarbeit zurückkehren können".
Auch Tusk sagte sein Bemühen zu, Polen vor der "politischen Isolation" in der EU zu bewahren. Er richtete aber auch eine Mahnung an sein Heimatland: "Seid vorsichtig, welche Brücken ihr hinter euch abbrecht", sagte er. Denn danach "kann man sie nie mehr überqueren".
Am Freitag stehen in Brüssel informelle Beratungen über die künftige Ausrichtung der EU nach dem Brexit auf dem Gipfelprogramm. Die Staats- und Regierungschefs bereiten dabei ohne Großbritannien eine Erklärung für ihren Sondergipfel Ende März zu 60 Jahre Römischen Verträge vor.
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