BVB-Anschlag alarmiert Experten

  14 April 2017    Gelesen: 1243
BVB-Anschlag alarmiert Experten
Ein dunkler Schatten schwebt über dem deutschen Fußball: Nach dem Attentat auf den Mannschaftsbus Borussia Dortmund führen Spuren in anscheinend gegensätzliche Richtungen. Sicher ist bislang nur: Die verwendeten Bomben waren echte Mordmaschinen.
Die beim Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus gezündeten Sprengsätze waren nach Angaben von Landesinnenminister Ralf Jäger hochprofessionell gebaut. "Die Sprengkraft war enorm", sagte der SPD-Politiker in einer Sitzung des Innenausschusses im nordrhein-westfälischen Landtag. Es werde in alle Richtungen ermittelt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, erklärte Jäger, dass die Täter gewaltbereite Fußballfans seien.

Die Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen messen dem Vorfall grundsätzlich hohe Bedeutung zu. Die Täter hätten weitere Anschläge angekündigt, sagte der Minister. "Das nehmen wir sehr ernst". Landeskriminaldirektor Dieter Schürmann ergänzte: "Wir suchen nach mordbereiten Tätern". Unter anderem würden auch etwaige Fingerabdrücke an den Sprengsätzen und in der Umgebung des Tatorts überprüft.

Forscher zweifelt Hooligan-These an

Als eine Konsequenz aus dem Anschlag von Dortmund kündigte Jäger in einer Telefonkonferenz mit Entscheidungsträgern der Polizei zusätzliche Einsatzkräfte zur Absicherung der Allgemeinheit und von Großereignissen an. "Es wird alles Menschenmögliche für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in NRW unternommen", sagte Jäger. Es würden mehr Polizeikräfte zum Einsatz kommen, wo die Lagebeurteilungen vor Ort solche Maßnahmen erforderlich machten.

Dass der Anschlag auf den Teambus des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund auf Dortmunder Hooligans oder lokale Rechtsextreme zurückgeht, hält der Extremismusforscher Dierk Borstel unterdessen für wenig wahrscheinlich. "Die meisten Rechten sind überzeugte BVB-Fans, und die Art des Anschlags spricht auch nicht für Hooligan-Gewalt", erklärte Borstel.

"Symbol der Stadtgesellschaft"

Hooligans würden sich schlagen, aber nicht Monate an Anschlagsvorbereitungen arbeiten. "Es kann aber natürlich ein Einzeltäter sein, der sich radikalisiert hat. Das ist aus allen Richtungen möglich", sagte der Wissenschaftler von der Fachhochschule Dortmund. Die Art des Anschlages sei aber auch für Rechtsextremisten untypisch. Täter müssten die Bedeutung des BVB für die Stadt kennen, sagte Borstel. "Das ist ein Symbol für die Stadtgesellschaft." Und sie müssten über Straßen und über die Wege des BVB Bescheid wissen.

Das Bombenattentat stellt Ermittler vor ein Rätsel: Laut NRW-Verfassungsschutz sind die drei identischen Bekennerschreiben, die am Tatort gefunden wurden, keiner einzelnen extremistischen Richtung zweifelsfrei zuzuordnen. Es werde in Richtung Links- und Rechtsextremismus sowie Islamismus ermittelt, sagte der Leiter des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freyer.

Mit Blick auf die Verdachtsmomente in Richtung islamistischer Extremisten wies er auf erhebliche Zweifel hin. Es fehlten die für Islamisten typischen arabischen Floskeln, auch seien die Forderungen am Ende des Textes untypisch für die Terrormiliz Islamischer Staat. "Der IS verhandelt nicht", sagte Freyer.

Tuchel: "Heute ist mein schlimmster Tag"

Auf den BVB-Bus war am Dienstag vor dem Champions League-Spiel gegen Monaco am Mannschaftshotel ein Anschlag mit mehreren Sprengsätzen verübt worden. Ein Polizeibeamter und der Fußballprofi Marc Bartra wurden bei dem Vorfall verletzt. Der 26 Jahre alte Spanier hatte sich bei dem Anschlag auf den BVB-Bus eine gebrochene Speiche im rechten Handgelenk und Splitterverletzungen am Arm zugezogen. Er musste in einer Klinik operiert werden. Bartra wird Borussia Dortmund nach Angaben des Vereins in etwa vier Wochen wieder zur Verfügung stehen.

BVB-Trainer Thomas Tuchel rechnet nach dem Anschlag dennoch mit einer langen Verarbeitungszeit. "Wir müssen einen Weg finden, damit klarzukommen. Wir wissen aber noch nicht, wie das passieren wird. Es ist unglaublich schwer, darüber zu sprechen. Wir können das nur untereinander teilen und verstehen", sagte der BVB-Coach bei der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Eintracht Frankfurt am Samstag (15.30 Uhr).

Tuchel erklärte zudem, dass "heute mein schlimmster Tag ist. Es kommt in Wellen." Der BVB bietet seinen Spielern professionelle Hilfe an. Die Profis müssen aber selber entscheiden, ob sie das Angebot nutzen. "Damit muss jeder anders umgehen. Jeder hat es komplett unterschiedlich wahrgenommen. Es gibt Spieler, die die Explosion gesehen haben. Daher gibt es sehr viele unterschiedliche Eindrücke und sehr viele unterschiedliche Wege der Verarbeitung", sagte Tuchel.

Marco Reus tritt gegen Frankfurt an

Der Coach betonte einen Tag nach der 2:3-Niederlage im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gegen AS Monaco, dass man einen Weg finden müsse, "um in die Normalität zurückzufinden." Gleichzeitig kündigte Tuchel für die Partie gegen Eintracht Frankfurt die Rückkehr des lange verletzten Nationalspielers Marco Reus an. "Marco wird spielen. Das ist eine große Freude bei seinem Trainer und mit Sicherheit bei allen Mitspielern - und eine absolut gute Nachricht", sagte Tuchel.

Reus hatte in der Partie am 4. März gegen Bayer Leverkusen (6:2) einen Muskelfaserriss im Oberschenkel erlitten. Der 27-Jährige nahm erst am vergangenen Sonntag wieder das Mannschaftstraining auf. Er soll gegen Frankfurt in der Startelf stehen. Leicht angeschlagen sind nach dem 2:3 am Mittwoch im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gegen AS Monaco Raphael Guerreiro und Christian Pulisic. Nuri Sahin hat einen leichten Husten, Emre Mor eine leichte Infektion der Atemwege.

Bewaffnete Beamte im Stadion

Die Bundesligaheimspiele von Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen werden am Wochenende unter besonderen Schutz gestellt. Nach dem Anschlag von Dortmund erhöht die Polizei in Nordrhein-Westfalen die Sicherheit bei den beiden Spielen wie schon beim Champions League-Spiel des BVB gegen Monaco am Mittwoch.

"Wir werden wieder mit starken Kräften vor Ort sein", sagte Dortmunds Polizeisprecher Gunnar Wortmann zur Partie am Samstagnachmittag (15.30 Uhr) gegen Eintracht Frankfurt. Beim Samstagabendspiel Bayer Leverkusen gegen Bayern München (18.30 Uhr) werden die Sicherheitsmaßnahmen ebenfalls erhöht.

Im Stadionbereich sollen die Beamten mit Schutzausrüstung und Maschinenpistolen ausgerüstet werden. Dazu begleite die Polizei die Anreise der Teams, sagte ein Polizeisprecher. Bei den beiden Zweiligaspielen Bochum gegen Fürth (Sonntag, 13.30 Uhr) und Bielefeld gegen Stuttgart (Montag, 20.15 Uhr) soll es bei den üblichen Sicherheitsvorkehrungen bleiben.

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