Warum Putin und die Deutschen vor einem allmächtigen Bündnis stehen

  21 November 2015    Gelesen: 725
Warum Putin und die Deutschen vor einem allmächtigen Bündnis stehen
Es ist nicht lange her, da galt Russland als der Feind des Westens. Es herrsche wieder Kalter Krieg, sagten viele – und befürchteten gar einen militärischen Konflikt mit dem riesigen Reich.

Dann kam der Terroranschlag in Paris und der Anschlag auf eine russische Passagiermaschine, der alles änderte. Der neue Feind hieß der Terror – und er eint Russland und den Westen so sehr, wie es vor einer Woche noch keiner für möglich gehalten hat.

Der Westen geht auf Putins Reich zu – und umgekehrt. 522 Einsätze, 800 zerstörte Ziele, 600 getötete Extremisten, das ist die Bilanz der vergangenen vier Tage des russischen Anti-Terror-Einsatzes in Syrien. Ein Signal an Frankreich: Wir stehen euch bei. Obama wiederum bezeichnet Putin als „strategischen Partner“ – Worte, die vor wenigen Wochen noch undenkbar waren.

Unsere Verhältnis zu Putin verändert sich gerade radikal. Und das ist aus mehreren Gründen bemerkenswert.

Russland war vom Westen quasi abgeschnitten. Sanktionen schränkten den Handel extrem ein. Außerdem wurde Putin von der G8 ausgeschlossen, dem Club der mächtigsten Staaten der Welt. US-Präsident Obama bezeichnete die russische Politik gar als eine „Bedrohung für die Welt“. Und wenn der Westen mit Russland zusammenarbeitete, dann nur dort, wo es nicht anders ging. Etwa auf der Internationalen Raumstation im Weltall.
Russland unternahm nichts, um die Situation zu entspannen. Putin zündelte einfach weiter. In der Ukraine sterben weiter Menschen, der Status des Ostens ist noch immer ungeklärt. Russland unterzeichnete Deals mit China, um zu signalisieren: Wir brauchen den Westen nicht.
Dann sicherte Putin vor UN seine Unterstützung im Anti-Terror-Kampf in Syrien zu. Doch schnell wurde klar: Auch hier spielte Putin mit falschen Karten. Russland flog auf eigene Faust Angriffe gegen Rebellen, um Diktator Assad zu stützen, statt gegen Terroristen vorzugehen. Ein Ärgernis für die US-geführte Koalition gegen den IS, bei der auch Frankreich mitmacht. Wochenlang wurde Putin dafür beschuldigt.
Verfahrener hätte das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen nicht sein können. Bis vor wenigen Tagen, als der Terror zuschlug. Was dann passierte, war beinahe einmalig auf der politische Weltbühne.

Beim G20-Gipfel in der Türkei saß Putin diese Woche einträchtig mit Obama und westlichen Führern zusammen – Zeichen einer neuen politischen Realität, in der die USA und ihre Verbündeten angesichts der extremistischen Bedrohung im Herzen Europas Russlands Hilfe brauchen. Statt grimmiger Gesichter trugen Obama und Putin bei lässigem Geplauder breites Grinsen zur Schau, über einem Kaffeetisch steckten sie die Köpfe zusammen.
Putin vermied gegenüber Journalisten offene Häme, obwohl er sonst kaum eine Gelegenheit für Spott auslässt. Auf die Frage nach der mangelnden Effizienz des US-geführten Luftkrieges gegen den IS übte er sich vielmehr in vornehmer Zurückhaltung: „Das ist nicht der richtige Zeitpunkt zu beurteilen, wer besser ist und wer schlechter. Jetzt kommt es darauf an, nach vorne zu schauen und die Anstrengungen im Kampf gegen die gemeinsame Bedrohung zu bündeln.“
Auch in Europa streckt man die Hand nach Moskau aus – dort, wo man sich lange Zeit vor einem Krieg mit Russland wähnte. Frankreichs Präsident François Hollande kündigte für die kommende Woche Besuche in Washington und Moskau an, um mit Obama und Putin eine stärkere Zusammenarbeit gegen das Terrornetzwerk zu beraten. „Für den Westen ist es möglicherweise schwierig, eine gewisse Verantwortung Russlands für das Geschehen in der Ukraine oder die Rechtmäßigkeit seiner Präsenz in Syrien zu erörtern, wenn der IS nun bis zum Eiffelturm vorgedrungen ist“, bemerkte der russische Politikwissenschaftler Gleb Pawlowski im Radiosender Echo Moskwy.
Der Westen merkt, dass er ohne Russland nicht gegen den Terror vorgehen kann. Und Russland? Verfolgt gleich mehrere Interessen.

Putin will auf der Weltbühne endlich wieder eine Rolle spielen. In der Isolation hat Russland keine Zukunft, das weiß auch Putin. Und China reicht als langfristiger Partner nicht aus. Zu wichtig ist der Westen nach wie vor für Russland. Denn:
Die Sanktionen belasten die russische Wirtschaft. Junge und reiche Russen verlassen das Land. Und der Rubel ist im freien Fall. Auch, wenn es Putin nicht zugeben will: Die Sanktionen sind ein massives Problem für das Land, das er schnellsten loswerden muss. Von der Partnerschaft gegen Terror erhofft sich Putin auch, dass der Westen den Konflikt in der Ukraine runterpriorisiert. Und so die Sanktionen lockern könnte.
Wichtig ist für Putin auch der Einfluss im Mittleren Osten. Sein Asset ist seine Freundschaft zu Assad, der ihn brav gewähren lässt. Russland will so seinen Einfluss Schritt für Schritt vergrößeren. Während sich die USA aus der Außenpolitik eher verabschieden, wittert Russland seine Chance, wieder zu einer Weltmacht aufzusteigen.

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