Proteste in Spanien "Tourist go home!"

  03 Auqust 2017    Gelesen: 921
Proteste in Spanien "Tourist go home!"
Die Besucherzahlen erreichen in Spanien immer neue Rekorde - zum Unmut vieler Einheimischer. Jugend- und Bürgergruppen protestieren mit immer spektakuläreren Aktionen gegen die unerwünschten Massen an Touristen.
Die vier Vermummten tauchten plötzlich aus dem Nichts auf und stellten sich dem Bus voller Touristen in den Weg. Blitzschnell zerstachen sie die Reifen des Fahrzeugs und sprühten mit Farbdosen Parolen an die Windschutzscheibe. Im oberen Stockwerk des Doppeldeckerbusses saß Andrew Carey. "Ich habe gedacht, es sei ein Terroranschlag", sagte der 39-jährige Brite der Zeitung "Daily Mail" später.

Die Aktion geschah vergangenen Donnerstag im Zentrum der spanischen Metropole. Einige Tage später bekannte sich die linke Jugendorganisation "Arran" zu der Tat. Das Motiv? Das war auch auf der Windschutzscheibe in Orange zu lesen: "Der Tourismus tötet die Stadtviertel". Die Gruppe schlug am Montag in Barcelona wieder zu: Mehrere städtische Leihräder, die vor allem von Touristen benutzt werden, wurden zerstört.

"Die Proteste gegen Tourismus werden immer heißer", hieß es im spanischen Rundfunksender Cadena Ser. Und auch immer häufiger, einfallsreicher und spektakulärer. Wie am Samstag auf Mallorca. Mitglieder der nicht von jungen Linken, sondern von besorgten Bürgern gebildeten Initiative "Ciutat per qui l'habita" ("Die Stadt für die Bewohner") sperrten in Palma symbolisch das Tourismusministerium. Sie klebten Zettel mit der Aufschrift "geschlossen" an die Eingangstür des Gebäudes.

Am Ballermann protestieren Anwohner gegen "Sauftourismus"

Eine Sprecherin der Vereinigung erklärte, was der größte Dorn im Auge der Gegner des Massentourismus sei: die Ferienvermietung in Mehrfamilienhäusern, die auf Portalen wie Airbnb angeboten wird. Diese verursacht nicht nur auf Mallorca oder in Barcelona eine Explosion der Immobilienpreise, die Senkung des Angebots an Mietwohnungen und eine Gentrifizierung der Innenstädte.

Daneben sorgen randalierende und prügelnde Touristen, die auch tagsüber splitternackt und stockbetrunken herumlaufen, die in der Öffentlichkeit Sex haben oder sich erleichtern, für zunehmenden Unmut. Hinzu kamen zuletzt Neonazi-Gruppen, die am Ballermann ihr Unwesen trieben. "Der Abschaum, der uns geschickt wird, ist nicht angenehm", schimpfte Palma-Bürgermeister Antoni Noguera.

Am Ballermann protestieren Anwohner gegen "Sauftourismus", indem sie an Fenster oder auf Balkone schwarze Fahnen hängen. In Palma tauchten in den vergangenen Tagen wie schon vor einem Jahr erneut Protest-Graffiti und -Plakate auf: "Tourism kills the city" ("Tourismus tötet die Stadt"), "Stop Airbnb" oder "Palma no se vende" ("Palma wird nicht verkauft") ist unter anderem zu lesen. Und auch "Tourist go home!" und "Tourists=Terrorists".

Weniger Arbeitslose dank Tourismusbranche

Die Touristenzahlen brechen in Spanien derzeit alle Rekorde. Im ersten Halbjahr reisten 36,3 Millionen Ausländer ein - so viele wie nie zuvor und 11,6 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Kassen klingeln. Die Hotels sind nahezu ausgebucht. Die Arbeitslosenquote - nach der Krise von 2008 immer noch eine der höchsten der Eurozone - fiel im zweiten Quartal vor allem dank neuer Stellen im Tourismussektor auf den niedrigsten Stand seit neun Jahren.

Das dürfe man alles nicht aufs Spiel setzen, warnen Experten. Bruno Hallé, Partner der auf Tourismus spezialisierten Beratungsfirma Magma HC, bezeichnet die Lage als "schlimm". Viele Menschen könnten in Zukunft von einem Besuch Spaniens abgehalten werden.

Tatenlosigkeit kann man den Verantwortlichen nicht vorwerfen. Am Dienstag trat auf den Balearen ein neues Gesetz in Kraft, das die Vergabe neuer Lizenzen zur Ferienvermietung beschränkt. Auf Mallorca, Ibiza und Co. will die linke Regionalregierung zudem vom kommenden Jahr an für die Hochsaison von April bis Oktober eine Höchstgrenze für die Zahl der Mietwagen festlegen. Die linke Bürgermeisterin Ada Colau verfügte in Barcelona einen Baustopp für Hotels. Airbnb und Homeaway mussten wegen illegaler Wohnungsvermittlungen mehrfach Strafen von bis zu 600.000 Euro zahlen.

Colau verurteilte zwar die radikalen Aktionen der linken Jugendorganisation von Arran. Die Opposition wirft der früheren Aktivistin und Hausbesetzerin aber vor, die "Anschläge" zu dulden. Bisher wurde niemand festgenommen.

In dem am Donnerstag attackierten Bus saßen neben Andrew Carey und dessen Frau auch viele erschrockene Kinder. "Beängstigend" sei es gewesen, erinnerte sich der Brite. "Ich dachte, gleich steigt jemand mit einem Messer oder einer Schusswaffe in den Bus."

Quelle : spiegel.de

Tags:


Newsticker