Macron macht ernst

  01 September 2017    Gelesen: 687
Macron  macht ernst
Die Reform des französischen Arbeitsmarktes ist Emmanuel Macrons heikelstes und wichtigstes Projekt. Nun hat seine Regierung die konkreten Details zum Umbau des Arbeitsrechts vorgestellt. Deutlich wird: Die Verhandlungstaktik des Präsidenten könnte aufgehen.
Bis zuletzt galt strengste Geheimhaltung. Selbst die Verhandlungspartner der vergangenen Monate hatten vorab nur eine Zusammenfassung zu Gesicht bekommen. Und tatsächlich war so gut wie nichts durchgesickert, bevor Frankreichs Ministerpräsident Edouard Philippe und die Arbeitsministerin Muriel Pénicaud an diesem Donnerstag die brisante Arbeitsmarktreform vorstellten: 36 einzelne Maßnahmen in fünf verschiedenen Verordnungen, ein Konvolut von insgesamt 200 Seiten.

Es ist das Ergebnis eines arbeitsreichen Sommers für die französische Regierung. Wie sich Präsident Emmanuel Macron den Arbeitsmarkt der Zukunft vorstellt, ist zwar in Grundzügen bekannt - schließlich stand das im Zentrum seines Wahlkampfs. Doch über die Details hat die Regierung in den vergangenen Wochen intensiv verhandelt, auch mit den Arbeitgebern, vor allem aber mit den Gewerkschaften.

Zwar hat das Parlament der Regierung für die Reform des Arbeitsrechts eine Art Vollmacht ausgestellt. Der französische Präsident und seine Regierung dürfen die einzelnen Reformen per Verordnung erlassen, sie gelten dann umgehend. Erst danach stimmt das Parlament noch einmal darüber ab, in dem Macrons Partei eine große Mehrheit hat. Aus bereits wirksamen Verordnungen werden dann aller Voraussicht nach Gesetze.

Zugeständnisse an die Gewerkschaften

Doch Macron weiß, dass er die Reform dennoch nicht gegen einen möglichen massiven und geschlossenen Widerstand der Gewerkschaften durchpeitschen kann. Mit Spannung wurde daher erwartet, in welchen Punkten die nun vorgelegten Verordnungen von den Ankündigungen aus dem Frühsommer abweichen würden - ob Macrons Regierung also tatsächlich Zugeständnisse an die Gewerkschaften machen würde.

"Meine erste Einschätzung ist, dass wirklich verhandelt worden ist", sagt Sandra Hundsdörfer, Partnerin bei der auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei GGV in Paris. Ein Beispiel seien die Regelungen zu Abfindungen: Zwar soll es - wie angekündigt - eine Obergrenze für die Abfindungen geben, die Entlassene in Arbeitsgerichtsprozessen erstreiten können. Im Gegenzug - und das ist neu - wird aber auch die Mindestabfindung angehoben.

Im Großen und Ganzen entsprechen die nun vorgestellten Verordnungen den Ankündigungen aus dem Frühsommer. Die wichtigsten Punkte im Überblick:

Sozialpartnerschaft:

Mehr Verhandlungen auf Unternehmensebene: Regelungen zur Arbeitszeit, Überstunden, Sicherheitsbestimmungen und teilweise sogar zu Löhnen sollen weit öfter als bislang in den einzelnen Unternehmen verhandelt werden und auch nur dort gelten. Bislang ist das lediglich für wenige Bereiche möglich. Zudem sollen Vereinbarungen in kleineren Unternehmen künftig auch dann möglich sein, wenn es dort keine Gewerkschaftsvertreter gibt - was sehr häufig der Fall ist.
Weniger Arbeitnehmer-Gremien: Derzeit gibt es in französischen Unternehmen bis zu vier verschiedene Gremien, die die Arbeitnehmer vertreten - teilweise von den Gewerkschaften besetzt, teilweise von der Belegschaft gewählt. Künftig werden diese Gremien zusammengelegt.
Arbeitsrecht:

Eine Reihe von Maßnahmen soll es Unternehmen erleichtern, Arbeitnehmer zu entlassen - und so die Hemmschwelle senken, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Dazu gehören:

Abfindungen: Es gibt nun eine Obergrenze für Abfindungen, die Arbeitsgerichte bei sogenannten ungerechtfertigten Entlassungen als Schadensersatz festlegen dürfen. Diese richtet sich nach der Betriebszugehörigkeit, beginnt bei drei Monatsgehältern (nach zwei Jahren Betriebszugehörigkeit) und erreicht höchstens 20 Monatsgehälter (nach 30 Jahren Betriebszugehörigkeit). Im Gegenzug gibt es nun auch eine Untergrenze für Entlassungen bei kleinen Unternehmen, die es bislang nicht gab.

Gleichzeitig wird die gesetzlich festgelegte Abfindung erhöht, die auch bei rechtmäßigen Entlassungen gezahlt werden müssen: von bislang 20 Prozent eines Monatslohns pro Jahr Betriebszugehörigkeit auf nun 25 Prozent.
Kündigungen: Internationale Konzerne haben bislang ein Problem, wenn ihr Geschäft in Frankreich schlecht läuft und sie Stellen abbauen wollen: Sie dürfen nur dann betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, wenn der betreffende Geschäftsbereich im gesamten Konzern in Schwierigkeiten steckt, also auch in anderen Ländern. Diese Regelung soll nun wegfallen, künftig muss ein Konzern nur noch schlecht laufende Geschäfte in Frankreich selbst nachweisen.
Die ersten Reaktionen der Gewerkschaften auf die Details sind gemischt: Die radikal linke CGT - nach Mitgliedern die zweitgrößte Gewerkschaft in Frankreich - hatte ohnehin bereits im Vorfeld Protest angekündigt, die für den 12. September geplant sind. Nun teilte sie mit: "Alle unsere Befürchtungen haben sich bewahrheitet."

Die gemäßigte CFDT, die größte Gewerkschaft des Landes, zeigte sich ebenfalls enttäuscht: Die Chance auf eine verbesserte Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sei vertan worden. An den Protesten will sie sich jedoch ausdrücklich nicht beteiligen - ebenso wie die FO als drittgrößte Gewerkschaft. Geschlossener Widerstand ist also nicht zu erwarten, was die Chancen der Arbeitsmarktreform stark erhöht.

Allerdings sind die nun vorgelegten Änderungen beim Arbeitsrecht und bei der Sozialpartnerschaft nur einer von zwei großen Teilbereichen der Arbeitsmarktreform. Für den zweiten großen Teil - den Umbau der Sozialversicherungen und die Senkung der Lohnnebenkosten - hat sich Macron noch bis Ende 2018 Zeit gegeben.

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