Trump zeigt sein zweites Gesicht

  31 Januar 2018    Gelesen: 1065
Trump zeigt sein zweites Gesicht
In seiner ersten Rede zur Lage der Nation versucht US-Präsident Trump, mit Heldengeschichten die USA zu einen. Er scheitert, weil er zugleich kalkuliert provoziert.  

Pünktlich ist er, um 21 Uhr Ostküstenzeit betritt er den Kongress; seine Minister sind da, die Verfassungsrichter, die Senatoren und Abgeordneten, auf dem Rang hat seine Frau Melania Sekunden zuvor bei den eingeladenen Besuchern Platz genommen. Donald Trump schüttelt auf seinem Weg zum Rednerpult die weißen Hände links und rechts, als sei es ein Parcours; angestrengt, kaum lächelnd, ein permanentes "Thank you" auf den Lippen.

Etwas länger als ein Jahr ist Donald Trump im Amt. Trump soll in seiner Rede zur Lage der Nation erstmals berichten darüber, wo er die Probleme sieht. Was er im vergangenen Jahr dagegen getan hat. Und was er in Zukunft zu tun gedenkt. Nicht nur die Vereinigten Staaten beobachten ihr Staatsoberhaupt. Trump hat in seinem ersten Amtsjahr die Spaltung des Landes und von Verbündeten vorangetrieben wie vielleicht kein Präsident vor ihm. Wie er sich hier im Kapitol präsentiert, vor den versammelten Repräsentanten der USA, das ist auch für den Rest der Welt von Bedeutung.

Es ist wichtig für die Zukunft, nun, da der rechtsnationale Präsidentenflüsterer Steve Bannon in Ungnade gefallen ist; der zähmende Außenminister Rex Tillerson sich trotz aller Konflikte im Amt gehalten hat; und Trump erkannt hat, dass sich ein Präsident an demokratische Regeln zu halten hat. Er beginnt steif, im Auftrag des Volkes und seiner Helden, wie er sagt, denn die seien "Stahl im Rückgrat Amerikas". In seiner Rede werden noch mehr als üblich Einzelschicksale und ihre Geschichten folgen, deren Protagonisten weinend auf dem Rang sitzen. Dieser Hauch von Hollywood gehört in den USA zur Politik.

Seitenhieb auf Schwarze

Was Trump macht mit diesen Schicksalen, wie er sie instrumentalisiert, das ist plump und meisterhaft zugleich. Einen 12-Jährigen, der anfing, US-Fahnen auf Veteranengräbern zu platzieren, und andere, die es ihm gleichtaten, ehrt er - um im gleichen Atemzug andere zu diskreditieren: "Er erinnert uns daran, warum wir stolz stehen während der Nationalhymne." Ein Seitenhieb auf Schwarze, der die Republikaner johlen lässt. Trump hatte sich einen öffentlichen Schlagabtausch mit Football-Profis geliefert, die während der Hymne knieten, um so gegen Polizeigewalt gegen Schwarze zu protestieren.

Immer wieder betont Trump amerikanische Werte, gibt sich zunächst überraschend versöhnlich, nur um mit kalkulierten Ausfällen die Hoffnung wieder einzureißen. Kalkulierte sind diese zwei Gesichter deshalb, weil er sich offensichtlich an sein Manuskript hält. Zu Beginn ist seine Stimme belegt, als wäre er erkältet. Er stellt zwei schwarze Elternpaare vor, deren Kinder von Gangmitgliedern getötet wurden, auch einen Mitarbeiter der Polizei an der Südgrenze zu Mexiko; wieder fließen Tränen. "Immigranten haben viele Leben gekostet, Gangs und Kriminelle strömten ins Land", sagt Trump, und von den Bänken der oppositionellen Demokraten ist ein Aufschrei zu hören. Der Präsident bezeichnet Immigranten damit pauschal als Mörder.

Unbeeindruckt fordert Trump von den Demokraten Unterstützung, um "eine große Mauer an der Südgrenze" zu errichten und den Familiennachzug auf Ehepartner und minderjährige Kinder zu begrenzen. Wieder ist Protest zu hören. Doch der größere Affront kommt noch: "Auch Amerikaner sind Dreamer", provoziert er. Der Begriff "Dreamer" bezeichnet Menschen, die vor 2007 illegal als unter 16-Jährige in die USA kamen, unter Obama Aufenthaltsrecht beantragen konnten - und denen nun die Deportation droht. Illegale Einwanderer zum Sündenbock zu machen, das gehört zum Standardrepertoire dieses Präsidenten.

Die Republikaner danken ihrem Mann im Weißen Haus mit Applaus; ständig stehen sie auf, teilweise nach jedem Satz, häufiger als in der Kirche. Ihre Jobs hängen auch davon ab, wie Trump sich heute schlägt. Im November sind Zwischenwahlen in den USA, ein Drittel des Senats und das gesamte Repräsentantenhaus wird neu gewählt.

Jubel für die Umverteilung

Der längste Teil von Trumps Rede zur Lage der Nation ist der zur Lage seiner Erfolge, also der Steuerreform. Die Umverteilung zu Reichen und Konzernen lässt viele Anwesende vor Vergnügen breit grinsen – die meisten, vermutlich alle im Kongress dürften zu den Gewinnern der Neuregelungen gehören. Ihre Waffe heißt Trump. Effektiv war sie im ersten Jahr, insbesondere die Steuerreform und Deregulierungen haben das bewiesen.

Trump genießt den Applaus und plötzlich ist in seinem Element, wird zum Cowboy, formt die Hände pistolenartig, zielt in verschiedene Richtungen, dann mit beiden in die Mitte. Doch besonders untere und mittlere Einkommensschichten werden in wenigen Jahren dafür zahlen. Und die Behauptung des Unternehmers vor dem Kongress, die "größte Steuerentlastung in der Geschichte" zu verantworten, ist schlicht falsch: Zu Beginn seines Gesetzespakets sind es 0,9 Prozent des Bruttosozialprodukts. Bei Ex-Präsident Ronald Reagans Reform im Jahr 1981 waren es 2,89 Prozent.

Die Arbeitsmarktdaten, die Trump dann präsentiert - etwa die 4,1 Prozent Arbeitslosenrate - sind zwar auf den ersten Blick beeindruckend, aber er hat sie nicht zu verantworten. Ex-Präsident Obama wurde in der Finanzkrise 2008 gewählt, musste 8 Millionen Jobs wieder zurückholen, wofür er fast seine gesamte erste Legislaturperiode brauchte. Bis Januar 2017 kamen weitere 7,2 Millionen Jobs hinzu. Trump verlängert diese Rekordphase des Jobwachstums nur und kommt in seinem ersten Jahr auf 1,84 Millionen neue Arbeitsplätze.

Trumps Plan, wie er die Opioid-Krise zu lösen gedenkt, ist ein schlechter Witz: Mit härterer Gangart gegen Drogendealer und niedrigeren Medikamentenpreisen. Das klingt, als wollten seine Berater oder er nicht verstehen, wo diese Krise überhaupt ihre Wurzeln hat: Bei Ärzten, die sorglos süchtig machende Schmerztabletten verschreiben. Viele steigen auf Heroin um, weil dies billiger ist als die Tabletten. Falls Trump tatsächlich denkt, die Suchtkrise beenden zu können, indem er die Einstiegsdrogen günstiger macht, lügt er sich in die eigene Tasche - und in die der Pharmaindustrie weiter Geld.

Auf sein Lieblingsthema "Fake News" kommt Trump kein einziges Mal zu sprechen. Dafür macht zum Ende den Schwenk zur Außenpolitik und stellt einen Nordkoreaner vor: Seong Ho verlor vor seiner Flucht in den Süden seine Beine. Mit Tränen in den Augen steht er nun auf dem Balkon des Kongresses und reckt seine Krücken in die Luft. Und Trump sagt: "Per Rundfunk sendet er das in den Norden, was das Regime besonders fürchtet: die Wahrheit."

Quelle: n-tv.de


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