Meilenstein: Frauen in Saudi Arabien dürfen zum ersten Mal wählen
Erst 2011 entschied der inzwischen verstorbene König Abdullah, Frauen die Beteiligung an der Kommunalwahl zu erlauben. Doch das Interesse an der Wahl bleibt gering – auch bei der weiblichen Bevölkerung. «Viele Frauen haben sich gar nicht erst registriert», sagt Muna Abu Sulaiman, eine saudische TV-Persönlichkeit und Aktivistin. Nach offiziellen Zahlen sind von den 1,6 Millionen registrierten Wählern nur 136 000 Frauen, in einem Land mit einer weiblichen Bevölkerung von rund 12,6 Millionen.
Das konservativ-islamische Königreich ist eins der Länder der Welt, in dem die Rechte der Frauen am meisten eingeschränkt sind. Sie dürfen weder Auto fahren noch ohne männliche Erlaubnis reisen. In der Öffentlichkeit sind die meisten Frauen verschleiert. Politisch haben sie kaum eine Stimme.
«Wenn ein Mann eine Frau davon abhalten möchte, zu kandidieren oder zu wählen, gibt es so viele Wege, wie er das tun kann», sagt Adam Coogle von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Wegen des Fahrverbots seien Frauen logistisch auf Männer angewiesen. Auch müssten Wählerinnen bei der Registrierung einen Nachweis über ihren Wohnsitz vorlegen, der auf ihren Namen ausgestellt ist – eine Herausforderung in einem Land, in dem Frauen ohne einen Mann nur schwer Mietverträge abschließen oder Häuser kaufen können.
865 Frauen haben sich für die Wahl aufstellen lassen, von insgesamt 6140 Kandidaten. Wegen der strikten Geschlechtertrennung in der Öffentlichkeit ist der Wahlkampf für die Kandidatinnen eine besondere Herausforderung. Männer und Frauen müssten getrennte Veranstaltungen abhalten, erklärt Coogle – und Frauen könnten Männerveranstaltungen nur durch einen männlichen Sprecher oder über einen Live-Feed ansprechen.
Die Kommunalwahl hat Coogle zufolge auch wenig praktische Auswirkungen für Frauen im Königreich. Zwar habe sie eine große symbolische Bedeutung. Aber: «Die Gemeinderäte haben de facto kaum politische Macht.» Die zuletzt 2011 gewählten Lokalräte können unter anderem den Haushalt absegnen und Vorschläge machen. Zudem werden nur zwei Drittel ihrer Mitglieder durch Wahlen bestimmt, der Rest wird ernannt.
Jegliche Reformen der Frauenrechte sind für das Königshaus ein Drahtseilakt. Einerseits besteht Coogle zufolge das politische Interesse, international das Image des Königreichs aufzupolieren, und das wirtschaftliche Interesse, Frauen als Arbeitskräfte zu gewinnen. Andererseits versuche die Monarchie, die konservativen Teile der Gesellschaft nicht zu entfremden.
Dennoch ist Abu Sulaiman angesichts der Entwicklungen zuversichtlich. «Es werden große Schritte unternommen, die Rechte der Frauen voranzutreiben.» Etwa im Bereich der Bildung und im Berufsleben. Die Kommunalwahl fördert ihrer Meinung nach ein Umdenken – «darüber, was Frauen können und nicht können.» Sie sieht darin auch für Frauen eine Verantwortung: Für sie sei es wichtig zu lernen, was es bedeutet, am öffentlichen Leben und an politischen Prozessen teilzunehmen.
Laut Al-Hathlul boykottierten einige Frauen die Wahl von Anfang an. «Sie hatten das Gefühl, es ist nur ein Versuch, uns Frauen zu besänftigen.» Sie selbst steht ohnehin nicht mehr auf dem Wahlzettel: Eine Woche vor der Wahl sei sie von der Kandidatenliste gestrichen worden, erzählt sie. Eine klare Begründung habe es nicht gegeben.
Die 26-Jährige kämpft seit Jahren für Frauenrechte in Saudi-Arabien; 259 000 Menschen folgen ihr auf Twitter. Sie war eine von zwei Frauen, die sich Ende vergangenen Jahres gegen das Fahrverbot auflehnten und zweieinhalb Monate im Gefängnis verbrachten. Laut Coogle wurden auch weitere Aktivistinnen von der Wahl ausgeschlossen.
Dennoch ist Al-Hathlul optimistisch: «Ich sehe die Wahl als große Chance, die Rechte der Frauen voranzubringen – und Frauen zu zeigen, wie es sich anfühlt, gleichberechtigt zu sein.»