Wenn sich durch Traditionen uraltes Wissen überliefert, dann hat die Nuss den Menschen nachhaltig beeindruckt – wobei der Einfachheit halber hier alle Samen Nüsse genannt werden. Die fest verpackten essbaren Hartkerne haben eines gemein: Es sind Pflanzensamen, in denen alles steckt, was werdendes Leben braucht. Lebensbrennstoff allüberall zum Geburtstag des Christkinds – wie passend.
Dem säkularen, aber gesundheitsbewussten Esser mag diese Verbindung gleichgültig sein. Für ihn ist die Handvoll Nüsse gesünder als Weihnachtsgans, Schokolade und der kalorienreiche Christstollen. Früher hatte es geheißen, Nüsse sind zu fettreich und machen dick. Heute sollen sie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken, vor Krebs schützen und bis ins hohe Alter die kognitiven Fähigkeiten bewahren.
Was aber ist dran am Mythos Nuss? Stecken hinter dem Geheimnis der herzschonenden mediterranen Diät zum Beispiel gar nicht der Rotwein, das Olivenöl oder der Lollo rosso, sondern die daraufgestreuten Pinienkerne und Walnüsse? Jordi Salas-Salvadó, Ernährungsforscher von der katalanischen Universität Rovira i Virgili in Tarragona, ging der Sache auf den Grund. Er wollte wissen, ob Nüsse wirklich vor Fettsucht und Stoffwechselstörungen schützen. Eine positive Antwort wäre hochwillkommen, denn eine der Ursachen für verengte Herzkranzgefäße und damit für Infarkte ist ein dauerhaft erhöhter Fettspiegel im Blut.
Die Studienlage sieht günstig aus: 20 bis 30 Gramm Nüsse pro Tag senken zum Beispiel das "schlechte" Cholesterin (LDL) um sieben Prozent. In einer Gruppe Erwachsener mit leicht erhöhten Blutfetten reduzierten Mandeln in der Höchstdosis von rund 68 Gramm pro Tag das Gesamtcholesterin um rund neun Prozent. Vieles spricht dafür, dass eine tägliche Portion Nüsse das Entstehen eines Diabetes Typ 2 verhindert. Ob in der Predimed-Studie mit 7.000 Teilnehmern oder der Nurses’ Health Study und der Physicians’ Health Study mit insgesamt 122.000 Teilnehmern, die Ergebnisse ähneln sich: Der Blutdruck und die Rate an tödlichen Herzinfarkten sinken (um rund 40 Prozent). Jordi Salas-Salvadós Fazit: "Wer täglich eine Portion Nüsse isst, kann das Risiko von Komplikationen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen mindern." Ein Medikament mit ähnlichen Erfolgen wäre der Renner.
Und obwohl Nüsse sehr fett- und damit kalorienreich sind (Walnüsse bestehen aus bis zu 60 Prozent Fett), nehmen Menschen mit Nüssen nicht zwingend zu, ja manche verlieren sogar Gewicht. Der Grund: Durch die ballaststoffreichen Früchte entleert sich der Magen langsamer, und das Sättigungsgefühl hält länger an. Die proteinreichen Kerne drosseln das Hungergefühl, die ungesättigten Fettsäuren kurbeln die kalorienzehrende Wärmeproduktion im Körper an. Mehrere Studien kommen sogar zu dem Schluss, dass Pistazien schlank machen – und sei es nur deshalb, weil man die Kerne erst mühsam aus der Schale pulen muss. Die Schalen sind nebenbei auch ein visuelles Maß für die verzehrte Menge. In einem Versuch knabberten die Teilnehmer 23 Prozent weniger Pistazien, wenn die Schalen auf dem Tisch nicht weggeräumt wurden.
Offenbar ist die Nuss schon sehr lange Wegbegleiter des Menschen. Schon ein früher Hominide wurde wegen seiner gewaltigen Kiefer "Nussknacker-Mensch" genannt. Eine voreilige Bezeichnung, denn Paranthropus boisei malmte lieber Gras. Ihm fehlte offenbar noch der Grips, sich das komplizierte Lebensmittel Nuss zu erschließen. "Gott gibt die Nüsse, aber er knackt sie nicht auf", schrieb schon Johann Wolfgang von Goethe. Der Mensch nahm die Herausforderung an und bestand diesen göttlichen Intelligenztest. In Zeiten der Jäger und Sammler waren Nüsse ein beliebter, energiereicher Snack. In dieser Tradition stehen auch noch die südafrikanischen San. "Wozu sollen wir etwas anpflanzen, wenn es in der Welt doch so viele Mongongo-Nüsse gibt", antworteten die Buschmänner Anthropologen auf die Frage, warum sie kein Getreide anbauen.
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