Leihmutterschaft wird zum Streitthema

  02 Auqust 2018    Gelesen: 1089
Leihmutterschaft wird zum Streitthema

Zehntausende Menschen werden zur Gay-Pride-Parade in Jerusalem erwartet. Doch die Demonstration gegen die Diskriminierung Homosexueller wird dieses Jahr zum Ausdruck einer grundsätzlichen Frage: Was für ein Staat will Israel sein?

Daniel Jonas ist ein feingliedriger Mann mit Kippa auf dem Kopf, der oft freundlich lächelt und leise spricht. Doch wenn es um das neue Leihmutterschaftsgesetz in Israel geht, dann wird der strengreligiöse Jude ungemütlich. "Der Protest gegen das Leihmutterschaftsgesetz findet statt, weil die Regierung erstmals gesagt hat: Ihr seid ausgeschlossen", sagt der 36-Jährige, der mit seinem Mann in Jerusalem lebt. Das Paar wird wie vermutlich Zehntausende andere an diesem Donnerstag an der Gay-Pride-Parade in Jerusalem teilnehmen.

Die israelische Regierung hatte im Juli entschieden, dass künftig nicht nur heterosexuelle Paare, sondern auch ledige Frauen mit Hilfe einer Leihmutter Kinder bekommen dürfen - nicht aber ledige Männer. Schwule Männer sehen sich dadurch des Rechtes beraubt, in ihrem eigenen Land Väter zu werden. Bei der Gay-Pride-Parade fordern die Teilnehmer gleiche Rechte für alle. Doch dabei geht es nicht nur um das Leihmutterschaftsgesetz.

"Israel erlebt schwierige Zeiten", sagt Eran Globus, Vorsitzender des Jerusalem Open House, Veranstalter der Gay-Pride-Parade. Es gehe aktuell in der Gesellschaft um die grundsätzliche Frage: Was für ein Staat will Israel sein - ein demokratischer Staat, ein jüdischer Staat, ein jüdischer und demokratischer Staat? "Wir sind tatsächlich Teil eines größeren Kampfes für Menschenrechte in Israel", sagt Globus.

Leihmuttersuche im Ausland


"Das Leihmutterschaftsgesetz ist ein Auslöser geworden, aber das Hauptthema ist Diskriminierung - nicht nur durch die Gesellschaft, auch durch das Gesetz." Am Tag der Änderung des Leihmutterschaftsgesetzes verabschiedete das Parlament auch das umstrittene "Nationalitätsgesetz". Es verankert Israels Status als jüdischen Nationalstaat und wird sowohl von der arabischen als auch der drusischen Minderheit als diskriminierend kritisiert.

Aron Bilek und sein Mann Os Vadi sind im vergangenen Jahr mithilfe einer Leihmutter Eltern geworden - in Kanada. Das Paar aus Tel Aviv hatte dafür umgerechnet rund 80.000 Euro gezahlt. Eine Agentur hatte ihnen die Leihmutter vermittelt. Über seinen Sohn Harel sagt Bilek: "Er war jeden Penny wert."

Doch wer nicht über ihre finanziellen Möglichkeiten verfüge, könne keine Familie durch Leihmutterschaft gründen, kritisiert Bilek die Gesetzeslage. In Israel müsse man für eine Leihmutterschaft lediglich rund 25.000 Euro zahlen. Bei medizinischen Komplikationen seien die Beteiligten versichert.

"Es ist heiß - das Wetter und die Atmosphäre"


In Israel dürfen seit 1996 heterosexuelle Paare einen Vertrag mit einer Leihmutter im Land abschließen. Ein amtliches Gremium überprüft den Vertrag. Zahlungen sind nur begrenzt möglich, um Leihmutterschaften aus finanziellen Motiven zu verhindern. Anwältin Irit Rosenblum verweist auf die Bundesrepublik: "In Deutschland ist es verboten. Warum gibt es dort keinen Aufschrei in der schwulen Gemeinschaft?", fragt die Anwältin. "Weil alle im gleichen Boot sitzen."

Die Leihmutterschaft sei generell untersagt. Aber wenn - wie in Israel - der Gesetzgeber entscheide, die Methode grundsätzlich zu erlauben, dürfe man nicht eine Gruppe ausschließen. Seitdem es das Leihmutterschaftsgesetz gebe, seien in Israel 700 Babys auf diesem Weg zur Welt gekommen. Über die Stimmung in Israel sagt Rosenblum, Anwältin und Gründerin der Organisation New Family: "Es ist heiß - das Wetter und die Atmosphäre."

In Deutschland sind Leihmutterschaften unter anderem nach dem Embryonenschutzgesetz verboten. Außerdem gilt: Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat - also wäre dies die Leihmutter. Der 33-jährige Aron Bilek aus Tel Aviv kritisiert: "Wir sind Bürger, die sich an die Gesetze halten und Steuern zahlen, und uns werden nicht die gleichen Rechte eingeräumt wie heterosexuellen Menschen."

Adoption sei für homosexuelle Paare in Israel auch keine echte Alternative, da sie grundsätzlich nicht erlaubt sei. Daniel Jonas und sein Mann Uri Erman fänden eine Leihmutterschaft in Israel ebenfalls ideal, um eine Familie zu gründen. "Wir hatten auf die Entscheidung der Regierung gewartet", sagt der 36-Jährige. Jetzt hofften sie noch darauf, dass das Höchste Gericht das Gesetz wieder kippt. "Wir haben nicht das Geld, um für eine Leihmutterschaft ins Ausland zu fliegen."

Quelle: n-tv.de


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