Demontage der EU: Putins heimlicher Plan?

  04 September 2018    Gelesen: 1028
Demontage der EU: Putins heimlicher Plan?

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat in einem Interview behauptet, sein russischer Amtskollege Wladimir Putin würde davon träumen, „die EU zerfallen zu lassen“. Im Kreml verwies man im Gegenzug darauf, dass die russische Seite, insbesondere Präsident Putin persönlich, öfter Interesse an einer stabilen und gedeihenden EU gezeigt haben.

Inzwischen gibt es innerhalb der Union etliche Probleme, und zwar nicht nur das um den Brexit. Was Putins Interesse an einer „prosperierenden, berechenbaren und stabilen Europäischen Union“ angehe, so gebe es hierin „keine Veränderungen“, betonte der Sprecher des Kreml-Chefs, Dmitri Peskow.

Im Laufe seines erwähnten Interviews für den schwedischen Sender SVT Television wurde Macron über die jüngste Erklärung des Vorsitzenden der Partei „Die Schwedendemokraten“, Jimmie Åkesson, befragt, der keine Wahl zwischen Macron und Putin hatte treffen wollen. Darauf sagte der französische Staatschef, diese Worte Åkessons würden ihn als Person charakterisieren, die sich in den europäischen Werten nicht auskennt.

„Ich bleibe ständig in Kontakt mit Putin und respektiere ihn, aber Putins Traum ist die Demontage der Europäischen Union“, betonte Macron.

Nach seinen Worten respektiert Frankreich die Menschenrechte und ist ein Land mit einem hohen Niveau der Demokratie. Dagegen werde Russland wohl kein Muster für Schweden sein, ergänzte der französische Präsident.

Dabei hatte er erst in der vorigen Woche erklärt, die EU, Russland und die Türkei könnten quasi einen Block bilden, um gemeinsam Washington zu widerstehen. „Die Sicherheit der EU sollte nicht mehr von den USA abhängen“, äußerte Macron am 27. August in einer Beratung mit französischen Botschaftern in anderen Ländern, insbesondere in Russland und der Türkei.

Kennzeichnend ist auch, dass Wladimir Putin möglicherweise im November auf Einladung der französischen Seite Paris besuchen wird. Eine Quelle im französischen Präsidialamt verriet, dass der Kreml-Chef zu den Feierlichkeiten zum Ende des Ersten Weltkriegs eingeladen worden sei. In diesem Kontext klingen Macrons Worte über die Absicht Putins, die EU zerstören zu wollen, frappierend.

Dabei hatte Putin noch Anfang Juni in einem Interview für den österreichischen Sender ORF abermals betont, dass Moskau die EU gar nicht spalten wolle. „Im Gegenteil – wir sind daran interessiert, dass die EU einig bleibt und gedeiht, denn die Europäische Union ist unser größter Handels- und Wirtschaftspartner“, so der Kreml-Chef.

Pawel Timofejew vom russischen Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen stellte angesichts der jüngsten Aussagen Emmanuel Macrons fest, dass sie zwar kontrovers seien, aber im Allgemeinen durchaus in dessen außenpolitische Konzeption gegenüber Russland passen. „Macrons letzte Äußerungen entsprechen der Formel ‚Härte und Dialog‘. Die ‚Härte‘ ist an den Widersprüchen zu sehen, die es zwischen Russland und Frankreich gibt: Syrien, Situation in der Ukraine usw. Der ‚Dialog‘ wird in den Bereichen geführt, wo die Positionen Russlands und Frankreichs übereinstimmen: Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen, Terrorbekämpfung“, so der Politologe.

Der rebellierende Osten

Große Kopfschmerzen bereiten der EU-Führung die angespannten Beziehungen mit einzelnen osteuropäischen Ländern, vor allem mit den Mitgliedern der so genannten Visegrad-Gruppe (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn). Ihr Verhalten lässt sich Brüssel schon seit langem nicht gefallen, und gegen Polen und Ungarn hat die EU-Kommission sogar Sanktionsverfahren eingeleitet – wegen der Handlungen Warschaus und Budapests, die den demokratischen Prinzipien der Union widersprechen. Dabei wurden die Sanktionen gegen sie immer noch nicht verhängt, weil Warschau und Budapest zusammenhalten und versprechen, die entsprechende Beschlussfassung bei Abstimmungen zu blockieren. Die Konflikte mit den Polen und Ungarn verärgern Brüssel auch deswegen, weil sie seine Schwäche in dieser Situation offensichtlich machen.

Die Visegrad-Gruppe stellt sich unverhohlen Brüssel und dem sogenannten „alten Europa“ entgegen. Davon zeugt zumindest die Tatsache, dass das Quartett im Vorfeld von großen EU-Sitzungen seine eigenen Beratungen durchführt, und man in Brüssel darüber nervös ist. Die Osteuropäer verlangen nämlich, dass Brüssel ihre Meinung berücksichtigt, wenn wichtige Entscheidungen getroffen werden. Eine große Rolle spielt dabei natürlich der finanzielle Aspekt: Ab 2019 wird die EU ihre Zuschüsse für die osteuropäischen und baltischen Länder reduzieren. Bisher erhielt beispielsweise Polen jedes Jahr etwa zehn Milliarden Dollar. Doch nach dem Brexit wird sich die Situation verändern, und Warschau wird an den EU-Haushalt mehr Geld überweisen, als es von Brüssel erhält. Noch mehr werden die Hilfen für Ungarn, Tschechien, Litauen und Estland gekappt – um insgesamt 24 Prozent (37 Milliarden Euro).

Zu den möglichen Folgen der bevorstehenden Kürzung der Zuschüsse für die Osteuropäer äußerte sich der EU-Ratspräsident Donald Tusk. Er vermutete, dass die nationalistische Führung Polens, nämlich die Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“, das Land aus der Union herausführen wolle, sollten die Finanzhilfen tatsächlich gekappt werden. Wenn die EU-Mitgliedschaft ungünstig für Polen werde, könnte dort ein Referendum nach britischem Muster organisiert werden, schloss Tusk nicht aus.

EU-Skeptiker werden immer populärer

Auch in Ungarn sind EU-Skeptiker an der Macht. Noch mehr als das: Der Leiter des Amtes des Ministerpräsidenten, Janos Lazar, sagte unlängst, er würde für den EU-Austritt des Landes stimmen, falls ein entsprechender Volksentscheid stattfinden sollte. Er ergänzte aber zugleich, dass dies seine persönliche Meinung sei, die mit der offiziellen Haltung Budapests nicht unbedingt übereinstimme.

Einer der wichtigsten Faktoren, die den Aufschwung der EU-skeptischen Stimmung in Osteuropa bedingen, sind die mit dem Flüchtlingsansturm verbundenen Probleme. In diesem Sommer wurde die Diskussion über die Maßnahmen auf diesem Gebiet besonders heftig. Beim EU-Gipfel am 29. Juni einigten sich die Staats- und Regierungsoberhäupter auf eine Veränderung der Regeln für den Empfang der Flüchtlinge. Die Effizienz dieser Maßnahmen wird sich aber wohl erst später einschätzen lassen.

Brüssels Flüchtlingspolitik hat Gegner in vielen EU-Ländern, wo dementsprechend nationalistische Kräfte immer stärker werden. Und dabei geht es nicht nur um Ost- und Mitteleuropa, sondern auch um führende Länder wie Deutschland, Österreich und Italien.

Im Februar wurde die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) zum ersten Mal in der Geschichte populärer als die SPD, die älteste Partei Deutschlands. Seit Anfang dieses Jahres sind die Popularitätswerte der AfD von 13 auf 18 Prozent gestiegen.

In Österreich hat die konservative Volkspartei (31 Prozent) die Parlamentswahl 2017 gewonnen. Der neue Premier Sebastian Kurz plädiert für die Verschärfung der Migrationskontrolle. Die zweitgrößte Stimmenzahl (27,6 Prozent) bekamen die Nationalisten und EU-Skeptiker aus der Freiheitlichen Partei Österreichs.

Am 9. September findet in Schweden die nächste Parlamentswahl statt. Dort wird die ultrarechte Partei „Die Schwedendemokraten“ immer stärker. Sie besteht auf einer Beschränkung der Zuwanderung, die für Schweden negative Folgen habe. Laut Umfragen ist „Die Schwedendemokraten“ die zweitpopulärste Partei im Land.

Experte Pawel Timofejew stellte zwar fest, dass die EU mit großen Problemen konfrontiert sei, zweifelte aber an ihrem Zerfall.

„Ich glaube nicht, dass die EU auseinanderfallen wird. Sie hat schon einen langen Weg – und viele Krisen – hinter sich. Außerdem schätzen die meisten EU-Bürger trotz des Aufschwungs der Nationalisten und rechten Populisten die EU-Integration positiv ein und profitieren davon, insbesondere vom Schengener Abkommen“, betonte er.

Nach seinen Worten ist die EU-Integration nicht bedroht. „Die Frage ist, in welche Richtungen sich die EU-Integration entwickeln wird, welche Länder zur EU beitragen könnten usw. Das sind also eher konzeptuelle Fragen, die die künftigen Formate der EU-Kooperation betreffen. Die Situation ist alles andere als ideal, und es gibt einige Probleme“, so der Experte.

sputniknews


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