Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat mit einer Wiederaufnahme der Militäroffensive gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien gedroht, sollte das Abkommen zur Waffenruhe nicht umgesetzt werden. "Wenn die Versprechen, die Amerika unserem Land gegenüber gemacht hat, nicht eingehalten werden, dann werden wir unsere Offensive da, wo sie aufgehört hat und diesmal mit einer noch größeren Entschlossenheit fortsetzen", sagte Erdogan in Ankara vor seinem Abflug nach Russland.
Die Türkei hatte am 9. Oktober im Norden Syriens eine Offensive gegen die YPG begonnen, die sie als Terrororganisation betrachtet. Nach vorbereitendem Bombardement drangen auch türkische Bodentruppen und verbündete Milizen in das Nachbarland ein. Am Donnerstag hatte US-Vizepräsident Mike Pence nach Gesprächen in Ankara eine Waffenruhe von fünf Tagen zwischen den Konfliktparteien verkündet, die am heutigen Dienstag um 21 Uhr mitteleuropäischer Zeit abläuft.
Die Feuerpause soll den Kurdenmilizen Gelegenheit geben, sich aus dem Gebiet auf der syrischen Seite der Grenze zurückzuziehen, in dem die Türkei eine von ihr sogenannte Sicherheitszone errichten möchte. Erdogan sagte, der Rückzug der YPG dauere noch an. Unklar ist nach wie vor, ob alle Parteien über das gleiche Abzugsgebiet sprechen. Für die Kurdenmilizen gilt der Rückzug nur für die Region zwischen den Städten Ras al-Ain und Tall Abjad. Erdogan betonte erneut, dass er ein Gebiet von 32 Kilometern Tiefe und 444 Kilometern Länge "vollständig" von "Terrororganisationen säubern" wolle.
Die Militäroffensive der Türkei stößt international auf scharfe Kritik. Ankara wurde dabei weder von der syrischen Regierung um Hilfe gebeten noch erteilte der UN-Sicherheitsrat ein entsprechendes Mandat. Die Türkei begründet deshalb den Einmarsch mit dem Recht auf Selbstverteidigung. Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages kommt aber zu dem Schluss, dass der Einmarsch im Widerspruch zum Völkerrecht stehe.
Erdogan und Putin bemühen sich um Lösung
Russlands Präsident Wladimir Putin und Erdogan wollen sich bei dem Treffen um neue Schritte für eine Lösung im Syrien-Konflikt bemühen. Nach Kremlangaben soll es bei den Verhandlungen in der Schwarzmeer-Stadt Sotschi vor allem um eine Normalisierung der Lage im Norden des Landes gehen. Russland hatte für die Offensive der Türkei Verständnis gezeigt und betont, dass Ankara und Moskau sich auf allen Ebenen - neben den Präsidenten auch zwischen den Außen- und den Verteidigungsministern - eng abstimmten. Zugleich äußerte sich Moskau besorgt darüber, dass im Zuge der Kämpfe in den Kurdengebieten die dort in Lagern gefangenen islamistischen Terroristen freikämen. Auch über diese Gefahr wollen Erdogan und Putin bei ihrem Arbeitstreffen beraten.
Ziel sei es, den Prozess für eine politische Lösung des Konflikts weiter voranzubringen. Dazu soll in Genf am 30. Oktober erstmals auch der neue Verfassungsausschuss für Reformen in Syrien tagen. Das Komitee besteht aus Vertretern der syrischen Regierung um Machthaber Baschar al-Assad und der Opposition.
Kremlchef Putin hatte am Montagabend auf französische Initiative mit Präsident Emmanuel Macron in Paris telefoniert. Dabei sei es auch um die Lage in Nordsyrien gegangen und um eine Wahrung der territorialen Unversehrtheit des Landes, wie der Kreml mitteilte. Zudem habe Putin über die russischen Anstrengungen zur Stabilisierung der Situation in der Region informiert sowie über die Vermittlung von Kontakten zwischen den Konfliktparteien. Nach dem Abzug der US-Truppen fühlten sich etwa die Kurden im Norden schutzlos und ließen sich - wie von Moskau stets gefordert - auf einen Dialog mit der syrischen Führung ein.
Russland und die Türkei organisieren mit dem Iran seit 2017 im so bezeichneten Astana-Format Friedensgespräche für eine Lösung des Syrien-Konflikts. Benannt ist das Format nach Astana, der Hauptstadt der Ex-Sowjetrepublik Kasachstan. Die Stadt in Zentralasien heißt inzwischen Nur-Sultan. Im Syrien-Konflikt steht Russland auf der Seite Assads und tritt zugleich als Vermittler für alle Gruppen auf. Die Türkei dagegen unterstützt die syrische Opposition
Quelle: n-tv.de
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