Sofort stellte sich die Frage, ob das CDU-Präsidiumsmitglied damit auch den CDU-Bundesparteitag am 25. April gemeint hatte. Dann sollen eigentlich 1001 Delegierte einen neuen CDU-Vorsitzenden wählen. Aber niemand im Konrad-Adenauer-Haus kann nun sagen, ob die Veranstaltung stattfinden wird - oder ob Annegret Kramp-Karrenbauer notgedrungen noch eine Weile CDU-Chefin bleiben muss. Dabei ist die Kandidatenkür für Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen ohnehin schon kompliziert genug: Alle drei versuchen zu glänzen und gleichzeitig Schwächen in ihrem Profil auszubügeln. Dabei sind sie von der Flüchtlingskrise an der türkisch-griechischen Grenze überrascht worden.
Das gilt vor allem für Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet. Dieser hatte vor zehn Tagen noch betont, dass die Flüchtlingspolitik 2015 richtig gewesen sei: Dummerweise für ihn sorgte Türkeis Präsident Recep Tayyip Erdogan nur wenige Stunden später für einen Stimmungsumschwung, als er kurzerhand die türkische Grenze zur EU für Flüchtlinge und Migranten für offen erklärte. Seither ist in der Union wieder eher eine harte Haltung gefragt. Parteiinterne Kritiker werfen Laschet ohnehin eine viel zu große Nähe zu Kanzlerin Angela Merkel vor - wie 2018 auch der scheidenden CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Also muss Laschet seither ständig gegensteuern - etwa mit einer harten Position zur Verteidigung der EU-Außengrenze in Griechenland. “Wer das grenzenlose Europa im Innern will, muss an den Außengrenzen klare Regeln haben”, mahnte er am Sonntag.
“Aber das bedeutet für ihn einen schwierigen Balanceakt”, sagt ein CDU-Bundesvorstandsmitglied. Spätestens seit seinem Posten als nordrhein-westfälischer Integrationsminister gilt Laschet bei diesem Thema als “soft” - auch wenn er heute gerne auf die harte Haltung seines Innenministers Herbert Reul hinweist. Die Seiten wechseln kann Laschet auch nicht. Dies würde seine Glaubwürdigkeit unterlaufen. Zudem wird parteiintern darauf verwiesen, dass Laschet jene CDU-Politiker und Kirchenvertreter nicht verprellen dürfe, die tatsächlich bis heute an der Seite der Flüchtlingspolitik Merkels stehen.
Laschet versucht diese offene Flanke dadurch zu schließen, dass er mit dem konservativeren Gesundheitsminister Jens Spahn als prominentem Unterstützer auftritt. Das kann ihm helfen. Aber gleichzeitig profiliert sich Spahn derzeit als Krisen-Manager in der Coronavirus-Krise. Ende April könnte sich der ein oder andere CDU-Delegierte fragen, wieso nicht Spahn die Führungsrolle einnehmen sollte.
MERZ MIT HARTER HALTUNG - RÖTTGEN SUCHT DIE MITTE
Am einfachsten wirkt das Thema für Merz: Die meisten parteiinternen Beobachter sind sich einig, dass die Flüchtlingskrise für ihn eine Steilvorlage ist. Er hatte schon früher harte Worte gefunden und betonte auch jetzt gegenüber Migranten und Flüchtlingen: “Es hat keinen Sinn, nach Deutschland zu kommen.” Die Antwort auf die Frage, ob er auch für nationale Grenzschließungen sei, umging der überzeugte Europapolitiker Merz zwar bisher. Aber seine Anhänger in Ostdeutschland oder im konservativen Lager glauben auch so, dass er für eine konsequentere Haltung steht als seine Wettbewerber. “Jeder Tag, an dem über die Flüchtlings-Krise gesprochen wird, nutzt ihm deshalb”, ist ein Bundesvorstandsmitglied überzeugt. Merz dürfe es nur nicht überziehen.
Genau darauf wartet aber der dritte Kandidat im Bunde, Norbert Röttgen. Dieser griff seine Kontrahenten am Montag in der Flüchtlingsfrage an und präsentierte sich als Kandidat der Mitte. Laschet warf er im “Handelsblatt” ein “undifferenziertes” Lob für 2015 vor. Vieles sei eben nicht gut gelaufen. Aber noch härter setzt sich Röttgen von Merz ab: “Bei allem Respekt, den ich vor Friedrich Merz habe: Diese Aussage ist doppelt falsch, im Ton und in der Sache”, sagte er mit Blick auf dessen Abwehr-Äußerung. Man müsse gerade in der CDU, “die das Christliche im Namen trägt”, auch Empathie für Menschen in Not zeigen.
WIE HÄLST DU ES MIT FRAUEN?
Aber das Flüchtlingsthema ist nicht das einzige, bei dem die Kandidaten derzeit Fettnäpfchen umgehen müssen. Das zeigt gerade das Thema Frauen für die drei männlichen Kandidaten. Wer es sich mit Wählerinnen verscherzt, hat kaum Aussicht auf Erfolg. Merz hatte sich aber schon in der vergangenen Woche bei der wichtigen CDU-Untergruppierung der Frauenunion unbeliebt gemacht. Er hatte gesagt, dass man den Anteil der Frauen im Bundestag zunächst auf 25 Prozent steigern solle - das entspreche dem Frauenanteil in der CDU. Eine verpflichtende Parität lehne er ab. Dabei gibt es seit der Bundestagswahl Kritik an der sehr niedrigen Zahl der Frauen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Prompt reagierte die junge CDU-Politikerin Diana Kinnert - und ließ sich mit Laschet ablichten.
Merz und Röttgen hatten beide bei ihrer Kandidatur eine weibliche Generalsekretärin angekündigt - ohne aber Namen nennen zu können. Beiden wird eine Antipathie für die Kanzlerin unterstellt, die Merz verdrängt und Röttgen entlassen hatte. Als Merz am Frauentag twitterte: “Die CDU war übrigens die erste Partei, in der es Frauen bis an die Spitze geschafft haben – ganz ohne Quote”, erntete er in sozialen Medien nicht nur deshalb Spott, weil etwa die Grünen schon früher eine Vorsitzende hatten. An die Spitze hatte es in der CDU ausgerechnet Merkel geschafft - die heute offen für Quoten ist.
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