ntv.de: Herr Körbel, die Coronavirus-Epidemie überschattet das Europa-League-Achtelfinale zwischen Eintracht Frankfurt und dem FC Basel. Das Heimspiel steht, mit Fans. In der Schweiz darf nicht gespielt werden. Wie gehen Mannschaft und Trainer damit um?
Karl-Heinz "Charly" Körbel: Schwierige Frage. Im Verein versucht man sich auf alle Eventualitäten einzustellen: Spielt man mit den eigenen Fans im Rücken oder ohne? Wo könnte das Rückspiel stattfinden? Hat die Eintracht vielleicht sogar zwei Heimspiele? Irgendwie scheint derzeit alles möglich.
Mehrere Bundesligavereine haben damit begonnen, ihre Mannschaften abzuschotten ...
Die Eintracht macht das auch. Nicht-öffentliche Trainingseinheiten, keine Autogramme, keine Selfies ...
Was denken Sie darüber?
Es ist für den Verein, für die ganze Bundesliga, eine völlig neue Situation. So etwas gab es bisher noch nicht. Und momentan weiß auch keiner, wie lange diese Situation noch andauert oder ob sie sich sogar noch verschärfen könnte. Das Heimspiel gegen Basel ist durch die ganzen Begleitumstände, ausgelöst durch das Coronavirus, in den Hintergrund gedrängt. Die Vorbereitung der Mannschaft leidet darunter. Aber das ist bei Basel nicht anders. Man stelle sich nur einmal vor: Beide Spiele finden in Frankfurt statt. Was wäre das dann noch für ein Wettbewerb?
Wäre das denn realistisch?
Ich denke, dass das die Uefa nicht zulassen würde. In meinen Augen wäre das ganz klar Wettbewerbsverzerrung. Aber diese Probleme gibt es derzeit ja nicht nur in der Europa League. Champions League, Bundesliga, 2. Liga und so weiter, die anderen nationalen Ligen in Europa: Alle müssen sich mit der derzeitigen Situation befassen, auf sie reagieren - egal, was alles noch kommen mag.
Am wahrscheinlichsten sind wohl momentan Geisterspiele, also Partien ohne Fans in den Stadien ...
Ja, die könnte es geben, wird es geben. Wobei dann auch die Frage ist: Spielen die Fans mit? Beispiel Derby BVB gegen Schalke: Dürfen die Fans nicht ins Stadion, ist zu erwarten, dass sie sich in der Stadt oder um das Stadion herum treffen, zu Zehntausenden. Wir haben das ja schon durch: In Marseille letzte Europa-League-Saison und bei Arsenal in dieser. Immer waren Tausende Eintracht-Anhänger in der Stadt vor Ort. Bei eventuellen Geister-Heimspielen ist das gleiche Szenario zu erwarten: Dann treffen sich die Fans nicht im, sondern eben vor oder um das Stadion herum. Da müssen sich die Verantwortlichen dann fragen: Wäre es nicht doch besser, alle ins Stadion zu lassen? Spannende Zeiten. Eine Lösung weiß ich jedoch auch nicht. Es ist kein Spaß, die Gesundheit geht am Ende vor.
Nun zum Sportlichen: Kann man Geisterspiele trainieren?
(Lacht) Ich kann mich in meiner aktiven Karriere nur an ein Spiel in der Türkei erinnern, was einem Geisterspiel am nächsten kommt. Damals waren nur etwa 500 Fans auf den Rängen. Eine Atmosphäre, die ich keinem Spieler heutzutage wünsche. Trainieren an sich kann man das nicht, aber das Trainerteam wird auf alle versuchen, die Mannschaft so gut es geht auf diese Situation einzustellen. Es geht dann um Konzentration, Fokussierung, Willen.
Hat die Eintracht durch Geisterspiele einen Wettbewerbsnachteil? Der "Zwölfte Mann" ist in Frankfurt ja schon legendär ...
Die Fans haben uns in schwierigen Situationen immer geholfen. Sie haben uns nach vorn gepusht, Kräfte freigesetzt. Das konnte man vor allem in den Europapokal-Spielen und im DFB-Pokal immer wieder sehen. Aber die Eintracht kann auch Geisterspiele (lacht): In Marseille vor leeren Rängen wurde in der Vorsaison gewonnen.
Wie schätzen Sie denn den Gegner FC Basel ein?
Vom sportlichen Niveau liegt er mit Salzburg auf Augenhöhe. Basel ist ein Traditionsverein, der seit Jahren in der Schweiz - mit nur wenigen Ausnahmen - das Ligageschehen bestimmt. Mit St. Gallen und Young Boys Bern geht es in dieser Saison für Basel wieder um die Meisterschaft. Dass der Spielbetrieb in der Schweiz ruht, muss für Basel aber kein Nachteil sein. Es gilt halt die Spannung hochzuhalten. Das muss die Eintracht aber auch tun. Konzentration, mentale Stärke: Darauf kommt es jetzt an, das wird die Kunst sein. Basel wird auf alle Fälle hochmotiviert sein und Frankfurt darf und wird das Team auch nicht unterschätzen.
Spricht für ein erneutes 4:1 zu Hause, wie zuvor gegen Salzburg ...
(Lacht) Nein, im Ernst. Ich denke, dass die Eintracht Basel zu Hause schlagen kann und muss und dass Adi Hütters Team es ins Viertelfinale der Europa League schafft.
Gegen Salzburg hatten Sie bei ntv.de auf Heimsieg und Auswärtsremis getippt. Beides ist eingetreten.
(Lacht) Ein gutes Omen würde ich sagen! Statt einem 4:1 würde ich aber das "zu Null"-Ergebnis zu Hause bevorzugen. Ich würde mir ein 2:0 wünschen.
Mit Karl-Heinz "Charly" Körbel sprach Thomas Badtke
Quelle: ntv.de
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