Das Organisationskomitee der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar 2022 hat dieser Tage ein Video veröffentlicht. Der Clip handelt mehrsprachig und mit englischen sowie arabischen Untertiteln vom Coronavirus. Von einem "Spiel, das wir nicht spielen wollten" ist da die Rede - und von Handlungsempfehlungen in fußballkonformer Verpackung: "Haltet Abstand", heißt es. Und: "Zu Hause können wir jeden Gegner schlagen."
Es sind Empfehlungen an Katars Bevölkerung, die die Ausbreitung des Virus eindämmen sollen. Doch ein nicht unerheblicher Teil davon kann sich kaum danach richten.
Denn in Katar wird trotz der Covid-19-Pandemie alles dafür getan, den Zeitplan für die WM 2022 einzuhalten. Die Bauarbeiten an den Stadien gehen unbeirrt weiter – womöglich auf Kosten der Gesundheit der Gastarbeiter auf den Baustellen, wie zuletzt Recherchen darlegten.
"Unmöglich" sich an die Empfehlungen zu halten
WDR Sport inside und der britische "Guardian" hatten kürzlich unabhängig voneinander wiederholt auf Missstände beim Umgang mit den Gastarbeitern Katars hingewiesen. Demnach seien diese durch die Unterbringung in Massenunterkünften, katastrophale Hygiene und schlechte Lebensmittelversorgung in der Coronakrise besonders gefährdet, sich mit dem Virus anzustecken. Zumal Teile der Unterkünfte zwischenzeitlich komplett abgeriegelt wurden.
Auch Amnesty International beklagte in einer Stellungnahme mangelnden Zugang zur Wasser- und Sanitärversorgung. Gegenüber dem SPIEGEL bekräftigte die Organisation die Sorge. Es sei "unmöglich", sich an die Empfehlungen zur Virus-Eindämmung zu halten. In der Folge habe es schon eine signifikante Zahl an Infektionen gegeben, sagte die zuständige Expertin May Romanos. "Gastarbeiter in der Golfregion sind ohnehin hoch gefährdet von Missbrauch und Ausbeutung. Die Covid-19-Pandemie hat das noch verschlimmert."
WM-Ausrichter bestätigen nur vereinzelte Krankheitsfälle
Die Internationale Arbeiter-Organisation ILO weist gegenüber dem SPIEGEL die Vorwürfe als unbegründet zurück und verteidigt das Vorgehen der katarischen Behörden. "In den vergangenen Wochen wurden etwa die Buskapazitäten halbiert, um den Arbeitern auf dem Weg zu den Baustellen den in Katar geforderten Mindestabstand von zwei Metern zueinander zu gewährleisten", sagt Houtan Homayounpour, der Leiter des ILO-Büros in Doha.
Auch sei die tägliche Arbeitszeit von acht auf sechs Stunden reduziert worden und die Fortzahlung des vollen Lohns im Krankheitsfall, kostenlose medizinische Versorgung und Lebensmittel in den Unterkünften seien demnach zugesagt. An den Baustellen würde es laut den WM-Organisatoren eine Mundschutzpflicht und auch tägliche Fiebermessungen geben. Ob diese Zusagen auch umgesetzt werden, lässt sich nicht überprüfen.
Katar empfiehlt der eigenen Bevölkerung schon seit März, nur noch für dringende Besorgungen das Haus zu verlassen. Öffentliche Einrichtungen sind seitdem geschlossen. Auf den Straßen kontrolliert die Polizei. Die Grenzen sind nur noch für Einheimische geöffnet, der Flughafen in Doha seit 16. März gesperrt. Trotzdem ist die offizielle Zahl der Coronavirus-Infizierten im Land seitdem von circa 200 auf gut 9000 gestiegen.
spiegel
Tags: