"Deutschland ist das Besserwisser-Weichei der Weltpolitik", klagt ein verärgerter EU-Spitzendiplomat in Brüssel. In der Nawalny-Frage herrsche in Berlin ängstliche Ratlosigkeit. Außenminister Heiko Mass präsentiere auf dem Höhepunkt der Krise keinen Aktionsplan gegen Moskau, sondern das Videospiel "Pathways", mit dem "Europa spielerisch erlebbar gemacht wird".
Inmitten schwerer außenpolitischer Konflikte - von Erdogans Kriegsgerassel in der Ägäis über Lukaschenkos Gewalt gegen das eigene Volk bis Putins Giftpolitik - falle Deutschland als Ordnungsmacht weitgehend aus. Berlin habe weder eine Strategie noch einen Willen, Außenpolitik aktiv zu gestalten. "Wir hören nur politisch korrekte Plattitüden und Besserwisser-Ermahnungen." Die Bundesregierung sei ideen- und mutlos. Das Autoritätsvakuum ist auch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schon thematisiert worden. Sie ermahnt diplomatisch geschickt verpackt, Deutschland und Europa müssten "die internationale Sprache der Macht" wieder erlernen.
Tatsächlich ist die jüngste Bilanz der deutschen Außenpolitik miserabel: Das außenpolitische Verhältnis zu den drei Weltmächten USA, China und Russland ist derzeit so schlecht wie seit drei Jahrzehnten nicht mehr. Mit unmittelbaren Nachbarn wie Polen, Tschechien und Ungarn sind die Beziehungen eisschroff abgekühlt, mit Italien wirkt das Verhältnis wie vergiftet, mit Großbritannien fällt man sogar auf den totalen Brexit-Tiefpunkt. Obendrein schlingert die Nato in eine Existenzkrise und an den Rändern der von Deutschland schwach geführten EU lodern von Libyen bis Syrien, von der Ukraine bis in die Ägäis gewaltsame Konflikte.
"Rumeiern, wegducken, Sorge äußern"
Dass Deutschland in mehreren großen Konfliktlagen passiv bis peinlich laviert, führt dazu, dass der deutsche Außenminister schon seit einiger Zeit ein miserables Medienecho bekommt. Heiko Maas sei "Der Untätige", wettert die "Zeit". Die NZZ lästert: "Die Bilanz des deutschen Außenministers ist kläglich." Ein "Mann ohne Leidenschaft. Politisches Leichtgewicht", schreibt der "Spiegel" sei er. "Heiko Maas ist als Außenminister nicht prägend" urteilt die FAZ und nennt ihn "Minister Schmal". "Planlos, naiv, weltfremd", attackiert ihn der "Cicero", "Mann ohne Idee", kritisiert der "Tagesspiegel". "Selten war ein deutscher Außenminister so farblos wie Heiko Maas", fertigt ihn "Focus" ab. Vor einem Jahr analysierte ntv.de die Bilanz des deutschen Außenministers bereits mit: "Deutsche Außenpolitik unter Maas: Rumeiern, wegducken, Sorge äußern". Seither ist es nicht besser, sondern schlimmer geworden.
Die heftige Kritik an Maas findet immer neue Anlässe. Er startet billige PR-Initiativen wie den "Donnerstag für Demokratie", "Europe United" oder die "Allianz der Multilateralisten", lässt sie versanden und gibt sie der Lächerlichkeit preis. Er trägt seinen Syrien-Disput mit Annegret Kramp-Karrenbauer in Ankara aus und brüskiert die deutsche Verteidigungsministerin ausgerechnet beim neo-osmanischen Despoten. Er schreibt einen Namensbeitrag zur Berliner Mauer, dankt allen möglichen für die Wiedervereinigung, nur den Amerikanern nicht.
Er kommt mit Frankreich zu keiner Übereinkunft, wie EU und Nato neu gestärkt werden könnten. Er stößt die USA, Polen, Ungarn und Israel regelmäßig mit Kritik vor den Kopf, obwohl das wichtige Verbündete sind. Er findet kein Druckmittel gegen Lukaschenko, keine Strategie gegen Putin. Er verrät Griechenland im Streit mit der Türkei. Er findet keinen Aktionsplan für eine gemeinsame EU-Flüchtlingspolitik. Er nimmt die aus dem Ruder laufenden Brexit-Gespräche nicht in die Hand und sorgt endlich für einen guten Deal mit dem Partner in London.
Maas hängt machtpolitisch in der Luft
Die Fehlerkette des Außenministers ist lang und tragisch, denn Maas ist durchaus integer, freundlich, fleißig und politisch keineswegs verblendet. Seine Probleme rühren auch daher, dass das Kanzleramt in den vergangenen Jahren die Außenpolitik immer stärker an sich gezogen hat und das Auswärtige Amt zuweilen wie ein orientierungsloses Beiboot der deutschen Politik wirkt. Auch seine Rückendeckung im Parlament ist brüchig. Seit dem Rücktritt von Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles hängt Maas machtpolitisch in der Luft. In der SPD schwindet sein Rückhalt, auch weil er beim Kabinettsvergleich im Ansehen eher in unteren Gefilden eines Andreas Scheuer und nicht oben bei Jens Spahn oder Olaf Scholz rangiert.
Das Maas-Bashing hat seine tiefere Ursache in der grundsätzlichen Passivität und Mutlosigkeit der deutschen Außenpolitik. Der Außenminister verkörpert die strategische Hilflosigkeit Berlins nur. Wenn man ihn auf der Weltbühne beobachtet, blickt man der Ohnmacht der eigenen Nation ins Antlitz. Denn Deutschland wirkt derzeit nicht nur militärisch wie in einen Passiv-Modus geschaltet. Außer Dialogofferten und Appellen nutzt die Bundesrepublik nicht einmal mehr den breiten Instrumentenkasten einer Soft Power.
Dabei hatte Deutschland mit diesem lange Jahre bemerkenswerte Erfolge. Die Bundesrepublik konnte damit auf starke Außenminister wie Hans-Dietrich Genscher oder Heinrich von Brentano bauen. Sie hatte gestaltungswillige Charakterköpfe als Außenminister wie Joschka Fischer oder Sigmar Gabriel. Sie hatte solide Profis wie Klaus Kinkel, Frank-Walter Steinmeier oder Walter Scheel. Und sie ertrug auch schwache Chefdiplomaten wie Guido Westerwelle. Heiko Maas droht sich nun sogar noch hinter Westerwelle einzureihen. Die einst so geschickte Zivilmacht Deutschland wirkt außenpolitisch unsicher, blass, fast praktikantenhaft. Und Heiko Maas ist das Gesicht dazu.
Quelle: ntv.de
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