Auf der Suche nach dem „Nowitschok-Befund“ hat Sputnik seitdem mehrere öffentliche Stellen in Deutschland kontaktiert - und keine Klarheit erlangt. Doch kann man diese etwa von den Untergeordneten erwarten, wenn selbst die Chefs in ihren Aussagen inkonsequent sind?
Wie etwa Bundesaußenminister Heiko Maas. Maas (SPD), der immer wieder auf der Aufklärung des Falls durch Russland pocht, kann etwa nicht einmal bestätigen, ob der von den Russen so heiß begehrte Befund wenigstens bei der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zu finden ist: Es bleibt bei entweder oder. Am Donnerstagabend bei Maybrit Illner äußerte Maas zuerst, die OPCW werde als zuständige Stelle alle Informationen bekommen, die für die notwendigen Untersuchungen nötig seien. Später am Abend sagt er, Deutschland habe bereits alles Erforderliche in die Wege geleitet, damit die OPCW den Befund überprüfen könne. Wenn sich der Befund bestätige, müssten die EU, die Nato und die G7 „eine angemessene und effektive Konsequenz daraus ziehen“, so Maas. Keiner hat bei Maas natürlich nachgefragt, was dieses Spiel mit den Zeitformen der Verben bedeutet.
Alle Sputnik-Gesprächspartner im öffentlichen Dienst haben bisher an das Auswärtige Amt verwiesen. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums (BMVg) sagte etwa am Dienstag, die OPCW sei seitens der Bundesregierung in Kenntnis über den Fall Nawalny gesetzt worden. Auf die Frage, ob die Bundesregierung überhaupt plant, das heikle toxikologische Gutachten mit Moskau zu teilen, antwortete der Sprecher nicht und verwies Sputnik an das Auswärtige Amt. Gut. Auf eine entsprechende Sputnik-Anfrage mit mehreren konkreten Fragen verwies ein Pressesprecher des Außenamtes letztendlich am Mittwochabend auf die Aussagen „aus der heutigen Regierungspressekonferenz“ - obwohl es an diesem Tag keine gab. Dabei ging es Sputnik keineswegs um die Frage, einen öffentlichen Zugang zu dem gewünschten Papier zu fordern.
Parallel erschienen andere widersprüchliche Informationen aus dem BMVg. Ebenfalls am Dienstag erklärte die BMVg-Sprecherin Martina Fitz in der Tagesschau, das Ministerium habe die Analyse der Nawalny-Proben und der Funde auf der verdächtigen Flasche an die OPCE weitergegeben. Man sehe aber keine Gründe, diese Informationen auch direkt an die russische Regierung weiterzuleiten.
Gegenüber der Nachrichtenagentur Ria Novosti, einer Partneragentur von Sputnik, sagte der Bundeswehrsprecher und Oberfeldarzt Christoph Czwielung seinerseits am Donnerstag, man habe in ihrem Labor lediglich den Nachweis geführt. „Die Ergebnisse dieses Nachweises liegen beim Auswärtigen Amt und wurden von dort aus an die OPCW weitergeleitet“, so Czwielung.
Die einzige OPCW-Erklärung zu dem Fall geht bisher auf den 3. September zurück: Man überwache weiterhin die Situation und sei bereit, „mit allen Vertragsstaaten, die ihre Unterstützung anfordern, zusammenzuarbeiten und sie zu unterstützen“. Am Mittwochmorgen richtete Sputnik eine ausführliche schriftliche Anfrage an die Organisation - mit der Kernfrage, ob man die deutschen Informationen schon bekommen habe. Die Antwort steht noch aus. Telefonisch sind die OPCW-Sprecher ebenfalls nicht zu erreichen - die Zentrale verweist auf das Corona-bedingte Home-Office.
Laut dem russischen Vertreter bei der OPCW, Alexander Shulgin, hat das Technische Sekretariat der OPCW von Deutschland noch nichts bekommen. „Vielleicht ist das eine Frage der Zeit. Wenn sie (die deutschen Behörden) das versprochen haben, werden sie die Daten übergeben“, äußerte er die Hoffnung später an dem Tag im russischen Fernsehen. Am Freitag sagte Shulgin weiter im russischen Fernsehen, die deutschen Kollegen würden Russland den Zugang zu den Informationen unter Verweis auf deren Vertraulichkeit verweigern. „Aber wenn sie die Sache auf die OPCW-Ebene überführen, werden sie sich vielleicht an ihre Verpflichtungen als OPCW-Mitgliedstaat erinnern“, so Shulgin. Gegen die Übergabe äußerte sich etwa der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter: Die Bundesrepublik dürfe die Daten nicht offenlegen, weil die russischen Geheimdienste genau darauf warten würden und dann ableiten könnten, mit welchen Analysemethoden gearbeitet worden sei.
Wobei wir wieder bei Außenminister Maas wären. Ferner sagte der 53-Jährige bei Illner, er lege die unabhängige Aufklärung des Falls in die Hände der OPCW. Auch Maas: „Wir sind ja nicht der Schiedsrichter und nicht der Richter. Wir sind diejenigen, die Herrn Nawalny aufgenommen haben.“ Der russischen Seite schlug er weiter vor, sich an der Aufklärung durch die Spezialisten der OPCW zu beteiligen und da etwa die Untersuchungsergebnisse des sibirischen Krankenhauses, in dem Nawalny zunächst behandelt wurde, offenzulegen. „Da kann jeder seinen Beitrag liefern“, so Maas. Deutsches Vorbild gefällig?
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