Mit 130 Milliarden direktem Branchenumsatz ist die Veranstaltungsbranche der sechstgrößte Wirtschaftszweig Deutschlands und mit über einer Million direkt Beschäftigter größer als die Automobil- und die Bauindustrie, berichtet der Mit-Initiator des Aktionsbündnisses „Alarmstufe Rot“, Christian Eichenberger, besorgt auf einer Pressekonferenz. Seit acht Monaten würden die Einnahmen von über 300.000 Betrieben zu 80 bis 100 Prozent ausfallen, insgesamt seien fast zwei Millionen Beschäftigte betroffen.
Seine Initiative versammelt am heutigen Mittwoch in Berlin Tausende Vertreter der Veranstaltungswirtschaft, darunter zu einem Fußmarsch ab dem Alexanderplatz und einer Lkw- und Pkw-Route. Anschließend sollen sich die Teilnehmer am Brandenburger Tor treffen, wo bekannte Künstler wie der Frontmann der Toten Hosen, Campino, der Komiker Dieter Hallervorden oder der Sänger Roland Kaiser ein „starkes Signal für Solidarität und Zusammenhalt“ für die vom Aussterben bedrohte Branche setzen wollen. „Wir fordern einen Rettungsdialog mit der Regierung, um gemeinsam einen Weg aus der Krise zu finden“, so die Botschaft.
Ihr Kernpunkt: Gerade die Veranstaltungswirtschaft sei bei den beschlossenen Hilfsmaßnahmen für Unternehmen völlig unzureichend berücksichtigt. Der Antragsberechtigungszeitraum für die Rettungshilfen sei mit April und Mai sowie mit 150.000 Euro Höchstförderbeitrag für drei Monate stark limitiert und die in Aussicht gestellte zusätzliche Förderung nicht ausreichend. Es werden damit nur 30 Prozent der Gesamtkosten gedeckt, sodass massenhafte Entlassungen und Insolvenzen nicht verhindert werden können. Das Fazit: Das deutsche Überbrückungsprogramm sei somit derzeit wirkungslos – selbst Österreich habe hier ein umfassenderes und weniger limitiertes Programm ermöglicht.
Ihre Argumente für den Dialog haben die Unternehmen längst in einem Positionspapier zusammengefasst, begleitet von mehreren Forderungen. Unter anderem: „Wir fordern, dass die Regierung für unsere Härtefälle grundsätzlich diese Ausnahmen (von EU-Limits) herbeiführt, anstatt sich ohne Not hinter dem EU-Beihilferahmen zu verschanzen.“
Allerdings habe die Regierung die Gesprächsangebote bisher nicht oder nur unzureichend wahrgenommen, beklagt das Bündnis weiter. Die aufgezeigten Lösungen zur Rettung der Veranstaltungswirtschaft vor einem massenhaften Unternehmenssterben seien ungehört verhallt.
Bund will offenbar vor allem die Veranstaltungswirtschaft weiter einengen
Eben am heutigen Mittwoch beraten Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Länderchefs über die weiteren Maßnahmen angesichts der massiv steigenden Corona-Infektionszahlen, die am 4. November in Kraft treten und bis Ende des Monats gelten könnten. Nach einem Entwurf der Beschlussvorlage des Bundes könnten dann unter anderem Gastronomiebetriebe wie Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen und ähnliche Einrichtungen geschlossen werden, aber auch alle Freizeit- und Amateursportbetriebe, alle öffentlichen und privaten Sportanlagen, Schwimm- und Spaßbäder, Fitnessstudios, Messen, Kinos und Freizeitparks.
Die Politik hat sich inzwischen der Diskussion ums Überleben der betroffenen Branchen angeschlossen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat etwa Freiberuflern und Selbstständigen Hoffnung auf einen „Unternehmerlohn“ gemacht. Dazu müsse in der Koalition aber noch eine Einigung gefunden werden, hatte er nach einer Beratung mit Wirtschaftsverbänden vergangene Woche erklärt. Grünen-Chef Robert Habeck forderte für die Veranstaltungsbranche ebenfalls einen Unternehmerlohn in Höhe von 1200 Euro, allerdings nur für Solo-Selbstständige. Für solch einen fiktiven Unternehmerlohn sollen laut der Linksfraktion im Bundestag knapp 25 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Bisher seien wegen der zu strengen Vorgaben nur Anträge im Wert von 1,6 Milliarden Euro gestellt worden, von denen 1,1 Milliarden bewilligt worden seien.
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