Sieben Parteien sind im Bundestag vertreten. Fünf Spitzenvertreter hat sich am Sonntagabend Anne Will in ihre Talkshow im Ersten eingeladen. Lediglich die Linke und die AFD fehlen. Vier der Gäste sind Parteichefs, drei gehören Parteien aus der großen Koalition an, zwei sind Ministerpräsidenten, mindestens einer könnte bald Kanzlerkandidat sein. Konfliktpotential wäre massenhaft vorhanden gewesen, beschränkt sich aber an diesem Sonntagabend erst einmal auf zwei Fragen: Wer könnte Kanzlerkandidat der Union werden, und wie geht der Kampf gegen das Corona-Virus weiter? Über letzteres werden am Dienstag die Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzlerin Merkel beraten.
K-Frage wird nach Ostern geklärt
Am Samstag haben die Mitglieder der CDU auf ihrem ersten digitalen Parteitag NRW-Ministerpräsident Armin Laschet zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Dessen hessischer Amtskollege Volker Bouffier ist einer seiner Stellvertreter und zeigt sich glücklich darüber, dass der Parteitag so reibungslos geklappt hat. Er ist sich sicher, dass Laschet und CSU-Chef Markus Söder gut zusammenarbeiten werden, was dieser auch gleich bestätigt. Vergessen scheinen die kleinen Frotzeleien zwischen den Beiden aus dem vergangenen Jahr. Obwohl: So ganz kann Söder doch nicht aus seiner Haut. Auf Bouffiers Aussage, die CDU sei die größere der beiden Unionsparteien und der CDU-Vorsitzende der natürliche Kanzlerkandidat, kontert Söder mit der Bemerkung, die CSU sei zwar kleiner, aber auch charmanter. Bouffier kann sich natürlich auch einen kleinen Hinweis auf die beiden bisherigen Kanzlerkandidaten aus der CSU Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber nicht verkneifen, die beide an SPD-Kanzlern scheiterten. Wenn man den aktuellen Umfragen glauben darf, sind natürlich heute die Voraussetzungen ganz andere.
Umfragen seien wichtig, sagt Bouffier, aber kein Ersatz für eine Strategie. Auch wenn die noch nicht ganz klar ist, erklärt Markus Söder schon mal, welches Ergebnis sie haben muss: "Wir haben das Ziel, die Nummer eins zu bleiben." Für ihn ist wichtig: "Es kommt nicht auf das Ego eines Einzelnen an." Im Moment gibt es eine Klare Reihenfolge für den CSU-Chef: Erst die Pandemiebekämpfung, dann die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, dann die Entscheidung der Kanzlerfrage. Ob Söder denn schon eine Entscheidung getroffen habe, fragt die Moderatorin, und Söder antwortet wie ein Politiker: "Ich bin fest entschlossen, und ich werde das mit Armin besprechen." Wozu er entschlossen ist, bleibt sein Geheimnis.
Lindner lobt Laschet
"Wir nehmen es, wie es kommt", sagt Grünen-Co-Chef Robert Habeck auf die Frage von Anne Will, welchen Unions-Kanzlerkandidaten er sich wünsche. Für ihn ist wichtig, wohin die CDU nun steuert. Die Entscheidung, ob sie eine liberale europäische Partei der Mitte bliebe, sei noch nicht klar.
Das sieht FDP-Chef Christian Lindner ganz anders. Laschet sei ein Kandidat der Mitte und für Europa, sagt er. Er sollte es wissen. Die Beiden kennen sich seit 15 Jahren. Und Lindner arbeitet den Unterschied zwischen Laschet und Söder heraus. Söder sei der "Typus des gestrengen Landesvaters". Laschet stehe in Nordrhein-Westfalen für eine "differenzierte Strategie" und lasse seinen Ministern mehr Freiheit. Erfolgreich seien beide, sagt er - und dient sich damit gleich mal als Koalitionspartner nach der Bundestagswahl an.
SPD-Co-Chefin Saskia Esken ist auch eingeladen und hat ein wenig Probleme, in der Männerrunde als einzige Frau richtig wahrgenommen zu werden. Als Koalitionspartner kann sie aber auch nicht wirklich kritisieren, auch wenn sie darauf hinweist, dass in ihrer Partei gelungen sei, was die CDU noch vor sich habe: Zerstrittene Gruppen wieder zusammenzuführen. Das lässt Volker Bouffier als CDU-Gast und Laschet-Freund nicht gelten. Der neue CDU-Chef sei ein Vollprofi, und die CDU nicht gespalten, meint er.
Als Oppositionsvertreter können Robert Habeck und Christian Lindner dann auch endlich die Probleme benennen, über die wir nach Corona diskutieren müssen. Für Habeck sind das vor allem die ökologische Krise und die Digitalisierung, für Lindner Schuldenabbau, Biologisierung der Impfstoffentwicklung und die Sicherung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Auch die Corona-Pandemie könne bei den Bundestagswahlen noch Thema sein, "Wenn wir beim Impfen nicht Fortschritte machen", sagt Lindner.
Homeoffice-Pflicht - ja oder nein?
Beim Pandemie-Thema besteht in einigen Punkten Konsens. Die bisherigen Maßnahmen müssen verlängert und möglicherweise verschärft werden, meint die Mehrheit in der Runde. FFP2-Masken sind sinnvoll, allerdings regt Grünen-Chef Habeck eine finanzielle Unterstützung für die Bürger an. Eine bundesweite Maskenpflicht sei erst dann sinnvoll, wenn auch genug davon auf dem Markt seien, sagt er. Einigkeit herrscht zwischen Saskia Esken und Christian Lindner, wenn es um die Ausweitung der Schnelltests geht - besonders in Alten- und Pflegeheimen. Lindner fordert zudem die Verbesserung der Corona-Warnapp und der Digitalisierung im Gesundheitswesen, und er will, dass noch vor Ostern die ersten Geschäfte wieder öffnen sollen. Ausgangssperren wie in Bayern hält er dagegen für grundgesetzwidrig.
Meinungsverschiedenheiten gibt es beim Homeoffice. SPD und Grüne wollen Firmen per Gesetz dazu verpflichten, die beiden Gäste aus der Union setzen auf Steuervorteile. Und FDP-Chef Lindner entdeckt sein Herz für Frauen, die durch Homeoffice, Homeschooling und Haushalt besonders belastet seien. Die einzige Frau in der Runde scheint da kein Problem zu sehen: Homeoffice sei eine Chance für die Ökologie sowie für die Einheit für Familie und Beruf, sagt Saskia Esken.
Einig ist man sich dann wieder in einem Punkt: Die Bürger müssen die neuen Maßnahmen begreifen. "Wenn die Menschen nicht mehr verstehen, was wir machen, dann folgen sie nicht mehr", sagt Hessens Ministerpräsident Bouffier. Christian Lindner geht noch einen Schritt weiter: Er sagt: "Den Menschen muss so viel Freiheit erhalten werden wie möglich." Und Grünen-Chef Habeck fordert mehr Demut von den Politikern: "Die Bürger sind mündig und leiden", sagt er.
Wie lange dauert der Lockdown noch?
Unsere Leidensfähigkeit könnte noch auf eine lange Probe gestellt werden. Markus Söder findet, der Lockdown müsse so lange durchgehalten werden, wie es notwendig sei. "Wir haben manchmal zu spät begonnen und würden am liebsten schon aufhören, bevor die gesamte Therapie abgeschlossen ist", kritisiert er. Ein Ende des Lockdowns sei dann möglich, wenn genug Impfstoff vorhanden sei.
Quelle: ntv.de
Tags: