Seat Tarraco PHEV - einer wie der andere?

  30 März 2021    Gelesen: 495
  Seat Tarraco PHEV - einer wie der andere?

Es ist wirklich nicht so einfach mit den Plug-in-Hybriden. Eigentlich sollen sie die täglichen Wege rein elektrisch abdecken, aber irgendwie schafft im Test keiner die angegebenen Reichweiten. Also stellt sich im ntv.de-Praxistest auch beim Seat Tarraco FR e-Hybrid die Frage: Halb so schlimm oder doppelt gut?

Inzwischen ist gar nicht mehr so einfach, die Marken Seat und Cupra zu trennen. War mit dem Formentor der erste reine Cupra auf die Sportspur geschickt worden, bleiben Ateca und Leon doch als Seat mit dem indianischen Stammeszeichen am Kühlergrill irgendwie weiterhin Seat. Einmal mehr ist das so, weil es andersherum genauso funktioniert. So ist zum Beispiel der Cupra Leon e-Hybrid mit dem gleichen Antrieb ausgestattet wie der zum ntv.de-Test georderte Seat Tarraco FR e-Hybrid.

Um es kurz zu machen: Unter der Haube arbeitet bei beiden der 1,4-Liter-TSI-Benziner mit 150 PS. Den elektrischen Vortrieb sichert ein Motor mit 115 PS, den ein Lithium-Ionen-Akku mit einer Kapazität von 13 Kilowattstunden (kWh) ins Laufen bringt. Die Nennleistung machten den Plug-in-Hybrid bis vor Kurzem sogar zum antriebsstärksten Tarraco aller Zeiten. Jetzt hat er einen Bruder an die Seite gestellt bekommen, der aus einem 2.0-Liter-Benziner ohne elektrisches Zutun die gleiche Kraft schöpft.

Die Realität sieht anders aus

Nun, wie dem auch sei, hier geht es um den Tarraco mit Doppelherz, dem Seat eine rein elektrische Reichweite von bis zu 55 Kilometern nach NEFZ im Datenblatt testiert. Doch wie so oft ist es in der Realität so, dass der Schriftsatz nicht das hält, was er verspricht. Im Test erbrachten mehrere Versuche eine maximale elektrische Reichweite von 39 Kilometern. Aber man sollte sich, will man normal im Verkehr mitschwimmen, eher auf 32 Kilometer einschießen. Dann kommt die rote LED und mahnt zur Fahrt an die Stromtankstelle.

Da der Tarraco-Akku lediglich 3,6 kW pro Stunde "tanken" kann, weist das Digitaldisplay hinter dem Lenkrad beim ersten Stopp an einer öffentlichen AC-Ladestation 4 Stunden und 30 Minuten aus, bis die Batterie zu 100 Prozent gefüllt ist. Für alle EnBW-Kunden bedeutet das, wollen sie den Akku voll machen, müssen sie nach 4 Stunden eine Strafgebühr von 10 Cent pro Minute Ladezeit akzeptieren. Und so lehrte diese finanzielle Restriktion den Autor, bereits an die Dose zu rollen, bevor das letzte Licht verlischt. Dann nämlich kann der Stecker bereits nach drei Stunden 50 Minuten aus dem Tarraco gezogen werden.

Im Hybrid-Betrieb effizient

Alles kein Problem, denkt der, dessen Wege kurz sind und der eine Lademöglichkeit und Zeit auf all seinen Wegen hat. Aber was macht der Fahrer, der Benzin und Akkuleistung effizient einsetzen will? Richtig, er fährt im Hybrid-Modus. Dazu muss er aber erst einen Schalter in der Mittelkonsole betätigen, denn der PHEV startet prinzipiell elektrisch. Jetzt wechseln sich Verbrenner und E-Antrieb nahezu perfekt ab. Jedenfalls im Stadtverkehr. Hier profitiert der Fahrer zudem vom steten Rekuperieren beim Rollen und Bremsen. Im Test verbrauchte der Tarraco hier erstaunliche 4,3 Liter Super und begnügte sich zudem mit 7,9 kWh aus dem Akku. Das ist dann für den Moment ähnlich effizient wie ein Diesel.

Auch über Land und selbst auf der Autobahn geht die Kombination in Ordnung. Hier waren es 5,9 Liter Benzin und 8,6 kWh. Allerdings reicht auf diesen Strecken die Rekuperationsenergie nicht aus, um den Akku auf Dauer mit Energie zu versorgen. Insofern ist nach spätestens 280 Kilometern die Elektroflamme aus und es zündet nur noch der 1,4-Liter-Benziner, der ohnehin bei Leistungsabrufen so gequält daherkommt, dass sensible Fahrer aufpassen müssen, nicht mental Schaden zu nehmen. Insofern ist es also auch für das eigene Wohl nicht angebracht, mit dem Tarraco FR e-Hybrid auf der Autobahn ohne Akku-Unterstützung schneller als 160 zu fahren. Besser noch bewegt man sich regelkonform und auf freien Strecken mit 140 km/h. Der Verbrauch lag so im Schnitt bei 7,1 Liter über 100 Kilometer. Ein Wert, der lustigerweise dem sehr nahe kommt, den Seat für den 2.0-Liter Benziner mit 245 PS ausweist. Hier sollen es nämlich 7,6 Liter sein.

Das kurze Gefühl von Sportlichkeit

Dennoch soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Tarraco FR e-Hybrid auch ein gewisses Spaßpotenzial für sportliche Fahrer bietet. Wer nämlich den Sport-Knopf drückt, der ebenfalls auf der Mittelkonsole verbaut ist, der fliegt von zwei Antrieben und mit 245 PS beflügelt über die Piste. Der Ampelstart auf Landstraßentempo gelingt, auch befeuert durch ein maximales Drehmoment von 400 Newtonmetern, in schlanken 7,1 Sekunden. Für einen kurzen Moment und bis Tempo 205 hat man das Gefühl, ein echtes Sport-SUV zu befehligen, das selbst den dicken Motorbrüdern die Rücklichter zeigen kann. Aber das ist eben nur ein Wimpernschlag, denn derartige Sprinteinlagen belasten die Batterie natürlich enorm, so dass der vorausschauende Fahrer das Sportprogramm nach der Sprinteinlage schnell wieder deaktiviert und der Heizer vom leeren Akku, der Elektronik und einem gequält klingenden Benziner gebremst wird. Hinzu kommt dann ein Spritverbrauch, der sich mit knapp 11 Litern beziffern lässt.

Wer das bis hierhin Gesagte einpreist und gewillt ist, damit umzugehen, bekommt ansonsten ein wunderbares SUV, das was Fahrwerk und Lenkung betrifft keinen Makel hat. Straff abgestimmt geht es sportlich, aber auf keinen Fall hart über Querfugen und Schlaglöcher und wer die Lenkung bewegt, kann sicher sein, dass der Tarraco genau die ihm vorgegebene Richtung beibehält. Die elektrisch verstellbaren Sportsitze sind ein Traum auf der Kurz- und Langstrecke und wer die in Längsrichtung verschiebbare Rückbank besetzen muss, hat eine Beinfreiheit, wie man sie so nur aus dem baugleichen Skoda Kodiaq kennt. Das Gepäckraumvolumen adelt den Tarraco FR e-Hybrid mit 610 Litern dann auch noch zum kleinen Lademeister. Der Tarraco ohne Akku unterm Kofferraum hat nämlich 760 Liter Ladekapazität.

Feines Innenleben

Auch der Innenraum macht was her: Neben dem Zentralbildschirm über der Mittelkonsole weist das virtuelle und volldigitale Cockpit alle wesentlichen Fahrdaten aus. Hinzu kommen so feine Features wie ein Lederlenkrad mit roter Steppnaht und 3-Zonen-Klimaautomatik. Das Smartphone lässt sich, ob Apple oder Android, ohne Kabel mit der Multimediaeinheit koppeln und über Android Auto oder Apple CarPlay steuern. Hinzu kommen Sicherheitsfeatures wie die automatische Distanzregelung und Front- und Spurhalteassistent, der auch im Stau ganz hervorragende Dienste leistet und sich vor allem sehr komfortabel und intuitiv über entsprechende Tasten am Lenkrad steuern lässt. Über die Schaltwippen kann man streiten, denn bei einem Auto wie dem e-Hybrid lässt man eigentlich das Doppelkupplungsgetriebe, das über sechs Stufen schaltet, unspürbar die Arbeit verrichten.

Das alles gibt es ab 46.270 Euro. Schlägt man in der Optionsliste mit 20-Zoll-Rädern zu, ordert ein Panorama-Glas-Schiebedach, die induktive Ladebox, eine Anhängevorrichtung und den Anhängerragierassistenten sowie das Fahrassistenzpaket XL für das Navi und noch zwei, drei andere Zugaben, ist man schnell bei 54.642 Euro. Natürlich ist auch der Seat Tarraco FR e-Hybrid förderfähig und so können hier 5625 Euro Umweltprämie abgezogen werden. Bleibt immer noch die stolze Summe von 49.017 Euro.

Fazit: Der Tarraco ist ein in allen Punkten empfehlenswertes SUV. Ob es tatsächlich ein Plug-in-Hybrid sein muss, hängt vom Nutzungsprofil ab. Wer die Kurzstrecke häufiger im Programm hat als den Langlauf, wer die Ladestation am eigenen Haus wähnt und auch auf der Arbeit laden kann, der ist mit einem Tarraco FR e-Hybrid nicht schlecht beraten. Wer 245 PS leben und fahren will, der sollte die Finger davon lassen, wie übrigens von jedem Plug-in-Hybrid.

Quelle: ntv.de


Tags:


Newsticker