Revolutionärer Antrieb: Wie Stephen Hawking ein Mini-Raumschiff mit Lasern zu den Sternen schießen will

  13 April 2016    Gelesen: 1041
Revolutionärer Antrieb: Wie Stephen Hawking ein Mini-Raumschiff mit Lasern zu den Sternen schießen will
Ein Flug zum nächstgelegenen Sternsystem Alpha Centauri ist bislang Science-Fiction. Doch mit mächtigen Laserstrahlen als Anschub könnte es gelingen, versprechen Stephen Hawking und Mark Zuckerberg. So soll es funktionieren.
Vor genau 55 Jahren ist mit Jurij Gagarin erstmals ein Mensch ins Weltall geflogen. Die ersten Schritte auf dem Mond folgten 1969. Doch trotz aller Erfolge - allzu weit hat es die Menschheit bislang nicht gebracht im Kosmos. Die am weitesten gereisten Sonden ("Voyager 1" und "Voyager 2") haben es gerade mal bis zum Rand des Sonnensystems geschafft - und das hat Jahrzehnte gedauert.

Doch nun will die Breakthrough-Initiative des russischen Milliardärs Jurij Milner neue, deutlich ambitioniertere Ziele ins Visier nehmen: Alpha Centauri. Das unserem Sonnensystem nächstgelegene Sternensystem ist 4,3 Lichtjahre entfernt - eine Sonde bräuchte mit aktueller Technologie rund 30.000 Jahre für eine Reise dorthin. Laut dem nun vorgestellten Projekt "Breakthrough Starshot" soll der Flug aber nur 20 Jahre dauern.
100 Millionen Dollar wird die Breakthrough-Initiative in den kommenden Jahren in die Erforschung des Vorhabens stecken. Geleitet wird das Projekt vom ehemaligen Nasa-Wissenschaftler Pete Worden. Mit an Bord sind neben Jurij Milner auch der Physiker Stephen Hawking und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.

Der interstellare Flug zu Alpha Centauri erfordert eine neue, bislang nur als theoretisches Konzept existierende Antriebstechnik. Ein nur wenige Gramm schweres Raumschiff verfügt über ein riesiges Segel, auf das von der Erde aus leistungsstarke Laser zielen. Der Rückstoß der Photonen, so die Berechnungen von Wissenschaftlern, kann eine solche Mini-Sonde binnen zehn Minuten auf ein Viertel oder ein Fünftel der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen.

Mit dieser Geschwindigkeit würde das ultraleichte Raumschiff dann durchs All rasen und nach 30 Minuten den Planeten Mars passieren. Die Flugzeit dorthin liegt mit konventionellen Antrieben bislang bei etwa sechs Monaten. Rund 20 Jahre später wäre Alpha Centauri erreicht, ein Lichtstrahl braucht bis dort 4,3 Jahre.

Gängige Antriebe zu langsam

"Wir müssen unsere Strategie radikal überdenken oder unseren Traum aufgeben, jemals ferne Sterne erreichen zu können", erklärte jüngst Philip Lubin von der University of California in Santa Barbara. Er hat das Konzept in seinem Aufsatz "A Roadmap to Interstellar Flight" ausführlich beschrieben.

Gängige Antriebe für Raketen und Raumschiffe nutzen das Rückstoßprinzip. Sie verbrennen Treibstoff, und das ausgestoßene Gas sorgt für den nötigen Schub. Auch Ionenantriebe, die bei diversen Sonden und Satelliten bereits eingesetzt werden, nutzen den Impuls ausgestoßenen Materials - nur dass es sich dabei nicht um Verbrennungsprodukte, sondern um Ionen handelt. In den Bereich der Lichtgeschwindigkeit kann man damit nicht vorstoßen.

"Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte großer Schritte", sagte Jurij Milner. Vor genau 55 Jahren sei mit Jurij Gagarin der erste Mensch ins All geflogen, nun bereite man den nächsten großen Schritt vor - zu den Sternen.

Die Erde sei ein wundervoller Ort, betonte Stephen Hawking bei der Vorstellung des Projekts, aber sie bestünde womöglich nicht für immer. "Früher oder später müssen wir die Sterne ins Visier nehmen." Breakthrough Starshot sei ein aufregender Schritt auf dem Weg dahin.

Von der Physik her gibt es keine grundsätzlichen Bedenken bei der Machbarkeit des Konzepts. Doch es müssen noch viele technische Herausforderungen gelöst werden. Dazu gehören ultraleichte Sonden, genannt Starchip, die lediglich wenige Gramm wiegen und im Grunde nur aus ein paar Elektronikchips, Sensoren, Batterien und einer Kamera bestehen.

Auch die gigantischen, nur wenige Atomlagen dicken Lichtsegel müssen noch entwickelt werden. Nur wenn die Sonden extrem leicht sind, können sie in kurzer Zeit auf Geschwindigkeiten im Bereich der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden.

Laut dem nun vorgestellten Konzept soll eine Armada von Lasern auf einem möglichst trockenen Ort in großer Höhe auf der Erde aufgebaut werden. Die Leistung könnte bis auf 100 Gigawatt ausgebaut werden - das entspricht etwa hundert Atomkraftwerken. Zu Beginn würden aber nur wenige Gigawatt ausreichen, heißt es.

Ein Problem dürfte die Atmosphäre darstellen, die das Anpeilen der Mini-Raumschiffe erschweren und stören könnte. Mit raffinierter Optik, die permanent nachjustiert, hoffen Forscher, diese Herausforderung meisten zu können.

Alternativ dazu gibt es die Idee, die Laser im Orbit zu positionieren, was jedoch aufwendige Raketenstarts erfordern würde - siehe Grafik oben. Zudem stellt sich die Frage, wie man Leistungen von mehreren Dutzend Gigawatt in einer Erdumlaufbahn erzeugen soll.

Die Mini-Raumschiffe sollen an Bord von Raketen in eine Erdumlaufbahn gebracht werden. Dort wird dann das Lichtsegel aufgefaltet, und die Beschleunigung per Laser kann beginnen. Weil pro Sonde wohl nur ein paar Minuten Laserbeschuss reichen, könnte nach und nach eine ganze Armada von Kleinstraumschiffen zu interstellaren Reisen aufbrechen.

Wenn eines Tages tatsächlich Mini-Sonden bis zu Alpha Centauri vorstoßen, hätten sie allerdings Schwierigkeiten, die dort befindlichen Sterne und Exoplaneten genauer zu untersuchen. Denn dazu müssten die Raumschiffe scharf bremsen, was dieselbe Energie erfordern würde wie bei der Beschleunigung durch Gigawatt-Laser. Womöglich liefe es auf eine Fly-by-Mission hinaus, also auf einen ungebremsten Vorbeiflug mit einem nur sehr kurzen Fenster für Fotos. Aber vielleicht fällt den Genies um Stephen Hawking ja auch noch etwas ganz Neues ein.

Tags:


Newsticker