"Von der technischen Seite hatten wir keine Ahnung"

  03 Juli 2023    Gelesen: 925
  "Von der technischen Seite hatten wir keine Ahnung"

Christine Dawood verliert bei dem Unglück des Tauchbootes "Titan" Ehemann Shahzada und Sohn Suleman. Aus der Zeit vor dem Tauchgang erinnert sie sich an fiebrige Vorfreude und an Schilderungen, die sie heute mit den letzten Minuten im Leben ihrer Lieben verbindet.

Die gebürtige Deutsche Christine Dawood hat in einem Interview mit der "New York Times" beschrieben, wie sie die Katastrophe der "Titan" erlebt hat. An Bord des Tauchbootes kamen ihr Mann Shahzada Dawood und ihr Sohn Suleman ums Leben. Ursprünglich wollte sie selbst an Bord gehen, ließ dann aber ihrem Sohn den Vortritt, der inzwischen das nötige Mindestalter von 18 Jahren überschritten hatte.

Zu den Vorbereitungen auf den Tauchgang gehörten Dawood zufolge auch Vorträge, die sich mit dem Design und der Sicherheit der "Titan" beschäftigten. Im Februar habe es ein Treffen mit Oceangate-Chef Stockton Rush und seiner Frau Wendy in London gegeben. Auch dort sei es viel um die Sicherheit des Tiefseeausfluges gegangen. "Von der technischen Seite hatten wir einfach keine Ahnung", sagte Dawood der Zeitung. "Ich meine, man sitzt in einem Flugzeug, ohne zu wissen, wie der Motor funktioniert." Rush starb ebenfalls an Bord der "Titan".

Shahzada und Suleman Dawood hielten sich mehr an die konkreten Anweisungen für den Tauchgang. Sie sollten warme Socken anziehen und eine Mütze tragen, weil die Temperaturen mit jedem Meter Meerestiefe immer weiter absinken würden. Weil sich auf dem Boden der "Titan" Kondenswasser sammeln würde, müsse man darauf achten, keine nassen Füße zu bekommen. "Es war wie eine gut geölte Operation - man konnte sehen, dass sie das schon oft gemacht hatten", sagte Dawood der Zeitung.

Demnach waren alle auf eine etwa 12-stündige Expedition eingestellt. Die Oceangate-Planung sah vor, dass der Abstieg zur Titanic etwa zweieinhalb Stunden und der Wiederaufstieg an die Oberfläche ebenfalls etwa zweieinhalb Stunden dauern würde. Dazwischen lagen etwa vier Stunden für die Besichtigung des Wracks. Der Rest der Zeit war Puffer.

Dunkelheit und Musik

Die Missionsspezialisten, wie jene Passagiere genannt wurden, die für die Tour zum "Titanic"-Wrack bezahlt haben, hätten Hemden und Jacken bekommen, auf denen ihr Name und die Flaggen ihrer Herkunftsländer gestickt waren. Die Gäste an Bord wurden darauf vorbereitet, dass sie auf dem Weg in die Tiefe durch das Bullauge und die Außenkameras nicht viel zu sehen bekämen. Der Batteriestrom an Bord werde für die Zeit am Meeresboden gespart. Wer wollte, sollte seine Lieblingsmusik auf dem Handy dabeihaben, um sie mit den anderen über eine Bluetooth-Box zu hören.

Die Tour zum Wrack der "Titanic" sei ein Traum ihrer Familie gewesen, seit sie 2012 in Singapur eine Ausstellung zum 100. Jahrestag des Untergangs der "Titanic" besucht hatten, erzählte Dawood. Einige der dort ausgestellten Gegenstände hatte wahrscheinlich Henri-Paul Nargeolet bei früheren Expeditionen mit an die Oberfläche gebracht. Auch Nargeolet war beim Unglückstauchgang der "Titan" mit an Bord und starb.

Das Letzte, was sie von ihrem Mann und ihrem Sohn gesehen habe, war, wie sie auf der auf dem Meer schaukelnden Plattform der "Titan" in das Tauchboot kletterten. Ihr 19-jähriger Sohn Suleman hatte seinen Zauberwürfel dabei, weil er einen Weltrekord plante: Er wollte den berühmten Puzzlewürfel in fast 4000 Metern Meerestiefe lösen. Ihr Mann Shahzada hatte eine Kamera mitgenommen, um den Blick auf den Meeresboden durch das einzige Bullauge der Titan einzufangen. Er habe eine helfende Hand gebraucht, um mit der ganzen Ausrüstung heil die Treppe hinunterzukommen. Ihre Tochter und sie hofften, dass er "nicht ins Wasser fällt".

Wenige Stunden später riss der Kontakt zur "Titan" ab. Christine Dawood hält sich an den Bildern fest, wie freudig aufgeregt ihr Mann und ihr Sohn vor dem Tauchgang waren. Und dass sie in den Sekunden vor der Implosion einen Blick auf biolumineszierende Meeresbewohner erhaschen konnten, in dem Gefühl, sie würden durch Sterne fallen.

Quelle: ntv.de, sba


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