Zugegeben, eine Neuheit ist der Volkswagen Amarok der zweiten Generation inzwischen nicht mehr. Hinlänglich bekannt ist auch, dass die Nutzfahrzeugspezialisten aus Hannover diesmal in die Ford-Regale greifen (Ford bekommt dafür wiederum andere Komponenten aus Niedersachsen). Beim Volkswagen-Kraxler handelt es sich nämlich um einen angepassten Ford Ranger, der übrigens auch noch in der südafrikanischen Ford-Produktionsstätte Silverton bei Pretoria vom Band läuft.
Was hingegen sehr wohl neu ist: die Möglichkeit, mit den Basisvarianten (ab 47.122 Euro) unterwegs zu sein, die eben keinen kultiviert-bulligen Sechszylinder-Diesel unter dem Blech tragen. Stattdessen gibt es bodenständige Kost in Form eines simpleren Vierzylinder-Turbodiesels. Dieser leistet wahlweise 170 oder 205 PS. Zumindest letzterer Wert klingt jetzt auch nicht mehr völlig erdhaft, aber für die Basisleistung kann man das schon sagen. Zumal der 5,39 Meter lange (3,27 Meter Radstand) Brocken rund 2,2 Tonnen auf die Waage bringt. Bleibt die Frage, wie attraktiv das Package mit dem Grund-Antriebsstrang ist.
Und wenn schon Basis, dann auch richtig. Also schnappe ich mir auf der Veranstaltung das einzige von Volkswagen mitgebrachte Modell, das nicht nur die kleinste verfügbare Leistung aufweist, sondern obendrein noch ein manuelles Sechsgang-Schaltgetriebe. Genug Rüstzeug, um das Lustzentrum im Gehirn zu aktivieren? Volkswagen gibt jedenfalls alles, um genau das auf die Probe zu stellen. Die Niedersachsen haben den Privatgrund rund um das bei Köln gelegene Schloss Ehreshoven gemietet mit zahlreichen unpassierbaren Hindernissen für konventionelle Personenwagen. Hier kreuzen querliegende Baumstämme, tiefe Mulden, extreme Steigungen und Wasserlöcher, in denen ganze Kleinwagen verschwinden könnten, den Weg.
Auch wenn der Amarok in erster Linie als Transporttool gedacht ist und in der Praxis wohl auch so genutzt wird mit seiner ausladenden Pritsche, mutmaßlich vorwiegend auf der Straße, liegen dessen Geländefähigkeiten auf dem höchsten Level. Während mit den Geländewerten wie dem Böschungswinkel von 29 Grad vorn sowie 22 Grad hinten wohl nur eine bestimmte, spezielle Zielgruppe etwas anfangen kann, versteht hingegen jedes Kind, dass es nicht schlecht ist, wenn man Wasserhöhen von über 78 Zentimetern durchqueren kann. Eine G-Klasse von Mercedes beispielsweise schafft "nur" 70 Zentimeter.
Der Amarok ist ein Hardcore-Geländewagen
Der Parcours hier ist lang, täuscht zunächst Harmlosigkeit vor, wenn der vorfahrende Instruktor im Galopp über die losen Geröllstrecken fegt. Hier schiebt das 405 Newtonmeter liefernde Triebwerk noch locker an, bleibt unangestrengt, wenngleich eine gewisse Anfahrschwäche nicht zu verleugnen ist. Richtig phlegmatisch ist das Grundmodell nicht mit 11,6 Sekunden für den Sprint auf 100 Sachen sowie 180 km/h in der Spitze. Und die leicht kernige Laufkultur passt zu dem burschikosen Auto.
Aber dann bittet der Experte zur kurzen Pause, die alle Gefolgsleute nutzen, um die Geländereduktion zu aktivieren. Jetzt fällt die Übersetzung viel kürzer aus - es reicht, um im zweiten Gang anzufahren. Und beim anschließenden Abbiegen um die Ecke wird klar, warum der Fachmann um den sogenannten Low Range gebeten hat. Denn plötzlich wird die Passage nicht nur extrem hindernisreich, sondern auch noch verdammt steil. Und auf diesem Hang mit losem Untergrund soll angefahren werden? Beim Blick aus der Windschutzscheibe sieht man nur noch Himmel, hier soll ein Auto hochkommen?
Wer schon beim Lesen feuchte Hände bekommt, sei beruhigt. Es reicht schon, die Kupplung bei Leerlaufdrehzahl langsam kommen zu lassen, und der Amarok kriecht mit unbändigen Kräften los. Unaufhaltsam erklimmt das Trumm den Hügel, um anschließend gleich der nächsten Falle zu trotzen. Diesmal sind es einseitige Mulden, die sich traktionseinschränkend auswirken, weil wechselseitig mal das linke und mal das rechte Rad in der Luft hängt. Wie gut, dass der Volkswagen über Differenzialsperren verfügt. Arbeitete das Differenzial in seiner originären Funktion, würde das freistehende Rad in der Luft drehen, während dasjenige mit Grip kein Moment erhalten würde (das feststehende Rad im Differenzial würde sich am beweglichen abwälzen). Im gesperrten Zustand hingegen ist der Durchtrieb starr - beide Räder einer Achse werden angetrieben und es geht immer vorwärts.
Auch vor Baumstämmen und großen Steinen macht der Kraxler keinen Halt dank seines gewaltigen Böschungswinkels. Für solcherart Spielwiese braucht es keinen distinguierten Sechszylinder, sondern lediglich entsprechende Mechanik. Im Straßenbetrieb läuft der Amarok übrigens effizient (8,6 Liter Diesel/100 Kilometer) mit einer angetriebenen Achse.
Mit satter Ausstattung wird der Volkswagen teuer
Es geht übrigens auch im Kontext mit dem Vierzylinder etwas feinsinniger. Zwar bleibt der Allrad stets zuschaltbar, allerdings gibt es auch 4Motion-Ausführungen mit einem Automatikmodus für den Strang mit einem Modus für permanenten Vierradantrieb. In diesem Fall besteht das Zentrum der Kraftverteilung aus einer elektronisch geregelten Lamellenkupplung und man muss nicht befürchten, dass der Kraxler mit dem stabilen Leiterrahmen bei Kurvenfahrten verspannt ob des starren Durchtriebs. Man kann das Ganze zusätzlich noch mit einem sperrbaren Hinterachsdifferenzial garnieren. So lassen sich die Preise allerdings auch locker über die 60.000-Euro-Mauer hieven.
Zum Schluss gehts noch kurz auf die Straße mit der 205 PS starken Version. Diese schiebt hinreichend beflissen und erhält mit dem sämig schaltenden Zehngang-Automaten sogar eine komfortable Note. Die Laufkultur des Zweiliters geht dabei völlig in Ordnung.
Nicht fehlen darf der Blick auf das Interieur. Klar, dass anno 2023 auch die Infotainment-Fans etwas geboten bekommen müssen und wollen. Demnach besteht das Kombiinstrument aus Displayfläche und kann allerlei Gimmicks. Dazu gehören diverse grafische Darstellungen nebst hübschen Oberflächen, um Bordcomputer- und Geländedaten etwas spannender darzubieten. Wer sich auskennt, identifiziert die Architektur mit dem großen Touchscreen in der Mitte als Ford-Kreation - "VW"-Logo auf dem Lenkrad hin oder her. Macht aber nichts, wohnlich ist es trotzdem und geräumig selbst im Fond der mit zwei Sitzreihen ausgestatteten Kabine.
Dass der Amarok außerdem über unzählige Assistenten verfügt, zu dem jetzt auch die Einparkautomatik gehört, sei angemerkt. Ob das zu mehr Verkäufen führt, sei dahingestellt. Dass er 3,5 Tonnen an den Haken nehmen kann, könnte da schon eher spannend sein. Und spannend ist der neue Amarok sowieso. Sogar mit dem Vierzylinder.
Quelle: ntv.de
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