Die weltweite Stärkung der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter liegen künftig in der Hand von Saudi-Arabien. Abdulaziz Alwasil, seit 2016 ständiger Vertreter seines Landes bei den Vereinten Nationen, übernimmt den Vorsitz der UN-Frauenrechtskommission. Einen Gegenkandidaten gab es nicht. Das Königreich, das international wegen Menschenrechtsverletzungen stark in der Kritik steht, wurde vor allem von Ländern aus dem asiatisch-pazifischen Raum unterstützt. Der 63-Jährige wurde per Akklamation, also per zustimmendem Beifall, von den Vertretern von 45 Nationen ins Amt gewählt.
Noch vor der Wahl hatte Alwasils Vorgänger, der Philippiner Antonio Manuel Lagdameo, die Anwesenden im Saal gefragt, ob es Widerspruch gegen den Kandidaten gebe, es herrschte Schweigen. Lagdameo tritt bereits nach einem Jahr ab. Normalerweise sieht das Amt vor, dass ein Land für zwei Jahre an der Spitze steht. Wie der "Guardian" berichtet, geschah der Rückzug offenbar auf Druck mehrerer Länder aus dem asiatischen Raum. Eigentlich sollte Bangladesch die Nachfolge übernehmen, doch dann drängelte sich Saudi-Arabien dazwischen.
Experten sehen das als nächsten Schritt, um den eigenen Ruf aufzupolieren und sich international als mächtiger Partner anzubieten. Seit Jahren bemüht sich der Wüstenstaat bereits mit milliardenschwerem Sportswashing um Imagepflege. Zuletzt sorgten vor allem Fußballklubs der heimischen Liga mit gigantischen Stareinkäufen für Aufsehen.
"Schockierende Missachtung der Frauenrechte"
Menschenrechtsorganisationen reagierten empört. Saudi-Arabien steht international in der Kritik, weil es immer wieder gravierende Menschenrechtsverletzungen gibt und die Rechte von Frauen massiv eingeschränkt sind. Sherine Tadros, die Leiterin des New Yorker Büros von Amnesty International, sagte: "Saudi-Arabien ist jetzt an der Spitze, aber Saudi-Arabiens eigene Bilanz in Bezug auf Frauenrechte ist miserabel und weit entfernt von dem Mandat der Kommission." Zudem jährt sich im kommenden Jahr die Pekinger Erklärung, ein bahnbrechender Entwurf für die weltweite Förderung von Frauenrechten, zum 30. Mal. "Wer auch immer den Vorsitz innehat, ist in einem entscheidenden Jahr für die Kommission in einer Schlüsselposition, um die Planung, die Entscheidungen, die Bestandsaufnahme und den Ausblick zu beeinflussen", sagte Tadros.
Louis Charbonneau, der Direktor von Human Rights Watch bei den Vereinten Nation, schrieb bei X: "Saudi-Arabiens Wahl an die Spitze der UNO-Frauenrechtskommission zeigt eine schockierende Missachtung der Frauenrechte überall." Das Land dürfe schon einmal deshalb nicht den Anspruch auf den Vorsitz erheben, weil es Frauen für den Kampf für Frauenrechte bestrafe. Kritik übte er am Schweigen der anderen Länder, die die Wahl nicht verhindert hätten. Die saudische Vertretung reagierte nicht auf die Bitte um eine Stellungnahme, so heißt es beim "Guardian". Stattdessen verwiesen Vertreter auf das "Personenstatus"-Gesetz, das vor zwei Jahren im Land eingeführt wurde und als Nachweis für die Fortschritte bei Frauenrechten dienen soll.
So dürfen Frauen seit ein paar Jahren den Führerschein machen. Das Gesetz sieht indes auch vor, dass Frauen zur Heirat die Erlaubnis eines männlichen Vormunds einholen müssen. Zudem muss sie dem Ehemann "angemessen" gehorchen. Von diesem Gehorsam hängt ihre finanzielle Ausstattung ab. Amnesty International sagt zudem, ein durchgesickerter Entwurf eines bevorstehenden neuen Strafgesetzbuchs "schützt Frauen und Mädchen nicht vor allen Formen geschlechtsspezifischer Gewalt".
Quelle: ntv.de, tno
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