“Die Kommune“ probiert es aus

  22 April 2016    Gelesen: 856
“Die Kommune“ probiert es aus
Ein Mann erbt eine noble Villa - und statt sie selbst zu bewohnen oder für viel Geld zu verkaufen, gründet er darin eine Kommune. Verrückt? Nun, es sind die Siebzigerjahre und seiner Frau ist langweilig, da probiert man schon mal was Neues aus.
Kopenhagen, Mitte der Siebziger, Erik erbt eine riesige, noble Villa. Zu groß für die dreiköpfige Familie und zu teuer - allein die Heizkosten! Verkaufen liegt nahe, denn es soll immerhin eine Million Kronen dafür geben. Aber seine Frau Anna überredet ihn, das Haus (und die Kosten) mit anderen zu teilen und eine Kommune zu gründen. Warum? Ihr ist langweilig, sie hat das Gefühl, sie hätte alle Sätze ihres Mannes schon mal gehört ... sie will einfach frischen Wind, was Neues. Und auch die 14-jährige Tochter Freja findet Gefallen an der Idee einer Groß-WG.

Also Freunde und Bekannte angerufen, die alle eine Art Casting durchlaufen müssen. Können sie die (recht hohe) Miete bezahlen? Passen sie in die Runde? Wenn ja: Abstimmen, Hand hoch. Und jeder kommt durch, sogar Allon, obwohl der weder Geld noch einen Job noch irgendeine Peilung hat, was er machen will. Aber er fängt an zu weinen, als er sich abgelehnt fühlt - da werden alle weich; keiner bringt es fertig, ihn auszuschließen. Selbst Mona nicht, die Allon wegen seines ausländischen Akzents nicht versteht. ("Was? Was hat er gesagt?")

Damit ist die Grundstimmung des Films "Die Kommune" (im dänischen Original: Kollektivet) von Regisseur Thomas Vinterberg schon ziemlich klar umrissen: Es geht hauptsächlich um Zwischenmenschliches, um Gefühle. "Wie geht es dir?" oder auch "Wie geht es uns?" ist die meistgestellte Frage. Anderer Kommunen- und WG-Kram wie Abwasch und Putzplan kommt allemal am Rande als Gag vor - wie die ewige Diskussion um eine Spülmaschine, mangelndes Aufräumen oder die Bier-Liste. Diese Dinge werden ohne Umwege schnell und direkt gelöst: was rumliegt, wird verbrannt und für die säumigen Bierzahler gibt es eine Amnestie. Punkt.

Problem neue Freiheit

Was ist also das größte Problem? Die neue Freiheit. Das ist dann doch nicht immer so toll, wie manch einer es sich vorgestellt hat. Anfangs gefällt es Erik nicht, dass Anna kaum noch Ohren für ihn hat und das, was ihn bei der Arbeit (er ist Architekt und Dozent an der Uni) beschäftigt. Anna, prominente und erfolgreiche TV-Nachrichtensprecherin, genießt hingegen die abendliche große Runde am Esstisch und die Gespräche mit den anderen sehr.

Es kommt also, wie es kommen muss - Erik wendet sich in der Uni einer (natürlich) jungen, hübschen, blonden Studentin zu, die ihn offensiv anflirtet. Sie beginnen eine Affäre, dann wird es ernster, er verliebt sich in sie. Als Tochter Freja ihn zu Hause mit Studentin Emma erwischt, gesteht er Anna seine außereheliche Liebesgeschichte. Die wollte zwar der Langeweile ihrer Ehe durch Gründung einer Kommune entkommen - aber so eine offene Beziehung sollte es dann wohl doch nicht sein. Und wer will schon seinem Mann beim Sex mit dessen Geliebter zuhören? Denn irgendwann zieht Emma sogar bei Erik und der Kommune ein ... Da hilft Anna nur noch ein Joint - oder das eine oder andere Glas Wein. Sie schwankt zwischen Fassung bewahren und Eifersucht, bis zum Zusammenbruch.

Diesen Wandel von der selbstsicheren, fröhlichen, stabilen Frau in den Vierzigern zum um seine Würde kämpfenden, mit einer 20 Jahre Jüngeren betrogenen Wrack zeigt Trine Dyrholm überzeugend und eindrucksvoll - dafür wurde sie auch bei der Berlinale im Februar 2016 mit dem Silbernen Bären für die beste Darstellerin belohnt. Die bekannte dänische Schauspielerin hat schon mehrmals mit Vinterberg zusammengearbeitet - international bekannt wurde sie (ebenso wie Ulrich Thomsen, der Darsteller des Erik) durch dessen Dogma-Film "Das Fest" (Festen, 1998). Sie spielte die Hauptrolle in Susanne Biers Oscar-prämiertem Drama "In einer besseren Welt" und neben Pierce Brosnan in Biers "Love is all you need"; in Fatih Akins "The Cut" war sie die Leiterin eines Waisenhauses und in Baran bo Odars "Who I am - Kein System ist sicher" die Europol-Ermittlerin Hanne Lindberg.

Regisseur Vinterberg ist selbst in einer Kommune aufgewachsen, im Alter von 7 bis 19. "Das war eine verrückte, herzliche, tolle Zeit für mich inmitten von Nackten, Bier, hochgestochenen Diskussionen, Liebe und persönlichen Tragödien. Für mich als Kind war jeder Tag dort wie ein Märchen", erinnert er sich. In seinem Film "Die Kommune" geht es nicht so märchenhaft zu - er zeigt eher eine Zeit der Träume, von einer freien Gemeinschaft, frei von Besitzdenken, in der jeder für den anderen da ist, in der man gern teilt, was man hat. Aber der Konflikt zwischen diesen Idealen und den privaten Bedürfnissen jedes Einzelnen droht diese Träume platzen zu lassen. Er wird auch zur Zerreißprobe für die Liebe von Anna und Erik - wird ihre Ehe die Dreierkonstellation überleben?

"Die Kommune" läuft seit dem 21. April in den deutschen Kinos.

Quelle: .n-tv.de

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