Eine Wahl muss frei und geheim ablaufen, das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Kurz vor der US-Wahl am Dienstag erinnert ein Werbespot an dieses Gebot - und zielt damit auf die Geschlechterkluft unter den US-amerikanischen Wählerinnen und Wählern ab. In dem von der religiösen, pro-demokratischen Nichtregierungsorganisation "Vote Common Good" finanzierten Spot besucht eine Frau gemeinsam mit ihrem Mann, einem Trump-Anhänger, das Wahllokal. "Du kannst wählen, wen du willst", appelliert die Stimme von Schauspielerin Julia Roberts aus dem Off, während eine Frau im Wahlbüro ihr Kreuz bei Kamala Harris und Tim Walz macht. "Und niemand wird es je erfahren."
"Hast du die richtige Wahl getroffen?", fragt ihr Mann daraufhin. "Ganz sicher, Liebling", lautet ihre Antwort. Frauen, so der Tenor, sollen ihre Wahlentscheidung losgelöst von den Ehepartnern treffen. Um einem Konflikt mit dem Ehemann aus dem Weg zu gehen, könne ruhig geflunkert werden. Denn die Entscheidung der Frau gehe ihn schlicht nichts an.
Bei den Republikanern provozierte der Clip prompt empörte Reaktionen. Donald Trump selbst ließ im Frühstücksfernsehen von Fox News wissen, er sei "so enttäuscht" von Julia Roberts. "Sie wird darauf zurückblicken und sich schämen: Habe ich das wirklich gesagt?'" Trump meint gar, Rückschlüsse auf Roberts' Liebesleben ziehen zu können. "Es sagt nicht viel über ihre Beziehung aus, aber ich bin sicher, dass sie eine tolle Beziehung hat. Die Ehefrauen und die Ehemänner, ich glaube nicht, dass sie so miteinander umgehen", sagt Trump.
"Dasselbe wie eine Affäre"
Fox-News-Moderator Jesse Watters setzt das Verhalten der Frau in der Werbung mit Ehebruch gleich. "Wenn ich herausfinden würde, dass meine Frau Emma für Harris gestimmt hat, wäre das dasselbe, als hätte sie eine Affäre. Es würde die Heiligkeit unserer Ehe verletzen. Was würde sie dann noch vor mir verschweigen?" Es wäre der "D-Day" für seine Beziehung, so Watters.
Der rechte Aktivist Charlie Kirk tobte ebenfalls bei Fox News. "Es ist so abstoßend. Es ist so katastrophal", so Kirk. "Es verkörpert den Untergang der amerikanischen Familie. Ich finde es so widerlich. Ich finde es einfach so widerlich." Liz Cheney, ehemalige republikanische Abgeordnete und Trump-Kritikerin, bezeichnete Kirk als einen "Schwachkopf". Sie rief Frauen dazu auf, bei der Wahl für Harris zu stimmen.
Die Organisation "Vote Common Good" fühlt sich durch die Reaktionen bestätigt. "Die Gegenreaktion mancher Männer, die entsetzt sind, wenn sie daran denken, dass ihre Frauen anderer Meinung sein könnten, bestätigt tatsächlich unseren Standpunkt. Wir wissen, dass die MAGA-Bewegung den Druck auf die Menschen erhöht, aber wir kennen auch den starken Willen der Amerikaner, wenn sie in der Wahlkabine stehen."
Umfrage: Jede achte Frau wählte "heimlich"
Der Gender-Gap hat Tradition bei den US-Präsidentschaftswahlen: Frauen stimmen seit Jahrzehnten mehrheitlich für die Demokraten, Männer für die Republikaner. Die verhärteten Fronten in der US-amerikanischen Gesellschaft spiegeln sich einer Umfrage von Yougov zufolge auch in Paarbeziehungen wider: Jede achte Frau gab demnach an, in der Vergangenheit anders gewählt zu haben als ihr Partner, ohne es ihm mitzuteilen. Bei den Männern ist es knapp jeder Zehnte.
In einer zweiten Version des Spots sind es im Übrigen männliche Wähler, die an die Anonymität der Wahl erinnert werden sollen. Darin betreten drei Männer mittleren Alters das Wahllokal. "Kommt schon Jungs, lasst uns Amerika wieder groß machen", sagt einer von ihnen zu seinen Kumpels. Dann ertönt die Stimme von George Clooney: "Bevor du deine Stimme bei dieser Wahl abgibst, denk daran, wie sich das auf die Menschen auswirkt, die dir am wichtigsten sind." Die Kamera schwenkt auf ein kleines Mädchen, das nach ihrem "Daddy" ruft. "Du kannst wählen, wen du willst, und niemand wird es je erfahren", sagt Clooney - und der "Daddy" macht sein Kreuz bei den Demokraten.
Quelle: ntv.de, mdi
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