Keine Lust auf den Knochenjob

  10 Juli 2016    Gelesen: 1174
Keine Lust auf den Knochenjob
Unberechenbare Arbeitszeiten, aufwendige Hausbesuche und Gefahr der Verschuldung: Junge Mediziner schrecken vor einem Job als Landarzt zurück.

Martin Gruber ist kein Landarzt vom alten Schlag. Der Chirurg studierte in München und Paris, arbeitete viele Jahre in einer New Yorker Klinik. Er ist herumgekommen in der Welt und dabei, sich in der Forschung einen Namen zu machen. Und doch ist da stets die Idee in seinem Hinterkopf, irgendwann in seine Heimat zurückzukehren, in ein Dorf mit knapp 3000 Einwohnern. Wie überall im ländlichen Österreich sind Ärzte dort rar. Ein Besuch bei der Familie überzeugt den Chirurgen schließlich.

Nun lebt Martin Gruber das Leben eines Landarztes, er führt eine eigene Praxis und setzt sich gelegentlich ins Auto, um Patienten aufzusuchen, die nicht zu ihm kommen können. Sein Einsatzgebiet: malerische Bergdörfer, urige Almhütten, mitunter sogar schneebedeckte Gipfel. Viele Ärzte regen sich über Gruber auf. Denn der "Bergdoktor", Titelheld der ZDF-Serie zur besten Sendezeit, ist eine krude Fiktion.

Mit dem wahren Leben eines Landarztes hat die Fernsehfigur Gruber wenig gemein: Statt Bergromantik und Gipfelabenteuer kennzeichnen heute lange Arbeitszeiten und große Einzugsgebiete den Arztalltag auf dem Land. Auf bis zu 700 Hausbesuche im Quartal kommen Landärzte häufig, weil die Hälfte der Patienten so alt ist, dass sie die weiten Wege zum Arzt nicht mehr bestreiten kann. Die Wochenarbeitszeit liegt weit über 55 Stunden, verteilt auf sieben Tage. In anderen Worten: Der Landarzt macht einen Knochenjob.

Das spricht sich herum. In Österreich können kaum noch junge Ärzte aufs Land gelockt werden, obwohl eine große Pensionierungswelle bevorsteht. In Deutschland ist der Ärztemangel auf dem Land genauso krass: Laut einer Studie des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung suchen in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt aktuell etwa 70 Prozent der Hausarztpraxen einen Nachfolger, ähnlich ist die Lage in Teilen Baden-Württembergs, Schleswig-Holsteins und Niedersachsens. Mitunter greifen Praxisbesitzer zu verzweifelten Maßnahmen, um Nachwuchs zu gewinnen: In Bayern suchte ein Internist aus Mittenwald jüngst mit einer großflächigen Werbetafel nach einem neuen Partner für seine Praxis, mit der Aufschrift "We need you - mir brauchn di".

Die Gründe für die Landflucht sind vielfältig. Zwar steigt in Deutschland die Anzahl der Mediziner, dennoch herrscht in ganz Europa Nachfrage nach Ärzten, auch aufgrund des demografischen Wandels. Also können sich junge Mediziner heute aussuchen, wo und wie sie arbeiten wollen.

Quelle: sueddeutsche.de


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