IS reklamiert Anschlag auf Nachtklub für sich

  02 Januar 2017    Gelesen: 1650
IS reklamiert Anschlag auf Nachtklub für sich
Der "Islamische Staat" beansprucht den Terrorangriff auf den Nachtklub Reina in Istanbul für sich. Was ist über den Anschlag noch bekannt? Wer sind die Opfer? Der Überblick.
Mindestens 39 Tote und 65 Verletzte - vom Terror getroffen mitten in der Silvesternacht. Der Anschlag auf die Feiernden im Istanbuler Nachtklub Reina hat weltweit Bestürzung ausgelöst, auch wenn die Tat nicht überrascht hat. Seit Monaten erschüttern Anschläge mit vielen Toten die Türkei. Die jüngste Attacke hat am Montag die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) für sich reklamiert.

Alles, was bisher zu dem Anschlag noch bekannt ist, lesen Sie hier.

Welche Hinweise auf Täter gibt es?

Der IS beanspruchte am Montag den Anschlag für sich. Ein "Soldat des Kalifats" sei für die Tat verantwortlich, heißt es in einer im Internet verbreiteten Erklärung. Die Echtheit des Schreibens ließ sich zunächst nicht überprüfen.

Zuvor hatte bereits die kurdische Seite die Verantwortung für das Attentat abgewiesen.

Der oder die Täter sind noch auf der Flucht - nach ihnen wird mit Hochdruck gefahndet. Bis zum Montag hatte der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim offen gelassen, in welche Richtung ermittelt werde, er sprach lediglich von einem "bewaffneten Terroristen". Die Ermittler arbeiteten "mit Nachdruck" daran, den Täter zu identifizieren.

Zuletzt hatten sich die Hinweise auf eine Täterschaft des IS aber verdichtet: Die türkischen Zeitungen "Hürriyet" und "Karar" schreiben am Montag unter Berufung auf anonyme Quellen, die Sicherheitsbehörden gingen davon aus, dass die islamistische Terrormiliz hinter der Tat und dass der Täter aus Zentralasien stamme, wahrscheinlich aus Usbekistan oder Kirgistan. Außerdem gebe es Parallelen zu dem Anschlag auf den Atatürk-Flughafen im Istanbul im Juni. Es werde geprüft, ob hinter beiden Attacken dieselbe IS-Zelle stecke.

Beobachter werteten zuvor zudem die Tatsache, dass der Angriff einem mondänen Klub galt, in dem auch Ausländer verkehren, als Hinweis auf einen islamistischen Hintergrund. Die "New York Times" berichtete, auch nach Einschätzung amerikanischer Behörden trage der Terror die Handschrift des "Islamischen Staats".

Seit Langem steht die Türkei im Visier des IS. Die Streitkräfte des Landes kämpfen im benachbarten Syrien gegen die Terrormiliz und wollen die Extremisten von der Grenze vertreiben. Im November hatte IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi zu Anschlägen in der Türkei aufgerufen. Und nur wenige Tage vor dem Anschlag in der Silvesternacht hatte die dem "Islamischen Staat" nahestehende Gruppe "Nashir Media Foundation" gefordert, die westlichen Feiertage in Tage von "Terror und Blut" zu verwandeln. Aufgerufen wurde zu Angriffen auf Nachtklubs, Märkte und Kinos - die Türkei wurde demnach als spezielles Ziel genannt.

Der Zeitung "Hürriyet" zufolge waren am Silvestertag acht Kämpfer der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Ankara festgenommen worden, die einen Anschlag in der Nacht geplant haben sollen.

Wer sind die Opfer?

25 Männer und 14 Frauen sind tot. Unter den 39 Opfern seien 26 Ausländer und zwölf Türken, meldete die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf Justizministeriumskreise. Eines dieser zwölf türkischen Opfer habe zusätzlich die belgische Staatsbürgerschaft besessen. Eine Leiche sei noch nicht identifiziert worden. Die meisten Todesopfer stammten den Angaben zufolge aus arabischen Staaten. Als Herkunftsländer nannte Anadolu Saudi-Arabien (7), Libanon und den Irak (je 3), Tunesien, Marokko, Indien, Jordanien (je 2), Kuwait, Kanada, Israel, Syrien und Russland (je 1).

Der "Bayerische Rundfunk" meldet unter Berufung auf die örtliche Polizei, unter den Toten sei auch ein 26-jähriger Deutscher. Es soll sich um einen Mann aus dem Landkreis Landsberg am Lech handeln. Zuvor hatte das Auswärtige Amt erklärt, man bemühe sich mit Hochdruck um Aufklärung und stehe dazu in engem Kontakt mit den türkischen Behörden, hieß es.

Was ist über den Ablauf der Tat bekannt?

Gegen 1.15 Uhr Ortszeit, das Feuerwerk über dem Bosporus war schon vorüber, brach der Terror über den Nachtklub Reina hinein. Ein noch unbekannter Attentäter drang, nachdem er laut türkischen Behörden zunächst einen Polizisten und einen Zivilisten vor dem Klub erschoss, in das Areal ein und tötete innerhalb von sieben Minuten mindestens 39 Menschen. Hunderte Gäste sollen sich zu diesem Zeitpunkt im Reina aufgehalten haben. Manche sprangen ins kalte Wasser des Bosporus, um ihr Leben zu retten.

Der türkische Innenminister Süleyman Soylu erklärte, der Attentäter habe sein Gewehr unter einem Mantel verborgen und womöglich die Kleidung gewechselt, bevor er den Klub verließ. Es könne sein, dass der Angreifer seine Waffe im Klub gelassen und sich im Tumult unter die Flüchtenden gemischt habe.

Was ist das Reina für ein Klub?

Der Klub, im Stadtteil Ortaköy unterhalb einer großen Bosporusbrücke gelegen, ist bekannt für seine exzessiven Partys. Er gilt als Symbol für die Lebenslust der jungen, säkularen türkischen Oberschicht. Hier tanzen Investmentbanker neben Fußballstars und Fernsehsternchen unter den funkelnden Lichtern der Bosporusbrücke durch die Nacht. Und drumherum gesellen sich ausländische Touristen, die auch mal etwas abbekommen wollen vom legendären Istanbuler Nachtleben. Auch internationale Stars lassen sich im Reina immer wieder blicken, wenn sie nach Istanbul kommen.

In dem auf der europäischen Seite von Istanbul gelegenen Klub mit mehreren Restaurants und Tanzflächen hielten sich zur Silvesterfeier bis zu 800 Menschen auf. Einer von ihnen war der Fußballprofi Sefa Boydas. "Gerade als wir uns am Eingang niedergelassen hatten, gab es plötzlich Schüsse. Alles war voller Staub und Rauch", berichtete der Spieler des Istanbuler Klubs Beylerbeyi. "Als ich hinausrannte, traten die Leute auf andere Menschen."

Der Klubbesitzer Mehmet Kocarslan verurteilte den Angriff. "Unser Herz blutet", schrieb er auf seiner Facebook-Seite. Das Attentat weckte auch Erinnerungen an die islamistische Attentatserie in Paris vom November 2015, als allein in der Pariser Konzerthalle Bataclan Dutzende Menschen getötet wurden.

Quelle : spiegel.de

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