BMW 520d Touring - Luxus statt purem Sport

  02 Juli 2017    Gelesen: 989
BMW 520d Touring - Luxus statt purem Sport
BMW stemmt sich mit dem neuen 5er wieder gegen die Konkurrenz aus Stuttgart. Und das tut not, denn die Schwaben haben mit der E-Klasse ordentlich vorgelegt. Im n-tv.de Praxistest soll der 520d beweisen, ob er wieder mithalten kann.
Im vergangenen Jahr hat BMW seinen 100. Geburtstag so intensiv gefeiert, dass Außenstehende das Gefühl hatten, Rück- und Ausblick sind alles, was die Bayern 2016 geschaffen haben. Dass das nicht so ist, beweist der Anfang des Jahres präsentierte neue 5er. Und es wurde auch Zeit. Schließlich hatten die Schwaben mit der neuen E-Klasse schon kräftig vorgelegt. Dass BMW dem in nichts nachsteht, war zu erwarten, aber erst mit dem zum Praxistest bei n-tv.de angetretenen 520d Touring war es zu erfahren.

Optisch muss sich BMW auch beim neuen 5er den Vorwurf gefallen lassen, der Audi schon seit Langem ereilt: dass die Veränderungen an den Fahrzeugen weder bei einem Facelift noch bei einer Neuauflage so konsequent sind, dass man sie eindeutig erkennen kann. Klar, so rigoros wie Mercedes unter Designchef Gordon Wagener hat bis dato kein Premiumhersteller das Äußere seiner Fahrzeuge verändert. Und die Schwaben fahren gut damit. Bleibt abzuwarten, was der von Škoda zu BMW gewechselte Jozef Kabaň in Zukunft an Innovationen für das Blechkleid der Münchner bringen wird.

Reiseriese auch fürs Möbelhaus

Doch bis das sichtbar wird, dürfte noch einiges Wasser die Isar herunterfließen. Und so konzentrieren wir uns an dieser Stelle vorerst auf den aktuellen 5er Touring, den G31. Um drei Zentimeter ist der Reise-Bayer mit 4,94 Metern noch näher an die Fünf herangerückt. Hinter der auf Wunsch mit Fußtritt aufschwingenden Heckklappe finden sich jetzt 570 Liter Stauraum und wer die Lehne der Rückbank per Knopfdruck elektrisch umlegt, beobachtet mit Freude, dass sie im letzten Drittel bis zur Auflage sanft einbremst. Hat sie sich flach gemacht, stehen über 1700 Liter zur Verfügung. Ja, das ist weniger als im T-Modell der E-Klasse und auch weniger als in einem Škoda Superb Combi, reicht aber locker, um ein zwei Meter langes Bett aus dem Möbelhaus hinter der geschlossenen Heckklappe verschwinden zu lassen. Und das, ohne zwischen den Sitzen von Fahrer und Beifahrer für Anstoß zu sorgen.

Insgesamt ist die Zuladung um 10 auf 730 Kilogramm gestiegen. Insofern dürften auch keine Lastwünsche offen bleiben. Zudem hat BMW das, was beim Mercedes T-Modell schon ewig Standard ist, auch für den Tourer eingeführt: eine Luftfederung mit Niveauregulierung an der Hinterachse. Das sorgt für unbeschwertes Einladen bei gleichbleibender Straßenlage, was nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Fahrfreude mit dem Bayern erhöht. Die steigert sich zudem durch die verbesserte Dämmung im 5er. Tatsächlich bewegt sich die Geräuschkulisse auf höchstem Niveau. Weder Rollgeräusche noch der Motoren-Sound werden an die Insassen weitergereicht.

Der geht auch mal übers Heck

Etwas knurrig wird es nur, wenn der Einstiegsdiesel im 520d im Sportmodus durch den rechten Fuß des Piloten ernsthaft unter Druck gesetzt wird. Sportfreunde, Achtung! Der 190 PS starke Selbstzünder ist bei aller Optimierung durch die BMW-Ingenieure immer noch keine Sportmaschine. Das wird nicht mal so sehr in den unteren Gängen deutlich, die die 8-Gang-Automatik absolut souverän durch die Gassen führt. Die 400 Newtonmeter maximales Drehmoment liegen spürbar ab 1750 Kurbelwellenumdrehungen an und wer keinen Allradler in Form eines xDrive geordert hat, kann auch einen 520d schön übers Heck kommen lassen. Der Sprint auf Tempo 100 ist mit der Automatik in 7,3 Sekunden abgeschlossen. Wer den Handschalter wählt, muss sich 0,2 Sekunden länger gedulden.

Als Endgeschwindigkeit bei Fahrzeugen mit Wandlerautomatik gibt BMW 225 km/h an. Das mag durchaus ein erreichbarer Wert sein, konnte aber in diesem Praxistest nicht ermittelt werden. Denn spürbar nach vorne geht es nur bis an die 200 km/h-Marke, danach braucht es Zeit. Überhaupt hat der sportlich orientierte Fahrer das Problem, dass ihm bei höheren Geschwindigkeiten ein wenig der Punch fehlt, der für einen spontanen Vortrieb notwendig ist. Aber Obacht, das ist zum einen Jammern auf hohem Niveau, zum anderen auch nicht die Sache des momentan kleinsten Diesels. Seine Stärke liegt tatsächlich im konstanten Langlauf. Hier stimmen auch die Verbrauchswerte. Mit 6,4 Litern steht er ganz vorn. Durstiger reagiert er auf Kurzstrecken in der Stadt. Hier stehen dann schon mal 7,8 Liter auf der Uhr. Das ist schon eine ordentliche Diskrepanz zum angegebenen Drittelmix von 4,3 bis 4,7 Liter für den Automaten.

Innovationen nicht umsonst

Nun ist aber die Stadt auch nicht wirklich die Spielwiese für den fast fünf Meter langen Bayern. Klar fühlt man sich auf den ausgezeichnet ausgeformten Sitzen, in die man BMW-typisch tief eintauchen muss, sauwohl, aber noch mehr Spaß machen die Polster, die es auf Wunsch auch mit Massagefunktion gibt, auf der Langstrecke. Um den Komfort zu steigern, hat BMW in der Comfort-Einstellung der Fahrmodi die Lenkung auch deutlich geöffnet und das Fahrwerk weicher abgestimmt. Wer jetzt typisch bayrische Fahreigenschaften sucht, muss sich mindestens für das Sportfahrwerk entscheiden. In der Luxury-Line stehen die einstigen Tugenden jedenfalls nicht mehr an erster Stelle. Sanft wird beim Überlaufen von Unebenheiten ausgefedert und auch in schnell gefahrenen Kurven scheint sich der Bayer mehr in die Kehre zu neigen, als man es sonst von ihm gewohnt ist.

Noch mehr Luxus bietet der 5er mit der in Summe nicht ganz billigen Armada an adaptiven Assistenten. Für das sogenannte Innovationspaket verlangt BMW immerhin 4660 Euro. Die für Vielfahrer wohl interessanteste Beigabe dürfte hier der Stauassistent sein. Der arbeitet in einem Bereich von null bis 210 km/h. Ja, das können preiswertere Fahrzeuge anderer Hersteller auch. Allerdings registriert deren Sensorik in der Regel nur das vorausfahrende Fahrzeug. Beim BMW wird auch der übernächste Wagen in die Berechnungen einbezogen. Per Knopfdruck kann der Fahrer die von der Speed Limit Info erkannte Geschwindigkeitsbegrenzung mit einem Toleranzbereich von 15 km/h in die Temporegulierung übernehmen. Wer nun noch, wie im Testwagen, das Navi Professional für 2200 Euro gebucht hat, der kann auch vorausschauend die im weiteren Streckenverlauf gültigen Tempolimits berücksichtigen lassen.

Fingerspitzen bleiben am Lenkrad

Natürlich gibt es auch einen Lenk- und Spurführungsassistenten. Auch der arbeitet in einem Geschwindigkeitsbereich von null bis 210 km/h. Seine Sensorik orientiert sich an den Fahrbahnmarkierungen und ebenfalls am vorausfahrenden Fahrzeug. Ohne den Vordermann schien der Eingriff während der Testfahrten aber nicht immer ganz präzise. In einzelnen Fällen drängte der Bayer stark in Richtung Außenmarkierung. Ob die Linie überfahren worden wäre, wollte der Tester nicht überprüfen, denn dahinter drohten Kantstein und Leitplanke. In anderen Fällen führt der Spurverlassens-Assistent den Wagen mit sanften Einlenkbewegungen akkurat in die Spur zurück oder überholt selbständig bei längerem Drücken des Blinkers. Fakt ist aber, das sich niemand einbilden sollte, die Assistenten seien in der Lage, den Wagen völlig autonom zu steuern. Sicher ist - und das betont auch BMW -, dass das ein Schritt in die Richtung des selbständigen Fahrens ist, aber noch lange nicht der Endpunkt.

Insofern gilt: immer schön die Hände am Lenkrad lassen. Auch wenn die Sensorik im BMW so feinnervig eingestellt ist, dass das Auflegen der Fingerspitzen reicht, um das System vom schnellen Zugriff des Fahrers zu überzeugen. Ebenfalls für mehr Sicherheit sorgt der Kreuzungswarner. Er reagiert mit optischen und akustischen Signalen, wenn die von der Stereokamera erkannten Verkehrszeichen darauf hindeuten, dass der Fahrer die Annäherung an eine vorfahrtsberechtigte Straße übersehen hat. Auch das falsche Einbiegen in Einbahnstraßen, Kreisverkehre oder Autobahnen hat ein Ende, denn die Auswertung von Navigationsdaten verhindert solche Fails zuverlässig.

Das schönste Head-Up-Display von allen

Tatsächlich die Hände vom Lenkrad nimmt, wer den Parkassistenten nutzt. Der schiebt den Bayern ganz allein in Längs- und Querlücken. Gänge wechseln. Lenken und Bremsen übernimmt die Automatik, solange der Finger am Parkknopf ist. Wer es denn doch selber machen möchte, braucht keine Angst vor Kratzern oder Remplern zu haben, denn wer zu dicht auffährt, wird von den Sensoren eingebremst, bevor es kracht. Ein super Feature, das sogar das Schreddern der Felgen an Kantsteinen verhindert, zuweilen aber so sensibel reagiert, dass ein am Boden liegender Kassenzettel nicht mit den Rädern überrollt werden darf.

Auch das Anzeige- und Bedienkonzept wurde im neuen Fünfer überarbeitet. Witzigstes Feature hier ist die Gestensteuerung: Mit einer Kreisbewegung im Uhrzeigersinn kann man zum Beispiel die Musik lauter oder in entgegengesetzter Richtung entsprechend leiser machen. Anrufe werden mit einer Wischbewegung angenommen oder abgelehnt. Allerdings können Befehle jetzt auch über den serienmäßigen 8,8 oder den im Testwagen 10,25 Zoll großen Touchscreen eingegeben werden. Damit hat sich BMW, anders als Mercedes, von der reinen Bedienung über die Druckdrehsteller oder Sprachsteuerung verabschiedet. Und noch etwas hebt den Bayern heraus: Seine um 70 Prozent vergrößerte Projektionsfläche des Head-Up-Displays. Eine solche Wucht in der Scheibe hat bis dato keiner. Hinzu kommen ein vollständiges Farbspektrum und eine brillante Darstellung mit 400 x 800 Pixeln auf der Windschutzscheibe. Der Luxus der Scheibenprojektion ist im Übrigen schon in den oben erwähnten 4660 Euro enthalten.

Noch was in der Hose

Nicht extra zu berappen sind zum Beispiel die vergrößerten Flascheneinschübe in den Seitenfächern der Fronttüren. Hier passen jetzt auch 1,0 Liter fassende PET-Flaschen rein. Ansonsten gibt sich der 5er bei den Stauf- und Ablageflächen eher bedeckt. Klar, da sind das Fach unter der Mittelarmlehne und das Handschuhfach. Schön wäre ein Brillenfach im Dachhimmel. Denn der kleine Einschub vor den Cupholdern ist in der Regel dem induktiv ladenden Smartphone oder dem Autoschlüssel vorbehalten. BMW bietet nämlich für 290 Euro Aufpreis einen sogenannten Display-Schlüssel an. Wie ein stylisches Mini-Smartphone zeigt es auf einem Farbdisplay an, ob die Türen, die Fenster oder das Panorama-Glasdach geschlossen sind. Auch die Reichweite sowie Serviceinformationen sind abrufbar. Mit der Funktion Remote 3D View kann der Fahrer außerdem ein vom System Surround View erzeugtes dreidimensionales Live-Bild seines Fahrzeugs und der Umgebung mittels BMW Connected auf sein Smartphone übertragen lassen.

Das ist alles ganz schick und hip, hat aber den Nachteil, dass neben dem Smartphone, das ohnehin immer am Mann ist, auch noch ein Autoschlüssel mit recht üppigen Ausmaßen herumgetragen werden will. Zumal die Funktionen durchaus auch über eine App auf dem Smartphone funktionieren. Und wer vergisst, seinen Display-Schlüssel zu laden, steht - wie der Autor einmal - ohne schicke Funktionen da, kann aber immerhin noch die Türen öffnen und den Wagen starten. Eigentlich verspricht BMW eine Batterielaufzeit von drei Monaten. Während des Tests war nach einer Woche der Saft aus dem Schlüssel raus.

Fazit: Der BMW 520d Touring ist das was er immer war: ein patenter Langläufer mit allen Attributen, die Freude am Fahren versprechen. Dazu gehört die präzise, aber nicht mehr ganz so straffe Lenkung ebenso wie viele zeitgemäße Assistenzsysteme, die die Fahrt entspannter und komfortabler machen. Sparen kann man beim 520d Touring vor allem auf der Langstrecke. Den Stadtverkehr mag er verbrauchstechnisch nicht und auch in der Anschaffung ist der Bayer kein Schnäppchen. Wer tief in die Optionsliste greift, hat schnell Sonderausstattungen im Wert von 18.773 Euro gekauft.

DATENBLATT BMW 520d Touring
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) 4,94/1,87/1,50 m
Radstand 2,97 m
Leergewicht (DIN) 1730 kg
Sitzplätze 5
Ladevolumen 570 / 1700 Liter
Motor Vierzylinder-Diesel mit 1995 ccm Hubraum
Getriebe 8-Gang-Wandlerautomatik
Systemleistung 140 kW / 190 PS
Kraftstoffart Diesel
Antrieb Heckantrieb
Höchstgeschwindigkeit 225 km/h
Tankvolumen 66 Liter
max. Drehmoment 400 Nm / bei 1750 - 2500 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h 7,8 Sekunden
Normverbrauch (außerorts/innerorts/kombiniert) 4,4 / 4,9 / 4,7 l
Testverbrauch 7,8 l
Effizienzklasse A / EU6
Grundpreis 48.600 Euro
Preis des Testwagens 70.940 Euro

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