Wahnsinn: Linke finden IS gar nicht so gefährlich

  23 September 2015    Gelesen: 714
Wahnsinn: Linke finden IS gar nicht so gefährlich
Ohne Frieden in Syrien kein Ende der Massenflucht nach Europa. Auf diese Formel bringt die UNO die Flüchtlingskrise. Dank russischer Initiative und deutscher Beteiligung kommt endlich Bewegung in die Syrien-Verhandlungen. Die Unterstützung Moskaus im Kampf gegen die Dschihadistentruppe IS sorgt ausgerechnet bei Linke-Politikern für Unruhe.


Die Vereinten Nationen machen die Politik der NATO-Staaten mitverantwortlich für die Massenflucht in die Länder der EU. Der Leiter der vom UN-Menschenrechtsrat berufenen Untersuchungskommission für Syrien, Paulo Sérgio Pinheiro, konstatiert nüchtern: Das Leid, das an Grenzen und Bahnhöfen Europas sichtbar wird, ist auch der »Preis für das Unvermögen, in Syrien Frieden zu schaffen«. Und weiter: »Der Grund für den syrischen Exodus besteht darin, dass dort Zivilisten die Hauptziele der Angriffe durch die verfeindeten Parteien sind.« Solange das so weiter geht, ist ein Ende der Fluchtbewegung nicht absehbar. Der brasilianische Spitzendiplomat appelliert an Russland, die USA und an den UN-Sicherheitsrat, gemeinsam auf eine Lösung zu orientieren.


In der kommenden Woche will der russische Präsident Wladimir Putin auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York eben darauf hinwirken. Im Weltsicherheitsrat arbeiten Moskaus Diplomaten mit Hochdruck an einer Syrien-Entschließung und der Errichtung einer internationalen Allianz im Kampf gegen den IS. In den vergangenen Wochen hat die russische Position, wonach die Führung in Damaskus in den Antiterrorkrieg gegen die Dschihadisten eingebunden werden muss, auch im Westen Unterstützung bekommen.
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat gerade vier Europäer zu Leitern von Arbeitsgruppen ernannt, die eine Lösung des Syrien-Konflikts herbeiführen sollen. Den Teams sollen Vertreter der syrischen Regierung und der Opposition angehören. »Wir hoffen, dass die Ergebnisse der Arbeitsgruppen irgendwann die Grundlage für eine Vereinbarung zur Beendigung des Konflikts bilden können«, gibt sich der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Staffan die Mistura, vorsichtig optimistisch.
Auch Deutschland und die EU unterstützen die Initiative. Der Direktor der regierungsnahen Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, Volker Perthes, soll die Arbeitsgruppe für Militär, Sicherheit und Terrorabwehr leiten.
Im Handelsblatt hat der SWP-Chef gerade erklärt, warum eine »Lösung für Syrien« jetzt möglich ist. Einerseits eröffne das Atomabkommen mit Iran »neue diplomatische Freiräume«, so Perthes. Vor allem nehme aber der Druck zu, eine Lösung für Syrien zu finden. Die Vorstöße des IS wie auch der Flüchtlingsstrom aus Syrien demonstrieren, »was die zynische Option, den Konflikt dort einfach ›ausbluten‹ zu lassen, wirklich bedeutet«.
Terrorgruppierung Islamischer Staat
© AP PHOTO/ LEFTERIS PITARAKIS
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Der militärische Kampf der USA, Russlands und anderer sei »notwendig«, reiche aber nicht aus. »Ohne ein Ende der Kämpfe zwischen dem Regime von Baschar Al-Assad und der bewaffneten syrischen Opposition wird der IS, dessen Kriegsziele weit über Syrien hinausgehen, sich weder zurückdrängen noch besiegen lassen. Im Bürgerkrieg zwischen Regime und Opposition wird es eine militärische Lösung nicht geben: Dafür sind beide Seiten, Regime und bewaffnete Opposition, zu schwach. Das Regime kontrolliert heute weniger als ein Drittel des Territoriums; die Opposition ist fragmentiert; auch die gesellschaftliche Basis beider Seiten ist kriegsmüde.«
Perthes warnt schon einmal vor, »der Weg zu einer politischen Lösung wird allerdings nicht sehr schön sein und auch seinen europäischen Unterstützern gelegentlich schwere politische Bauchschmerzen bereiten.« Syrien brauche einen Waffenstillstand oder eine Serie lokaler Waffenstillstände, um das Töten zu beenden und humanitäre Hilfe zu ermöglichen. Gespräche über die Zukunft des Landes können aber nicht auf einen Waffenstillstand warten«, so der SWP-Direktor. »Vertreter der syrischen Konfliktparteien müssen beginnen miteinander zu reden, auch wenn noch geschossen wird.« Klar sei, so Perthes, der IS selbst »wird kein Teil einer politischen Lösung sein, schon weil er das Zusammenleben mit anderen, die sich seiner totalitären Herrschaft nicht unterordnen, ablehnt«.
Vom IS abgesehen müsse man »mit allen relevanten internationalen, regionalen und lokalen Akteuren, die bereit sind, Teil dieser Lösung zu werden«, reden – »unabhängig davon, wie weit sie bislang noch Teil des Problems sind, ihr geopolitisches Süppchen auf dem syrischen Konflikt gekocht oder das Land in den Krieg getrieben haben.«
»Gesprächsverbote« und »sterile Forderungen« wie »Assad muss weg« werden einen politischen Übergangsprozess »genauso wenig voranbringen, wie ein Kriegseintritt auf Assads Seite dazu beitragen würde, den IS zurückzudrängen«, so Perthes. Wer aber, wenn nicht die syrischen Regierungstruppen – und im Norden des Landes die kurdischen Volksmilizen – dazu in der Lage sein soll, den IS am Boden zurückzudrängen, verrät der SWP-Direktor leider nicht.
Islamischer Staat
© AFP 2015/ TAUSEEF MUSTAFA
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Der Nahost-Experte Michael Lüders, gerade zum Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft gewählt, jedenfalls ist sicher: Im Fall eines Sturzes von Assad wird der IS die Hauptstadt Damaskus einnehmen und Millionen weitere Syrer zur Flucht zwingen. »In dem Küstenstreifen am Mittelmeer, den Assads Armee noch kontrolliert, befinden sich vier Millionen Menschen, die vor dem IS geflohen sind«, so Lüders. Auch die müssten dann außer Landes fliehen.
Ausgerechnet in der Antikriegspartei Die Linke hat sich jetzt eine Spitzenpolitikerin zu Wort gemeldet, die den IS gar nicht so schlimm findet. Die eigentliche Gefahr, der eigentliche Fluchtverursacher in Syrien sei das »Assad-Regime«, erklärt Christine Buchholz, die für Die Linke im Verteidigungsausschuss des Bundestages sitzt und dem Geschäftsführenden Bundesvorstand der Partei angehört.
In einem sechsseitigen Thesenpapier »Syrien, Irak und die Fluchtbewegung« startet die Linke-Bundestagsabgeordnete – zusammen mit Frank Renken vom Linke-Netzwerk »Marx21« – eine IS-Entlastungsoffensive: »Bis Mitte September haben dieses Jahr etwa 380.000 Menschen in Europa um Asyl nachgesucht. Weitere Hunderttausende sind noch nicht registriert oder befinden sich auf dem Weg nach West- und Nordeuropa. Die Hälfte davon stammt aus Syrien. Die Regierungen in Frankreich und Russland nutzen diese Situation, um direkt militärisch in Syrien aktiv zu werden. Sie geben vor, dass die Beteiligung am Krieg gegen den ›Islamischen Staat‹ (IS) helfen würde, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Tatsächlich ist der IS nicht die Hauptursache für die derzeitige Fluchtbewegung von Syrern nach Europa. Die Flucht auf der Route über die Türkei, Griechenland und den Balkan hat eingesetzt, nachdem der IS in Nordsyrien zurückgedrängt wurde.«
Nicht der US-geführte Krieg gegen den Irak hat Al-Qaida und IS im Zweistromland und in der Levante erst zum Leben erweckt, nicht die Milliarden Dollarzuwendungen aus den reichen Golfstaaten haben die militanten Dschihadisten aufmunitioniert, nicht der NATO-Staat Türkei hat Tausende »Freiwillige« aus aller Herren Länder in den Gotteskrieg gegen Syrien passieren lassen: Nein, für die linke Geostrategen liegt die Sache anders. Geburtshelfer des IS war, wer sonst auch, das »Assad-Regime«: »Bereits im Herbst 2011 wurden einige derjenigen aus dem Gefängnis entlassen, die später dschihadistische Gruppen gebildet haben. Auch der IS, der aus Irak kommend seit 2013 in den syrischen Bürgerkrieg intervenierte, wurde und wird vom Regime nicht aktiv angegriffen. Bei den Zielen, die Assads Luftwaffe seit Monaten reichlich ungenau mit Fassbomben attackiert, handelt es sich hauptsächlich um Wohngebiete in Aleppo oder im Umland von Damaskus. Also Gebiete, in denen der IS nie Fuß fassen konnte oder vertrieben wurde.«
Eine »tragfähige Lösung« für Syrien sei mit dem Regime »nicht denkbar«. Und gegen die russische Unterstützung für den Damaszenischen Antiterrorkampf gerichtet, stellen Buchholz und Co. fest: »Eine von außen aufgezwungene Lösung, die das Regime stabilisiert, wird nur weiteren Widerstand hervorrufen, aber auch Terrorakte gegen diese äußeren Mächte.«
Denkt man die Buchholzschen Thesen zu Ende, müsste der IS erst einmal Damaskus von Assad befreien, damit aus den Trümmerstädten in Tausend und einer Nacht blühende Landschaften werden. »Die syrische Revolution hat neben der Befreiung der kurdischen Gebiete und arabischer Orte im Norden und um die Hauptstadt eine Vielzahl an Strömungen und Organisationen hervorgebracht, die im Land und in der Diaspora weiterwirken.« Auf diese »Kräfte am Boden der Gesellschaft« müsse sich »linke Politik« beziehen.
Blöd nur, dass mittlerweile selbst militante Assad-Gegner in Syrien fragen, ob sie nicht doch lieber erst einmal mit der Regierung gegen die Dschihadisten kämpfen.
Um noch einmal den DAG-Chef Michael Lüders zu zitieren: Die Vorstellung, irgendwelche »Basisgruppen« der Zivilgesellschaft würden nach einem »Regime Change« die Macht in Syrien übernehmen, ist »naives Gutmenschendenken«.
Immerhin, zu den »Gutmenschen« lässt sich der Stoßtrupp vom Arbeitskreis »BAK Shalom« in der Linkspartei-Jugend nicht zählen. In ihrem Kriegsappell zum Jahrestag der Anschläge auf die Twin Towers in New York am 11. September danken die linken Neocons den USA »für die Interventionen im Irak und in Afghanistan« – »wir hoffen, dass bald eine in Syrien folgen wird«. Überlegungen, die Kriegstreiber aus der Friedenspartei auszuschließen, sind nicht bekannt.



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