Die Eintrittskarten sind gekauft, die Flüge gebucht, das Hotel gefunden. Wer plant, zur Fußball-WM nach Russland zu reisen, hat sich inzwischen vermutlich um solche grundsätzlichen Dinge gekümmert. Was fehlt auf der Liste? Das Impfen. Das sollte man eher jetzt als gleich angehen, sagt Dr. Frank Mosel, Leiter der Reiseimpfsprechstunde am Uniklinikum in Essen. Zum einen, weil in manchen Fällen mehr als eine Impfung nötig ist, um den Schutz aufzubauen. Zum anderen, weil es durchaus vorkommt, dass der Hausarzt einen Impfstoff nicht vorrätig hat oder er gerade nicht geliefert werden kann.
Der erste Schritt, so Mosel, sollte immer sein: Mit dem Impfausweis zum Arzt gehen, um zu gucken, wo es Lücken gibt. "Impfen ist kein Hexenwerk, das sollte jeder Hausarzt können." Alternativ gibt es in vielen Städten auch spezielle Zentren, die sich auf Reisemedizin konzentrieren und gezielt zu bestimmten Ländern beraten können. Grundsätzlich sollten sich Russland-Reisende nach Einschätzung von Mosel gegen folgende Krankheiten schützen:
Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Kinderlähmung: "Diese Impfung muss in Deutschland eigentlich jeder haben, aber es gibt immer Impflücken", erklärt der Impf-Experte. Wer sicher weiß, dass er die vier Polio-Impfungen im nötigen Abstand bereits hatte, braucht vor der Russland-Reise keine Auffrischung. Da reicht dann eine Tetanus-Diphtherie-Keuchhusten-Kombiimpfung.
Masern, Mumps, Röteln: "Massenveranstaltungen sind prädestiniert für Masernausbrüche", erklärt Mosel. Bei der Fußball-Europameisterschaft in Österreich habe es 2016 zum Beispiel solch einen Ausbruch gegeben, "damals haben die USA Europa als Masern-Risikogebiet eingestuft." Alle Menschen, die nach 1970 geboren sind, sollten in ihrem Leben zweimal gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft worden sein - eine einmalige Impfung reicht nicht, betont der Arzt.
Hepatitis: Eine Hepatitis-A-Impfung ist für alle Russland-Reisenden angeraten, auch wenn die Erkrankung selten gefährlich ist. Anders sieht das bei der deutlich gefährlicheren Hepatitis B aus. Ärzte sprechen davon, dass sie durch "engen Sozialkontakt" übertragen wird. Die Formulierung deckt ein ganzes Spektrum an Situationen ab - von Sex mit jemandem, der an Hepatitis B erkrankt ist, bis zur Unterkunft etwa in einem Gruppenzimmer in einem einfachen Hostel, das vielleicht nicht die besten hygienischen Bedingungen hat. Mit drei Impfungen, so Reisemediziner Mosel, könne ein lebenslanger Impfschutz aufgebaut werden. Es gebe aber auch einen Einzelimpfstoff, mit dem man sich vor der WM-Reise für die Dauer des Aufenthalts in Russland schützen kann.
FSME: Das Kürzel steht für die Frühsommer-Meningoenzephalitis, die von Zecken übertragen wird - also eher ein Thema für diejenigen, die sich auch abseits der WM-Gastgeberstädte in der russischen Natur bewegen wollen. Aber nicht nur, warnt Jens Hermes, der Impfexperte der Betriebskrankenkasse Verkehrsbauunion: Die Regionen zwischen Moskau und St. Petersburg sowie Regionen in Süd- und Ost-Sibirien zählen zu den Hochrisikogebieten, genauso wie Karelien mit seinen Feuchtbiotopen. Bei dieser Impfung ist es besonders wichtig, sich rechtzeitig zu kümmern, denn der Impfschutz wird in zwei Schritten aufgebaut, so Mosel: "Zwischen den beiden Impfungen vor der Abreise sollten mindestens zwei Wochen liegen", als Faustregel gelte: Je kürzer der Abstand, desto kürzer auch die Wirkzeit der Impfung.
Tollwut: Gegen Tollwut kann man sich impfen oder sie im Nachhinein behandeln. Frank Mosel nennt allerdings eine ganze Reihe von Gründen, sich vorab um eine Impfung zu kümmern. Während in russischen Großstädten sicherlich die nötigen Medikamente zur Behandlung nach einem Hundebiss vorhanden sind, sehe es in entlegeneren Regionen schon ganz anders aus. Hinzu kommt die Sprachbarriere - und die Tatsache, dass das nötige Präparat teuer ist und man es als ausländischer Patient oft bar bezahlen muss. Und noch ein Argument führt der Mediziner an: Viele Tollwut-Infektionen entstünden gar nicht in so eindeutigen Situationen wie eben nach einem Tierbiss. "Vielleicht sitzen Sie einfach in einem Biergarten, ein Hund läuft da rum, leckt ihnen die Hand, an der sie eine kleine Wunde haben." Solche "unterschwelligen Kontakte" reichten bereits für eine Ansteckung.
Meningokokken-Meningitis: "Viele Menschen dicht aufeinander, die aus aller Welt angereist sind" - für Frank Mosel eine Situation, in der eine Impfung gegen diese Art der Hirnhautentzündung angeraten ist. Der impfende Arzt kann, da es von der Krankheit verschiedene Typen gibt, den richtigen Impfstoff für Russlandreisende auswählen. "Die Impfung ist weder besonders teuer noch besonders belastend", verspricht Mosel.
Überhaupt die Sache mit den Kosten: Dazu hat der Reisemediziner zum Abschluss noch einen Rat. Nicht jede Krankenkasse übernehme jede Impfung, WM-Reisende sollten sich also vorher bei ihrer Versicherung informieren. "Es gibt Kassen, die bezahlen all diese Impfungen", so Frank Mosel. "Wir haben in Deutschland ja freie Kassenwahl, und wer sich heute kümmert, hat auch noch genug Zeit für einen Wechsel."
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