Die Gefahren durch Trump sind geringer als dargestellt

  18 Mai 2019    Gelesen: 897
Die Gefahren durch Trump sind geringer als dargestellt

Die Aussage Trumps, er wolle keinen Krieg gegen den Iran, überrascht in Deutschland. Das ist bezeichnend. Die Einschätzungen liegen oft daneben.

Seit Tagen liest man in deutschen Medien Kriegswarnung auf Kriegswarnung. In der Summe der Schlagzeilen konnte – musste – man den Eindruck gewinnen, Präsident Donald Trump sei kurz davor, einen Krieg gegen den Iran vom Zaun zu brechen. Nun hat Trump verkündet: Er will keinen Krieg. Und er weist die Mitglieder seiner Regierung an, Vorsicht walten zu lassen, um auch eine unbeabsichtigte Eskalation zu verhindern.

Dies wäre ein guter Anlass für ein wenig Selbstreflexion. Verleitet das Misstrauen gegen Trump, für das es ja gute Gründe gibt und für das er immer wieder neue Anlässe bietet, zu Narrativen, die, erstens, voreilig sind? Und die, zweitens, in der Regel nur einen Schuldigen für Spannungen kennen: Donald Trump?

Gründe zur kritischen Überprüfung, welche Erwartungen die Berichterstattung weckt und inwieweit sie berechtigt sind, gibt es nicht nur mit Blick auf den Iran, sondern auch mit Blick auf mögliche Strafzölle gegen europäische Autobauer. Mitte Februar, in den Tagen um die Münchner Sicherheitskonferenz, schilderten die meisten deutschen Medien die Lage so, als werde Trump in der Woche nach der Konferenz diese Strafzölle verhängen. Wer damals mit Insidern sprach, die man freilich wegen ihrer Rollen hinter den Kulissen nicht namentlich zitieren durfte, hörte von ihnen, dass dies unwahrscheinlich sei.

Die Zölle lassen weiter auf sich warten. Und Trump hat das Zeitfenster für Verhandlungen gerade wieder um sechs Monate verlängert. Löst das Erleichterung aus? Nein. Trumps Entscheidung, jetzt keine Strafzölle gegen Europa zu verhängen, sei nicht Deeskalation, sondern Erpressung, urteilt Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament. Diese Logik verstehe, wer will. Erst warnt man vor Strafzöllen. Und wenn sie dann nicht kommen, ist das auch wieder schlecht?

In dieser Psychologie steckt das eigentliche Problem. Warum irren Medien so häufig mit ihren Prognosen, was Trump tun oder nicht tun wird? Das liegt natürlich, erstens, an Trump. Der macht die Unberechenbarkeit zum Prinzip. Er meint, das verschaffe ihm mehr Druckpotenzial und zugleich mehr Flexibilität.

Der zweite Grund sind "wir" – die deutschen Medien, die deutsche Öffentlichkeit. Diese Öffentlichkeit hat sich auf das Narrativ vom bösen Trump, dem Unruhestifter und Kriegstreiber, in einer Weise festgelegt, das zu Fehlprognosen verleitet. Wird überhaupt noch der Gedanke zugelassen, dass die Konflikte um den Iran, um Venezuela, um Nordkorea, um den Handel mit China und Europa auch glimpflich ausgehen könnten?

Das Muster der Einseitigkeit zeigt sich erneut im Verlauf der Erzählung vom drohenden Iran-Krieg. Auch da wiesen Experten wie Norbert Röttgen, der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses im Bundestag, immer wieder darauf hin, dass weder die USA noch der Iran Interessen an einem Krieghaben. Im Übrigen hatte der Iran den Europäern 60 Tage Frist gegeben, um eine Lösung zu finden, wie der Iran und die EU ihre Teile des Atomdeals einhalten – Stop des Atomprogramms gegen Lockerung der Sanktionen –, nachdem die USA von dem Abkommen zurückgetreten sind und die Sanktionen verschärften.

Warum dringen die ruhigen Analytiker nicht durch? Warum gewannen die Warnungen vor der Gefahr einer beabsichtigten oder unbeabsichtigten Eskalation die Oberhand? Auch die haben natürlich ihre Gründe: die Drohungen aus den USA und dem Iran, der Aufbau von Drohkulissen mit der US-Ankündigung, die Entsendung von US-Militär vorzubereiten sowie iranischen Drohungen, US-Installationen im Irak anzugreifen und den Schiffsverkehr in der Straße von Hormuz zu stören. Aber war es zwingend, die Warnungen vor Krieg höher zu gewichten als die Analysen, warum diese Eskalation jedenfalls in den nächsten zwei Monaten unwahrscheinlich ist?

Und wenn es stimmt, dass die unmittelbare Kriegsgefahr gar nicht so groß ist und ein Zeitfenster für Deeskalation durch Diplomatie bleibt – warum rückte diese Option nicht in den Mittelpunkt: Was können und müssen die Europäer nun mit vereinten Kräften tun, um das Zeitfenster für einen glimpflichen Ausgang zu nutzen? Briten, Franzosen und Deutsche hatten das Abkommen von 2015 verhandelt, die USA traten erst später bei. Und sie wandten sich unter Trump wieder ab.

tagesspiegel


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