Vor ein paar Tagen organisierten die Klimaaktivisten der Gruppe »Sunrise« eine Protestkundgebung in New York. Der Adressat ihrer Empörung: Joe Biden, genauer gesagt dessen Personalpolitik.
Die Umweltschützer wollten die Berufung von Brian Deese zum wirtschaftspolitischen Chefberater des künftigen US-Präsidenten verhindern. Denn Deese arbeitet beim mächtigen Finanzkonzern BlackRock, dem die Aktivisten das Bekenntnis zum Kampf gegen den Klimawandel nicht abnehmen.
Twitter-Fotos zeigen eine Handvoll Menschen, die sich vor der Zentrale des Unternehmens in Manhattan versammelt hatten und ein Schild mit der Aufschrift »Biden sag nein!« hochhielten.
Der kleine Protestaufzug blieb wirkungslos. Biden hat Deese auf den Chefposten des National Economic Council (NEC) berufen.
Der 42-Jährige, der bei BlackRock die Abteilung für nachhaltige Investitionen leitet, hat wie viele in Bidens künftigem Machtorbit seine politische Karriere in der Obama-Administration begonnen.
Wenn er demnächst seine persönlichen Sachen in einen Karton packt, um in ein Regierungsbüro in Washington umzuziehen, wird er dort auf einen alten Bekannten stoßen: Adewale »Wally« Adeyemo, den in Nigeria geborenen 39-jährigen künftigen Vize-Finanzminister. Auch er ein Obama-Alumnus. Und ein früherer BlackRock-Topmanager.
Dass der größte Vermögensverwalter der Welt sich als Karriereschmiede für die Biden-Administration entpuppt, stößt den Parteilinken sauer auf. Für die Progressiven hat sich der Wahlsieg des Demokraten bislang nicht ausgezahlt, jedenfalls nicht personell.
Die bisher von Biden nominierten Minister und hochrangigen Mitarbeiter eint, dass sie Erfahrung mitbringen und eher in der Mitte als weit links stehen. Die Galionsfiguren der Linken, allen voran Elizabeth Warren und Bernie Sanders, müssen fürchten, auf dem Abstellgleis zu landen.
Die Bernie-Fans – und er selbst – haben sich Hoffnungen auf das Arbeitsministerium gemacht. Doch Biden hat durchblicken lassen, dass daraus nichts wird. Einen Demokraten aus dem Senat abzuziehen, wäre angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse »eine wirklich schwierige Entscheidung«, erklärte er. »Ich habe eine sehr ehrgeizige, sehr progressive Agenda. Und wir brauchen wirklich starke Führungspersönlichkeiten im Repräsentantenhaus und Senat, um diese umzusetzen.« Eine Schmeichelei, deren Botschaft ist: Vergesst es.
Das Grummeln auf der Linken ist derweil deutlich vernehmbar. So nannte etwa der frühere Sanders-Berater und Journalist David Sirota die Nominierung der Clinton-Vertrauten und Chefin des liberalen »Center for American Progress«, Neera Tanden, eine »totale Peinlichkeit«.
Linke nicht auf die Barrikaden bringen, Republikaner einlullen
Die 50-Jährige, die an die Spitze der Haushaltsbehörde Office of Management and Budget (OMB) rücken soll, hatte einst Einsparungen in der Rentenversicherung angesichts einer steigenden Staatsverschuldung nicht kategorisch ausgeschlossen. Tanden verkörpere die »servile Kultur« des liberalen Hauptstadt-Establishments, »die dazu beigetragen hat, diese furchtbare Ära zu schaffen«, schimpft Sirota.
Ein echter Aufstand jedoch ist vorläufig ausgeblieben. Bislang hat Biden die Gratwanderung einer Personalpolitik bewältigt, die dazu dient, die Linke nicht auf die Barrikaden zu bringen und die Republikaner zumindest ein bisschen einzulullen.
spiegel
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