Mercedes EQA - das Imperium stromert jetzt

  03 März 2021    Gelesen: 655
  Mercedes EQA - das Imperium stromert jetzt

Immer mehr Elektroautos der etablierten Hersteller drängen auf den Markt. Auch Mercedes bietet jetzt mit dem EQA ein kompaktes SUV mit E-Antrieb an, das dank Umweltprämie sogar erschwinglich wird. Wie es sich fährt und ob es sich lohnt, hier zu investieren, wollte ntv.de bei einer Probefahrt herausfinden.

Wenn Hersteller wie Mercedes, ob verordnet oder freiwillig, die E-Mobilität für sich entdecken, möchte man als Autor gerne das Bild vom zurückschlagenden Imperium bemühen. Wenn also Tesla der Rebell ist, dann wären die etablierten Autobauer das Imperium, allen voran ein Premiumhersteller wie Mercedes. Und tatsächlich kann man auch den Stuttgartern testieren, dass sie nicht nur schnell lernen, sondern vor allem von dem profitieren, was sie am Besten können: Autos bauen.

Während also das Elektro-SUV in Form des EQC sich am Markt nicht so etablieren konnte, wie sich das die Schwaben vielleicht gewünscht hätten, könnte der jetzt ins Rennen geschickte kleine Bruder mit dem Kürzel EQA da schon bessere Chancen haben. Das dürfte auch am Preis liegen, denn der EQA 250 kostet ohne Umweltbonus 47.540 Euro. Zieht man jetzt die 6000 Euro vom Staat und die 3000 Euro vom Hersteller ab, steht unterm Strich die Summe von 38.540 Euro. Dafür gibt es, und das dürfte bei einem E-Auto momentan das Wichtigste sein, eine Datenblattreichweite nach WLTP-Zyklus von 426 Kilometern.

Sehr ordentliche Verbrauchswerte

Dafür, dass diese Strecke zurückgelegt werden kann, sorgt ein Akku, der mit einem nutzbaren Energieinhalt von 66,5 kWh einen Asynchronmotor antreibt, der 190 PS leistet und ein maximales Drehmoment von 375 Newtonmetern zur Verfügung stellt. Den kombinierten Verbrauch gibt Mercedes nach WLTP ermittelt mit 17,7 kWh über 100 Kilometer an. Nun können die Werte an dieser Stelle dank einer Testfahrt gleich mal in die Realität gerückt werden. Zum einen vermeldete der zu 95 Prozent geladene Akku eine mögliche Maximalreichweite von 354 Kilometern, zum anderen wurden nach 85 Kilometern Fahrt eine verbleibende Strecke von 262 Kilometern angeboten und ein Verbrauch von 20,4 kWh durch den Bordcomputer vermeldet.

Allerdings soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Autor über diese 85 Kilometer auch getestet hat, ob der EQA 250 tatsächlich in 8,9 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 beschleunigt und ob er tatsächlich 160 km/h schnell werden kann. Beides lässt sich an dieser Stelle bestätigen. Zudem wurde die Fahrt ohne maßgebliche Selbstbeschränkung durchgeführt. Was nichts anderes heißt, als dass beim Fahren kein E-Auto-Bonus mit Rücksicht auf die Batterie gemacht wurde. Der Stromer wurde genauso bewegt wie ein herkömmlicher Verbrenner. Wissentlich, dass man am Ende nicht gezwungen ist, an einem öffentlichen AC-Lader, wenn der Akku leer ist, geschlagene fünf Stunden und 45 Minuten warten zu müssen, bis die volle Kapazität in die Batterie zurückgekehrt ist. Schneller geht es natürlich an einer Schnellladestation. Hier braucht es bei einer Versorgungsspannung von 400 Volt lediglich 30 Minuten, um den Akku von 10 auf 80 Prozent zu laden.

Sportlich und geräuschlos

Mehr Zeit als beim herkömmlichen Tanken wird man also auch bei einem Mercedes EQA 250 einplanen müssen. Dafür profitiert der Stromer beim Fahren von den schon erwähnten über 100 Jahren Autobauererfahrung. Der EQA fährt sich tatsächlich ohne jeden Abstrich wie ein Mercedes. Die Lenkung ist bis in die letzte Drehung absolut präzise, liefert einen ausgezeichnete Rückmeldung über die Straße und das Fahrwerk ist in der Lage, das zusätzliche Gewicht des Akkus, der zwischen den Achsen hängt, auf das Vortrefflichste zu verbergen. Wen es überkommt und wer aus purer Freude das Fahrprogramm Sport wählt, wird überrascht sein, wie spürbar die Leistung nach oben schießt. Die Gaspedalkennlinie wird richtig spitz und das kompakt SUV lässt in Gänze den Sportler heraushängen. Wer will, kann hier die Rekuperation über die Schaltwippen am Lenkrad in der Einstellung D - - statt des Bremspedals benutzen. Statt also hart mit dem Pedal in die Kurve zu bremsen, nutzt man den One-Pedal-Drive dafür. Was für ein Spaß, bei dem gleichsam mit maximal 140 kW Energie für den Akku gesammelt wird.

Wer hier vergisst, dass er in einem Elektroauto sitzt, der könnte sich fast in einem Geschwindigkeitsrausch fahren. Na ja, jedenfalls auf der Landstraße, wo der EQA ganz famos durch die Kurven wuselt. Da der EQA wie sein Basislieferant, der GLA, per se aber kein Sportwagen ist, hat man Stuttgart noch auf einige andere Beigaben geachtet, die ebenso Benz-Like sind wie die Dynamik: den Luxus. Der besteht darin, dass die Ingenieure anders als bei anderen Elektroautos peinlichst darauf geachtet haben, dass der E-Motor nicht das leiseste Geräusch in den Innenraum überträgt. Denn ganz geräuschlos sind auch diese Motoren nicht. Vor allem die hochfrequenten Töne kommen hier stärker zum Tragen. Deshalb wurden der Vorderachs- als auch der Hinterachsantrieb mehrfach entkoppelt. Dafür wurden der Tragrahmen an der Vorderachse, der Fahrschemel an der Hinterachse und selbst die Gummilager weiter optimiert.

Selbst bei den Nebenaggregaten wurde penibel auf den Geräusch- und Schwingungskomfort geachtet. Selbst der Klimakompressor wurde zusammen mit dem vorderen E-Motor durch Gummimetallelemente vom Tragrahmen entkoppelt, damit die Übertragung des Körperschalls minimiert wird. Das alles sorgt im Zusammenspiel mit den ebenfalls ingenieurtechnisch reduzierten Rollgeräuschen für eine ungeahnte Ruhe im Innenraum des EQA. Für Mercedes gehört die Stille beim Fahren mit dem E-Auto tatsächlich zum Luxus. Deshalb haben die Stuttgarter auch komplett auf eine künstlich konstruierte Klangkulisse verzichtet, wie sie andere Hersteller in ihren E-Autos anbieten, um dem Fahrer das Gefühl zu geben, doch mit einem Verbrenner oder gar mit einem Raumschiff unterwegs zu sein. Was besser ist, möge jeder für sich entscheiden. Dem Autor kam die Entkopplung von allen Geräuschen eher entgegen.

Etwas kleinerer Kofferraum

Im Innenraum müssen die Insassen im Vergleich mit dem GLA keine Abstriche machen. Die Sitzposition des Fahrers ist ebenso hoch und der Blick fällt auf die gleiche Instrumententafel. Dem Fahrer stellt ein entweder ein 7-Zoll- oder 10,25-Zoll-Display die essenziellen Fahrinformationen zur Verfügung. Daneben der größere Widescreen mit ebenfalls 10,25 Zoll Bilddiagonale, der neben dem Navi auch alle weiteren Multimediaelemente, das MBUX und die Fahrzeugeinstellungen beherbergt. Auch bei den Assistenzsystemen muss der EQA-Fahrer keine Abstriche machen, wenn er denn die zusätzlichen Investitionen leisten kann und will. In dem Fall stehen ihm hier nicht nur ein aktiver Abstandsradar und ein ebensolcher Lenk-Assistent zur Verfügung, sondern auch ein aktiver Geschwindigkeitslimiter und eine Verkehrszeichenerkennung, die alle im Zusammenspiel mit dem Navi für eine maximale Reichweite und die optimale Berechnung von Ladepunkten auf der Langstrecke sorgen sollen.

Wie bei allen Elektroautos lässt die sich bei einem Kofferraum, der zwischen 340 und 1320 Liter fasst, mit etwas Geschick beim Beladen auch mit der Familie abspulen. Allerdings hat der EQA im Gepäckabteil im Vergleich mit dem GLA knapp 100 Liter Stauraum eingebüßt. Dafür sitzen Reisende in der zweiten Reihe ganz ordentlich und müssen hier dem GLA nicht nachtrauern. Denn die Maße im Innenraum sind nahezu identisch.

Resümierend wird an dieser Stelle nicht gesagt, dass der EQA ein Tesla-Killer ist. Er ist aber tatsächlich eine luxuriöse Alternative, die vor allem fahrtechnisch viel zu bieten hat. Wer also, noch bevor Mercedes mit den rein auf einer Elektroplattform aufsetzenden Stromern ins Rennen geht, seinen Frieden mit der E-Mobilität machen möchte, der kann den Stuttgarter Stromer im kompakten SUV-Format durchaus in die engere Wahl und zu einer Probefahrt bitten, um sich am Ende selber ein Bild zu machen.

Quelle: ntv.de


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