Das Super-League-Beben scheint bis auf letzte Zuckungen der Hardliner vorerst überstanden, aber die Brennpunkte im europäischen Fußball bleiben - nun rückt die "neue" Champions League wieder in den Fokus der Kritiker. Bislang hatte das Theater um das Kommerzprojekt der Superreichen die Schattenseiten der beschlossenen Königsklassen-Reform überlagert, doch auch der Widerstand gegen das vermeintlich geringere Übel aus dem Hause der Europäischen Fußball-Union (UEFA) wächst weiter.
"FIFA, UEFA und die Nationalverbände sind nicht die Heilsbringer des Fußballs, die ihn vor dem Untergang gerettet haben", monieren neun Fanverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme. Der "faule Kompromiss" der ab 2024 greifenden Champions-League-Reform werde als "Rettung des Fußballs" verkauft. Frei nach dem Motto: "Schluckt diese Pille, denn sonst gründen sie dieses Mal wirklich eine Super League", kritisieren die Fanbündnisse.
Dass das Thema Super League für einige hartgesottene Verfechter wohl doch noch nicht ganz vom Tisch ist, dürfte der UEFA deshalb in die Karten spielen. Weitere Ablenkung vom eigenen, ebenfalls kommerzorientierten, Produkt schadet sicher nicht.
Das Projekt Super League sei lediglich auf "Stand-by", sagte Real Madrids Präsident Florentino Perez dem Radiosender Cadena Ser und zündete damit ein weiteres Strohfeuer rund um die "Phantomliga der Reichen" (UEFA-Präsident Aleksander Ceferin).
"Das ist pure Heuchelei"
Man werde die Pläne "auf jeden Fall" weiterverfolgen, "Wir arbeiten daran. Es wird etwas herauskommen, von dem die Welt denkt, dass es das Beste ist." Die UEFA habe "eine Show hingelegt", fügte Perez hinzu: "Sie haben es so aussehen lassen, als hätten wir eine Atombombe abgeworfen. Es schien orchestriert." Mit Erfolg, denn das eigene fragwürdige Gebaren verkam so zwischenzeitlich zur Nebensache.
"Dass ausgerechnet UEFA und FIFA die kommerziellen Interessen hinter dieser Liga verurteilt haben, das ist doch pure Heuchelei", sagte der renommierte Spielerberater Volker Struth dem Kölner "Express". Denn die neue Champions League wirkt da kaum besser. 36 statt 32 Teams, insgesamt 225 statt 125 Partien - mehr Spiele bringen eben mehr Geld.
Das neue Schweizer Modell sei "ein Scheißdreck hoch zehn. Das kann doch auch niemand ernst nehmen", sagte der ehemalige Nationalspieler Markus Babbel im Interview mit Spox und Goal. Vor allem steht auch das Qualifikationsprozedere in der Kritik. Denn zwei der zusätzlichen Startplätze werden anhand einer Fünf-Jahres-Rangliste der Klubs vergeben. Bei Platz fünf bis sieben in der nationalen Liga gibt es so für die Big Player immer noch einen Rettungsanker.
Die finanzkräftigen internationalen Zugpferde hat die UEFA damit wohl immer an Bord, ohnehin kommen die Änderungen hauptsächlich den großen Klubs entgegen. Selbst der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball-Liga (DFL) sprachen in einem gemeinsamen Statement von einem "schmerzhaften Kompromiss".
"Man darf sich nicht blenden lassen, dass diese Champions-League-Reform eine Errungenschaft ist", sagte Helen Breit, Vorsitzende des Fanbündnisses "Unsere Kurve", dem SID: "Aus unserer Sicht muss die Reform der Europapokalwettbewerbe komplett zurückgenommen werden." Die Proteste dürften in den kommenden Wochen nochmal Fahrt aufnehmen.
Quelle: ntv.de, tsi/sid
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