"Er ist nicht der Trainersohn, er ist Marton Dardai." Darauf besteht Herthas Trainer Pal Dardai. Vehement. Genau dann nämlich, wenn der Fußballcoach hinter dem Begriff mehr vermutet als die reine Beschreibung des sachlichen Verhältnisses, dass der Trainer einen Sohn in seinem Kader hat. Denn so ist es nun halt einmal beim Fußball-Bundesligisten. Schon zum zweiten Mal. Nach Palko Dardai spielt jetzt Marton Dardai in der Liga. Er ist ein echter Lichtblick im tristen Abstiegskampf.
Und das eben nicht, weil er der "Trainersohn" ist. "Ich verstehe euch nicht. Warum diskutieren wir immer noch darüber? Das ist Quatsch. Er soll Aufmerksamkeit kriegen, wenn er gut spielt", wetterte Dardai senior Ende März bei Sky. "Da sehe ich schon wieder, was da alles kommt. Ich habe 100-mal gebettelt. Und ihr fangt wieder mit dem Thema an. Es wird davon nicht besser, dass wir 100-mal Trainersohn sagen. Sowas gibt's nur in Deutschland, vom Trainersohn zu sprechen."
Der "Trainersohn" ist vielmehr einfach ein talentierter Verteidiger. Das bewies er zuletzt im wichtigen Spiel im Abstiegskampf gegen den 1. FSV Mainz 05 (1:1), der ersten Partie nach der Corona-Quarantäne. Marton Dardai holte seinen ersten Scorerpunkt, er hatte per Freistoß den Hertha-Treffer von Lucas Tousart aufgelegt. Seine Passquote lag bei 74 Prozent, seine Laufleistung betrug 10,65 Kilometer. Auch ansonsten bewies er seine gute Form, agierte als Stabilisator der Defensive souverän und abgeklärt. Die Umstellung auf das 3-4-3-System hat die Hertha defensiv etwas stabilisiert - Dardai ist auf links ein fester Part dieser taktischen Aufstellung.
Er gehört zu denen, die Mitspieler Sami Khedira in die Pflicht nimmt, aber auch lobt, wenn er nach dem Mainz-Spiel sagt: "Unsere Leistung hat gezeigt, dass noch nicht alles richtig rund läuft, aber dass wir als Team kämpfen." Abstiegskampf klappe nur zusammen, wenn "eine Familie auf dem Platz steht, ein Teamgeist herrscht und jeder für jeden kämpft. Das hatten wir nicht immer, aber unsere junge Mannschaft hat sich entwickelt und ist sich dessen immer bewusster geworden."
Torunarigha verdrängt
Marton Dardai hat sich in nur sieben Partien festgespielt, sodass der 19-Jährige wohl nicht so fix wie sein drei Jahre älterer Bruder aus der Mannschaft wegzudenken ist. Sein Bundesliga-Debüt gab er am siebten Spieltag dieser Saison beim 3:0-Sieg gegen den FC Augsburg. Damals konnte es noch gar keine Andeutung des "Trainersohns" geben, denn Bruno Labbadia war der Chefcoach der Berliner. Der Vater aber war es, der Dardai zum ersten Mal in die Startelf beorderte - am 22. Spieltag gegen RB Leipzig. Seitdem ist der Verteidiger Stammspieler und war in 622 von 630 für ihn möglichen Bundesligaminuten dabei.
Ausgerechnet im Stadt-Derby gegen den 1. FC Union Berlin (1:1) fehlte er wegen einer Innenbanddehnung im Knie. Diese Partie war dann auch die erste, in der Pal Dardai Jordan Torunarigha über die komplette Spielzeit aufs Feld brachte. Eben jenen im letzten Jahr so hochgelobten Verteidiger, den viele schon auf dem Weg in die Nationalmannschaft sahen, dem Dardai nun aber den Rang abgelaufen hat. Torunarigha laborierte im Februar und März an einer Hüftverletzung, doch auch anschließend hat Marton Dardai den Vorzug erhalten. Der junge Ungar setzt den zwei Jahre älteren Konkurrenten gehörig unter Druck. Omar Alderete ist schon gänzlich kein Thema mehr.
Trainer Dardai lobte kürzlich: "Bei den Zehn-Meter-Sprints ist er unter den Top Ten bei Hertha. Er läuft auch 30 Meter unter vier Sekunden. Und seine langen Bälle sind eine Waffe. Das sind nicht irgendwelche Bälle. Die gehen dahin, wo sie hin sollen und mit Schärfe." Ein 19-Jähriger mit Talent also. Das schlägt sich auch im Marktwert nieder. Lag der laut transfermarkt.de vor seinem ersten Startelfeinsatz bei 700.000 Euro, ist er mittlerweile auf drei Millionen Euro gestiegen. Verbessern kann sich der 19-Jährige noch im Kopfballspiel, mit 1,88 Meter bringt er eine gute Größe mit und ist zudem zwar jugendlich schmal, aber robust und zweikampfstark. Beim 3:0-Sieg über Leverkusen steht für ihn eine Zweikampfquote von 75 Prozent zu Buche.
Erst Abi, dann Profivertrag
Interims-Sportdirektor Arne Friedrich betonte zuletzt: "Wir sind sehr zufrieden mit seiner Entwicklung." So zufrieden offenbar, dass Hertha den Verteidiger, der aus dem eigenen Nachwuchs stammt, länger an sich binden will. Mit einer Priorität: Erst absolviert Marton Dardai seine Abiturprüfungen, dann gibt es die Verhandlungen. Und diesmal spricht wohl der Vater, wenn Pal Dardai sagt: "Marton ist ein fleißiger und sehr ehrgeiziger Junge." Dessen bisheriger Vertrag läuft bis 2022, ein neuer soll mindestens weitere drei Jahre datiert sein. "Ich saß mit ihm schon zusammen", sagte Friedrich laut "Berliner Zeitung". "Wir wollen junge Spieler, die Leistung zeigen, bestmöglich an unseren Verein binden." Für Marton Dardai eine gute Aussicht auf seinen ersten Profivertrag.
Dann hätte sich für ihn jeder Extrakilometer, jede Extraminute Training ausgezahlt. Denn Pal Dardai erklärte rund um die "Trainersohn"-Aufregung auch: "Eigentlich ist es für die Kinder immer die Arschkarte. Sie müssen alles doppelt machen, damit sie überhaupt spielen." Anders als der älteste Dardai-Sohn, Palko, der sich nicht in Berlin durchsetzen konnte und zu Beginn der Saison nach Ungarn zu Fehevar FC wechselte, scheint Marton Dardai eine echte Zukunft in Berlin zu haben. In welcher Liga, ist dabei eine Frage, die es in zwei Nachholspielen gegen den SC Freiburg (18.30 Uhr im ntv.de-Liveticker) und den FC Schalke sowie drei verbleibenden regulären Partien gegen Arminia Bielefeld, den 1. FC Köln sowie die TSG Hoffenheim zu klären gilt.
Mit diesem Restprogramm spielt Hertha noch gegen drei direkte Klubs, die ebenfalls unten drinstehen. Schalke steht als Absteiger bereits fest, doch an Köln und Bielefeld könnte Hertha mit Erfolgen vorbeiziehen, haben sie doch noch die zwei Spiele mehr zu absolvieren. Aus den vergangenen vier Partien sammelte Hertha sechs Punkte, zuletzt gab es drei Unentschieden. Das Remis gegen Mainz machte dem Trainer jedenfalls Hoffnung. Es sei mehr als er erwartet habe, sagte Dardai bei Sky.
Vor der Partie hatte er vorgegeben: "Vier Punkte aus drei Spielen - das ist machbar und das Minimum." Der erste Schritt zum Klassenerhalt ist laut dieser Rechnung getan. Doch weniger stressig wird es deswegen nicht. Abstiegskampf, Abi-Stress, Vertragsgespräche - auf Marton Dardai kommt noch mehr zu als auf seine Teamkollegen. Und das liegt nicht daran, dass er der "Trainersohn" ist.
Quelle: ntv.de
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