“Wir haben nicht mehr Sex als andere“

  19 März 2016    Gelesen: 761
“Wir haben nicht mehr Sex als andere“
Die Franzosen haben Sinn für Humor, Familie und l`Amour - auf jeden Fall aber wirkt "Lolo - Drei ist einer zu viel" tatsächlich wie aus dem Leben gegriffen: Ein Mama-Söhnchen, das seiner Mutter die neue Liebe nicht gönnt, ist die Pest.
Kinder sind was Schönes, unbestritten. Selbst, wenn sie einen noch so nerven, ärgern, teuer sind, Kühlschränke leer und Haare vom Kopf fressen - Eltern lieben ihr Kind. Meist geht es in Filmen heutzutage - wenn von Müttern und Vätern und Kindern die Rede ist - darum, ob man überhaupt welche bekommen sollte. Oder kann. Wenn früher das Happy-End im Film nach der Hochzeit war, dann ist es heute die Variante "Paar bekommt Kind". Keiner setzt sich aber allzu gerne damit auseinander, was passiert, wenn die liebe Brut älter wird, wenn die Beziehung der Eltern gescheitert ist und alle sich neu sortieren müssen.

Beziehungsfilm-Expertin Julie Delpy jedoch kennt keine Tabus: Die heute 46-Jährige hat mit Ethan Hawke alles von "Before Sunrise" über "Before Sunset" bis hin zu "Before Midnight" durchgemacht, auch "Zwei Tage in Paris" und "Zwei Tage in New York" haben sie in Sachen Beziehungsexpertise garantiert weitergebracht. Und auch ihre Einstellung: "Sex ist okay, aber es geht im Leben nur um Liebe" machen sie zu einer ausgesprochenen Fachfrau - einer, die übrigens unglaublich beruhigend auf die restlichen Europäerinnen wirkt: "Französinnen haben auch nicht mehr Sex als andere, sie reden nur mehr darüber!" Ihre amerikanischen Freundinnen hätten sicher 40 Mal so viele Liebhaber wie sie, sie reden eben nur nicht offen darüber, plauderte Delpy aus dem Nähkästchen. Sie selbst hingegen spreche über jeden einzelnen Lover, mache sogar Witze über Affären. Wenn sie dann aber so weit ist, dann geht sie erstmal in die Küche, und nicht ins Bett: "Kochen ist wie Liebe. Wenn ich für jemanden koche, dann liebe ich ihn und möchte ihn glücklich machen".

In ihrem neuen Film "Lolo" ist Kochen nicht so unbedingt ihr Ding, denn ihre Filmfigur Violette hat eigentlich keine Zeit dafür. Sie ist alleinerziehend, wenn man das so nennen kann, denn ihr Sohn ist aus dem erziehungstechnisch relevanten Alter eigentlich schon längst raus. Er wohnt aber gern im Hotel Mama, dort ist es warm, es gibt Essen und Geld und wenn man will auch ein bisschen Kuscheln. Nix Dolles jetzt, aber Ödipus lässt schon ein bisschen grüßen.

Die Schöne und der Nerd

Und darum geht es: Über-Mama Violette reißt sich seit Jahren den Allerwertesten für ihren verzogenen, psychopathischen (davon merkt sie jedoch nichts!) Sohnemann auf. Als sie sich endlich ein paar Tage Auszeit mit ihren besten Freundinnen in Südfrankreich gönnt, läuft ihr dort Jean-René (Dany Boon, "Willkommen bei den Sch`tis") über den Weg - und sie verliebt sich. Hals über Kopf. Und das, obwohl er so gar nicht zu ihr passt. Violette liebt ihr Leben in Paris und ihren Job in der Modebranche, Jean-René dagegen ist ein nerdiger Informatiker und scheint nicht viel mehr von der Welt gesehen zu haben als die Provinz und seinen Computer. Doch sie ist schon so lange ohne Mann, und selbst ihre Freundinnen raten ihr, es mit ihm zu probieren - was also spricht gegen einen Urlaubsflirt?

Überraschenderweise läuft es so gut zwischen den beiden, dass Jean-René noch vor Jahresende nach Paris zieht. Das junge Glück könnte perfekt sein - wäre da nicht: Lolo (Vincent Lacoste), Violettes 19-jähriger Sohn. Denn der denkt gar nicht daran, sie mit einem anderen zu teilen. Und tut nun alles dafür, um Violettes Neuen ins schlechte Licht zu rücken, um ihn loszuwerden. Und tatsächlich, während Jean-René nicht ahnt, wie ihm geschieht und von einem Fettnäpfchen ins nächste tritt, werden Violettes Zweifel an ihrer Entscheidung immer größer. Lolo ist wahrlich ein Meister seines Fachs, doch Jean-René erweist sich als überraschend standhafter Gegner, der den Kampf um Violettes Herz so würdevoll aufnimmt, wie eine Frau es sich nur wünschen kann.

Nicht unerwähnt bleiben soll Violettes beste Freundin Ariane (Karin Viard), die ihr Herz auf der Zunge trägt und den absurden Momenten des Lebens immer mit dem passenden Spruch auf den Lippen begegnet. Karl Lagerfeld hat einen Gastauftritt, der wahrlich zu den besseren Gastauftritten der Filmgeschichte gerechnet werden kann, wenn man sich schon selbst spielen muss.

Mit screwballartigem Humor und Sinn für Slapstick und pointierten Dialogen liefert Julie Delpy in dreifacher Funktion - Drehbuch, Regie, Hauptrolle - eine Romantic Comedy, die mit viel Witz und Komik von dem gigantischen Chaos erzählt, das entstehen kann, wenn sich eine Forty-something-Frau in einen unerwarteten Mr. Right verliebt.

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