„Wie die Indianer“ – Artenvielfalt in den letzten Zügen?

  15 September 2018    Gelesen: 1117
„Wie die Indianer“ – Artenvielfalt in den letzten Zügen?

„Die Beobachtung von ganzen lebenden Tieren weicht der Mikrobiologie, der Genetik, der Hormonbiologie und der Enzymforschung.“ Das kritisiert Helmut Höge in seinem Buch „Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung“. Der Journalist und Biologe zeigt gleichzeitig, wie es anders gehen kann.

„Die Texte in diesem Band sind ja nur eine Auswahl von Vielen“, erklärt der Autor Helmut Höge im Sputnik-Interview. „Ich habe sie nach den ernsten Erforschern beziehungsweise nach meinen Lieblingswissenschaftlern ausgewählt. Die werden darin erwähnt. Meistens sind das Frauen, Verhaltensforscherinnen, die sich jahrzehntelang oder ihr Leben lang einem Tier widmen.“

Von Ameisen bis Zitteraalen
31 Geschichten mit Titeln wie „Paviane“, „Regenwürmer“, aber auch „Berauschen“ und „Riechen“ sind so in Höges Buch zusammengekommen. Die erste Geschichte, „Ameisen“, beginnt mit dem „‚ersten Naturforscher‘ Aristoteles“, während die letzte, „Zitteraale“, damit endet, dass US-Wissenschaftler die „Strom erzeugenden ‚Elektrozyten‘ des Zitteraals mit einem 3D-Drucker nachbauten.“

Höge schafft es so, einen großen zeitlichen Umfang für „Die lustige Tierwelt…“ zu spannen. Dazwischen erzählt der Amateurforscher lehrreiche und interessante Geschichten, in denen viele spannende Charaktere – Wissenschaftler, Autoren, Künstler und mehr – und ihre Forschung auftauchen, alles natürlich unter dem umfassenden Überbegriff „Tierwelt“.

Aufschwung der Verhaltensforschung?
Der Autor wurde 1947 geboren und begann um 2000, vergleichsweise spät, noch ein Biologiestudium. Er spricht also aus Erfahrung, wenn er im Interview kritisiert, dass „die Beobachtung von ganzen lebenden Tieren, der Mikrobiologie, der Genetik, der Hormonbiologie und Enzymforschung weicht. Man nimmt sozusagen nur Stücke des Organismus und nicht das Ganze. Die organismische Biologie wird an den Universitäten immer weiter abgebaut, die Verhaltensforschung damit auch.“

Das könnte sich nun ändern, meint Höge. Ironischerweise könnte aus seiner Sicht das forcierte Artensterben, letztes Jahr wurde beispielsweise eine gravierende Studie zum Insektensterben veröffentlicht, dafür sorgen, dass wieder mehr Verhaltensforschung betrieben wird. „Das heißt man geht raus ins Feld und guckt wie es den Abkömmlingen einer bestimmten Art geht, wie viele davon überhaupt da sind und wie sie leben.“ So ließe sich auch erfahren, was getan werde müsse, um Arten zu erhalten.

Mit dem Pferd bis Italien
In Höges Jugend nach dem Zweiten Weltkrieg haben erst seine Eltern eine Menge Tiere und Pflanzen angeschafft, später er selbst noch mehr, wie er berichtet. Es folgte die Lektüre von Biologiebüchern mit zunehmendem Anspruch und eine Menge verschiedenster Tätigkeiten in Zoos, Bauernhöfen und anderen landwirtschaftlichen Betrieben. Höges Verhältnis zu Tieren wird in einer Anekdote aus seinem Leben ersichtlich:

„Ich habe mir damals in den Siebzigern ein Fohlen gekauft. Als es dann groß war – etwas über drei – habe ich überlegt, was mache ich jetzt damit? Ich kann es nicht einfach nur auf der langweiligen, norddeutschen Weide halten und Reiter bin ich auch nicht.“

Also zeigte er dem Pferd die Welt zu Fuß. Für Kost und Logis arbeitete er bei Bauern, die größere Landwirtschaften hatten. Arbeit habe es dort immer gegeben. Und weil die Landwirte alle „verhinderte Pferdenarren“ waren, hatten Höge und sein Pferd manchmal die Auswahl zwischen drei Bauern in einem Dorf. „Ich habe mich dann immer für die beste Weide oder im Winter den besten Stall entschieden.“

Auf diese Weise ging es bis an die deutsche Grenze. Ein Bauer brachte das Duo an den Brenner, von da ging es weiter nach Italien. Bei den italienischen Bauern musste nicht gearbeitet werden. „Die hatten keine Arbeit, ich sollte nur ein paar Tage dableiben und mit ihnen essen und reden.“

In den letzten Zügen – „wie die Indianer“
In der Nachbemerkung seines Buches schreibt der Wissenschaftsjournalist, der hauptsächlich für die Tageszeitung „taz“ tätig ist, dann auch, „dass vor allem, die Tiere (zusammen mit den Pflanzen) mir noch so etwas wie Lebensfreude vermitteln“. Leider kommt er dann zu folgendem Fazit:

„Eigentlich ist die Tier- und Pflanzenwelt jedoch überhaupt nicht lustig: Sie liegt in den letzten Zügen. Es geht ihr wie den bedauernswerten Indianern, den letzten Wilden.“

Das Buch: „Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung“ von Helmut Höge ist vor kurzem im Westend Verlag erschienen.

sputniknews


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