Taliban und USA verhandeln über Frieden

  02 Auqust 2019    Gelesen: 805
 Taliban und USA verhandeln über Frieden

Nach etlichen Verhandlungsrunden zwischen den USA und den Taliban zeigen sich beide Gesprächspartner optimistisch - ein Abkommen scheint greifbar. In Afghanistan sorgt man sich jedoch um den Preis, den der Frieden haben könnte.

Junus Achgar denkt dieser Tage viel nach. Er starrt auf die gelbe Tapete in seinem Büro in einem Regierungsgebäude in Kabul, dann wieder auf sein Handy und die vielen Nachrichten über die Verhandlungen mit den Taliban. Die USA stünden kurz vor einer Einigung mit den Islamisten, heißt es da. Fast 18 Jahre ist der Krieg mit den Taliban alt. Hunderttausende Afghanen sind darin verletzt, verstümmelt oder getötet worden, haben Heim und Habe verloren oder sind geflohen. Die Geschwindigkeit, mit der dieses Monster eines Konflikts nun plötzlich angeblich vor einer Lösung steht, raubt ihm den Atem. "Das kann nicht gutgehen", sagt er.

Achgar steht für viele Afghanen, die die Gespräche der US-Regierung mit der Elite der Islamisten in Doha, Katar, mit Misstrauen beobachten. Achgar heißt eigentlich anders. Seinen echten Namen will er nicht nennen, aus Angst vor den Taliban, mit denen er bald wieder ein Büro teilen könnte. "Dann muss ich wieder fünf Mal am Tag beten, und meine Nichte darf nicht mehr arbeiten", sagt er. Achgar war in den 90er Jahren vor dem restriktiven Regime der Taliban geflohen, bevor es 2001 gestürzt wurde. Es gibt viele Details aus dieser Zeit, an die sich Afghanen nur ungern erinnern.

Einerseits sind die Gespräche in Doha die vielversprechendsten seit Langem in dem festgefahrenen Konflikt. Andererseits gibt es vielerorts Ängste, die Taliban seien weiter nicht wirklich an Frieden interessiert. Misstrauische Beobachter wie Achgar sagen sogar, beiden Verhandlungspartnern in Doha gehe es nicht um die Menschen im Land, um ihre Anliegen, oder um das, was nach der Talibanzeit mit viel internationaler Hilfe aufgebaut worden sei. Den Taliban geht es vor allem um den Abzug der US-Truppen. Den USA wiederum geht es vor allem um Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht wieder zu einem Rückzugsort für Terroristen wird.

Sie waren in Afghanistan einmarschiert nach den Flugzeugattentaten von Al-Kaida in den USA im September 2001. Al-Kaida hatte damals ihre Zentrale in Afghanistan. Die UN sehen jüngst wieder mehr Al-Kaida-Aktivitäten im Land. Trotzdem: US-Präsident Donald Trump hat schon länger keine Lust mehr auf die "endlosen Kriege". Die Truppen sollen nach Hause.

Sieben Verhandlungsrunden hat der US-Sondergesandte Zalmay Khalilzad dafür bisher mit den Taliban geführt. Wie ein Wirbelwind fegte er vom Verhandlungsort Doha nach Kabul, Brüssel, Berlin, Islamabad und Washington. Bis er am Mittwoch, kurz vor Aufbruch zur möglicherweise entscheidenden Verhandlungsrunde, auf Twitter schrieb: "Wenn die Taliban in Doha ihren Beitrag leisten, werden wir unseren Beitrag leisten und das Abkommen abschließen, an dem wir gearbeitet haben." Auch die Taliban äußerten sich optimistisch.

Das könnte bedeuten, dass die Amerikaner ihre rund 14.000 Truppen schneller als gedacht aus dem Land abziehen. Wann genau, ist unklar. Dem afghanischen Sender ToloNews sagte Khalilzad am Mittwoch, das sei einer der Punkte, auf die man sich noch nicht geeinigt habe. Eine Quelle in Kabul sagte, es könne schon Ende des Jahres soweit sein. Zu Beginn der Gespräche war noch von fünf Jahren die Rede gewesen. Eine andere Version lautet, dass die US-Truppen bis zur amerikanischen Präsidentschaftswahl im November 2020 daheim sein sollen. Der US-Chefunterhändler hat bisher darauf bestanden, dass die USA ihren Teil nicht unilateral bekanntgeben. Die Taliban müssten schon gleichzeitig eigene Zugeständnisse versprechen: Anti-Terror-Garantien, einen Waffenstillstand und die bisher verweigerten Gespräche mit der afghanischen Regierung - die eigentlichen Friedensgespräche.

Es gibt Anzeichen, dass es dafür demnächst einen Anfang geben könnte. Kabul hat nach vielen Anläufen endlich ein Verhandlungsteam zusammengestellt. In Kabuler Kreisen heißt es, offizielle Friedensverhandlungen könnten bereits kommende Woche in Oslo starten. Es wäre ein großer Durchbruch - mit erwartbaren Blockaden.

Ein wichtiger Grundstein für die Gespräche zwischen Taliban und afghanischer Regierung war von Deutschland gelegt worden. Anfang Juli hatte der deutsche Afghanistan-Beauftragte Markus Potzel ein Dialogtreffen in Doha mitorganisiert zwischen Taliban und einer Delegation aus Kabul. Auch Regierungsvertreter hatten an der Runde teilgenommen, wenn auch als Privatpersonen. Viele kehrten euphorisiert zurück. Es gebe mehr Gemeinsamkeiten mit den entfremdeten, verfeindeten Landsleuten, als sie gedacht hätten.

Werden bei einer Einigung Frauenrechte eingeschränkt?

Klar sei aber auch geworden, dass es kritische Unterschiede gebe. Einer ist der Streit über die Form des politischen Systems im Land, sollten die ultrakonservativen Taliban integriert werden. "Wenn wir mit einem System wie im Iran herauskommen, ist das die optimistischste Variante", sagt eine Quelle im Präsidentenpalast. Frauen wiederum machen sich Sorgen, dass ihre Rechte durch die Taliban wieder beschnitten würden. "Ein Friedensabkommen, das uns unsere Freiheiten nimmt, ist keinen Penny wert", sagt die Uni-Studentin Tahira Mohammadsai aus Kandahar.

Ob das US-Taliban-Abkommen an einen Erfolg der innerafghanischen Gespräche gebunden ist oder ob den USA ein Beginn allein reicht, ist unklar. Quellen im Präsidentenpalast beklagen, Khalilzad habe ihnen dadurch, dass er den Taliban schon den Truppenabzug in Aussicht gestellt habe, jeden Hebel genommen. "Er hat den Karren vor das Pferd gespannt", sagen sie.

Es sei ein Glücksspiel mit den Islamisten, sagt ein anderer. Ohne die militärische Leitnation USA würde wohl kein Nato-Partner in Afghanistan bleiben. Auch Deutschland nicht, das dort mit mehr als 1250 Soldaten den weltweit größten Auslandseinsatz führt. Jusuf Achgar denkt: Die Taliban tricksen die Amerikaner aus. Sobald die internationalen Truppen das Land verlassen hätten, würden Talibankämpfer Afghanistan überrennen. Die schon jetzt demoralisierten Streitkräfte hätten dem wohl nur wenig entgegenzusetzen.

Quelle: n-tv.de, Veronika Eschbacher, dpa


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