Maserati GranCabrio - elektrisch stark, als V6 emotional

  30 Juni 2024    Gelesen: 455
  Maserati GranCabrio - elektrisch stark, als V6 emotional

Dass Maserati nach dem Debüt seiner Sportcoupés auch die passenden dachlosen Varianten namens GranCabrio nachreichen würde, wäre eigentlich fast keine Meldung wert. Doch dann gibt es doch eine Überraschung. Lesen Sie selbst.

Die Elektromobilität startete mit einem offenen Fahrzeug, könnte man sagen. Nein, das stimmt natürlich nicht wirklich, da in der Pionierzeit der Automobilität auch unzählige elektrische Vehikel am Start waren mit einem unübersichtlichen Modellangebot, worunter sich bestimmt auch offene Varianten tummelten. Aber! Als Beginn der modernen Elektromobilität könnte man durchaus den Tesla Roadster betrachten, die hübsche Lotuskonstruktion nicht nur vor Tüftlergeist strotzend.

Gibt es ansonsten eigentlich elektrisch angetriebene Cabrios? Jein, denn Fiat 500 und Smart Cabrio zählen nicht richtig, diese Kleinstwagen mit besseren Schiebedächern sind also raus. Und während der Polestar 6 noch Erprobungstouren mit den Ingenieuren absolviert, macht Maserati Nägel mit Köpfen: Das GranCabrio fährt als "Folgore" rein elektrisch vor. Als erste Ausgabe dieser Art! So gesehen ist Maserati ein bisschen Pionier.

Das erste vollelektrische Viersitzer-Cabrio rollt also bald zu den Kunden und konnte jüngst von ntv.de gefahren werden. Also keine graue Theorie, sondern in diesem Fall "Rose Gold" gewordene Realität. Dieser golden-kupferfarben schimmernde Lifestyle-Lackton fällt jedenfalls auf. Mehr als der Raumschiff-Sound dieses Stromers, der offenbar auch nach außen strahlenden Lautsprecher. Ist überflüssig, aber Geschmäcker sind bekanntermaßen verschieden. So verschieden, dass Maserati auch den Verbrenner weiterhin im Angebot behält (hierzu später mehr).

Elektrisch angetriebene Version ist bärenstark

Die erste Fahrt startet im Stromer. Schön ist, dass der aus drei Maschinen 829 PS generierende Antriebsstrang das Drehmoment bei ruckartiger Volllastanfrage ansteigend abgibt. Aber immer noch schnell genug, dass der offene Kandidat als ziemlicher Dampfhammer empfunden wird. Interessant ist, dass man in der Teillast gar nicht wirklich merkt, in einem Elektroauto zu sitzen. Denn Abrollgeräusche und Luftverwirbelungen übertönen das restliche akustische Geschehen. Doch das täuscht. Denn erstens ruft ein Leistungseinsatz dann doch die künstlich produzierten "Raumschiff"-Geräusche hervor und zweitens musst du dir mal den Sound des Dreiliter-Nettuno-Sechszylinders reinziehen.

Aber erst einmal wird dieser 1350-Newtonmeter-Strang noch schön ausgekostet. Ein bisschen Querfahrt noch hier in den engen Kehren des Piemont zeigt, dass die Maserati-Techniker mit dem blitzschnellen elektrischen Torque Vectoring satte 2340 Kilogramm in den Griff bekommen. Nein, anders: Der Fahrer ist in der Lage, das 4,97-Meter-Coupé präzise zu beherrschen. Das Heck mit dem rechten Pedal gezielt schwenken zu lassen mit nach oben gezogenen Mundwinkeln gelingt verdammt gut.

Darüber hinaus ist mit der Emotionalität aber schon Schluss. Der Kontrast zum Trofeo ist schon massiv, wie der Umstieg zeigt. Da kann das BEV schieben, bis dir schummerig vor Augen wird und der Verbrenner eine Gedenksekunde brauchen, bis du das Heck per Giermoment um die Ecke gewuchtet bekommst. Waschechter, intensiver V6-Sound mit Rennsportgenen schlägt Klänge aus der Retorte eindeutig. Und der 550 PS starke Trofeo ist ja abgesehen davon auch kein Kind von Traurigkeit.

Der Doppelturbo schmettert dich hinreichend wuchtvoll gen Horizont. Und dank Hinterradantrieb ist das dynamische Geschehen sowieso recht lustvoll, wenn man gekonnt mit dem Potenzial spielt. Demnach stehen immer noch rasante 3,6 Sekunden des Trofeo den 2,8 Sekunden des Folgore für den Standardsprint auf 100 km/h gegenüber. Das ist fast zu vernachlässigen, zumal das Cabrio vom Grundsatz her ja eher als Cruiser einzuordnen ist.

Bis 200 km/h soll der Stromer dem Benziner sogar rund drei Sekunden abnehmen (9,1 zu 12,2 Sekunden) - aber da müsste man erst einmal testen, wie standfest die elektrische Leistung überhaupt ist, was auf den italienischen Landstraßen gar nicht funktioniert. Der klangstarke Dreiliter hat mit Sicherheit keine Probleme, seine Maximalleistung abzugeben. Mit seiner Topspeed von 316 Sachen übertrumpft der Trofeo seinen Elektrokollegen (290 km/h) dann definitiv. Obwohl das Tempo für ein batterieelektrisches offenes Fahrzeug schon beeindruckend ist. Wie viel Power der Antrieb freisetzt bei moderater Fahrpedalstellung, ist übrigens vom Fahrmodus abhängig. Bei Kickdown-Betätigung geht es aber immer mit voller Kraft nach vorn.

Richtig Sturm herrscht bloß in der zweiten Reihe

Vom Sturm unter der Haube zum Sturm unter der (bis 50 km/h in 14 Sekunden zu öffnenden) Kapuze. Hier wütet der Wind bei moderatem Tempo allerdings eher gemäßigt. Ist eben kein Tesla Roadster. Wer sich allerdings in die zweite Reihe quetscht - nur für körperlich kompakt gebaute Erwachsene oder Kinder zu empfehlen -, bekommt jedenfalls mehr Luft ins Gesicht gepustet. Und bei der Gelegenheit sei gesagt, dass der luftgefederte Maserati trotz aller Sportlichkeit hinreichend sanft über Bodenwellen stampft bei einer soliden Verwindungssteifigkeit.

Für die Stromer-Interessenten sei noch der Hinweis gestattet, dass drei Maschinen unter fleißigem Einsatz ihren Tribut fordern. Bei 59 Prozent Ladestand der Batterie zeigte der Bordrechner gerade einmal 218 Kilometer bei durchaus forcierter Landstraßenfahrt. Immerhin soll der Stromspeicher mit 83 kWh Nettoenergiemenge binnen 18 Minuten von 20 auf 80 Prozent geladen werden können bei 270 kW maximaler Ladeleistung. Getestet werden konnte das zumindest in diesem Rahmen nicht.

Ob die geneigte Kundschaft bereit ist, mindestens 206.713 Euro für den Folgore sowie 235.035 Euro für den Trofeo auszugeben, bleibt abzuwarten. Immerhin, eine gewisse Exklusivität ist dem GranCabrio-Fahrer insofern garantiert. Auch das GranCoupé ist alles andere als ein Massenfahrzeug mit gerade 19 hierzulande zugelassenen Fahrzeugen im Zeitraum Januar bis Mai 2024. Ein paar mehr Exemplare dürften es dann schon gerne werden. Auch im Sinne von Maserati.

Quelle: ntv.de


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