Auto Union Typ 52 - der heißeste Oldie, den Audi jetzt erst baut

  24 Juli 2024    Gelesen: 460
 Auto Union Typ 52 - der heißeste Oldie, den Audi jetzt erst baut

In den 1930er Jahren war er nur ein Traum, aber jetzt wird Ferdinand Porsches fixe Idee vom Schnellsportwagen wahr. Audi bringt den Auto Union Typ 52 in Fahrt - als handgefertigtes Einzelstück.

Die Kabine ist eng, der Motor laut und heiß, die Instrumente analog und von Klimatisierung keine Spur - und das in einem Supersportwagen aus dem Jahr 2024? Normalerweise präsentieren uns Startups elektrische Hypercars wie etwa den Rimac Nevera, die wie ein UFO aussehen und sich wie ein Space Shuttle fahren. Oder Bugatti rollt einen fast schon barocken Tourbillon ins Rampenlicht.

Doch jetzt hat Audi einen Schnellsportwagen vorgestellt, der seinen Fahrer fast ein Jahrhundert in die Vergangenheit katapultiert. Aus gutem Grund: Denn obwohl der Typ 52 tatsächlich erst jetzt seine Weltpremiere gefeiert hat, basiert der stromlinienförmige Überflieger auf Plänen aus den 1930er Jahren.

Chance vertan

Dumm nur, dass damals niemand den Charme jener Idee erkannt hat, die Sportwagenbauer wie Ferrari, McLaren, Aston Martin oder teilweise auch Mercedes-AMG bis heute trägt: "Win on Sunday, sell on Monday". Das hatte wohl auch ein gewisser Ferdinand Porsche im Sinn, als er für die damals noch junge Auto Union neben den Silberpfeil-Rennwagen der Typen A bis D mit derselben Technik auch einen Schnellsportwagen für die Straße anbieten wollte.

Dabei hätte dieser Silberling das Zeug gehabt, zum König der gerade erfundenen Autobahn zu werden. Selbst der Mercedes 540 K Autobahnkurier hätte seinerzeit mit seinen schier unerreichten 132 kW/180 PS und 185 km/h keine Chance gehabt. Doch wo die Schwaben auf einen Achtzylinder gesetzt hatten, plante Porsche für die Sachsen mit einem V16. Und selbst mit einer auf 147 kW/200 PS gedrosselter Leistung hätte er wohl 200 Sachen geschafft, spekulieren die Gutachter.

Porsches Hinweis mit gedrosseltem Motor ignoriert

Aber irgendwann wollte es Audi nicht mehr bei Spekulationen belassen und hat deshalb in der Hochphase der Le-Mans-Erfolge entschieden, den Traum von einst doch noch wahr werden zu lassen. Zehn Jahre lang haben Oldtimer-Spezialisten deshalb über den Skizzen gegrübelt und daraus eine finale Konstruktion abgeleitet, haben von Hand Alubleche über Holzrahmen gedengelt und ein Interieur entworfen, das sportlich ist und edel, aber nicht schwülstig.

Und weil Leistung ja nie schadet und weil sie dann im Oldtimer-Fuhrpark flexibler bei der Ersatzteilversorgung sind, haben sie Porsches Hinweis mit dem gedrosselten Motor geflissentlich ignoriert. Wie in den Typen C und D grollt deshalb jetzt ein bei aller Kraft überraschend kultivierter 6,0-Liter-Motor, dem ein Kompressor 382 kW/520 PS entlockt.

Schon nach heutigen Maßstäben qualifiziert das den Typ 52 zu einem Supersportwagen. Schließlich hatte der Audi R8 selbst in der stärksten Ausbaustufe nur 74 kW/100 PS mehr. Aber vor 90 Jahren wäre der Silberpfeil damit als Auto von einem anderen Stern durchgegangen.

Ein Design ohnegleichen

Das gilt auch für das Design: Weil der Motor - wie noch heute bei jedem Formel-1-Rennwagen - in der Mitte montiert ist und als 16-Zylinder mehr Platz braucht als alle anderen Komponenten, sprengt der Typ 52 schon auf den ersten Blick alle Vorstellungen. Zumal sich Porsche den damals noch jungen Gesetzen der Aerodynamik unterworfen und das Auto auf fast 5,30 Meter gestreckt hatte.

Dumm nur, dass davon für die Insassen wenig übrig bleibt. Obwohl der Schnellsportwagen ein Luxusauto hätte sein sollen, kauern der Fahrer und seine zwei Begleiter deshalb in einer engen Kabine, in der es hinter einer kurzen Stupsnase nur für eine Sitzreihe reicht. Wie später etwa im McLaren F1 und jetzt wieder im AMG One sitzt der Fahrer daher in der Mitte und die Passagiere nur leicht versetzt links und rechts daneben.

Schweißtreibendes Erlebnis

Audi lässt sein Einzelstück aber leider niemand anderen fahren als PS-Profis wie etwa Hans-Joachim "Strietzel" Stuck, Sohn von Auto-Union-Vorkriegslegende und "Bergkönig" Hans Stuck, oder die eigenen Audi-Mechaniker. So bleibt für unsere Fahrt nur der Schwiegermutter-Sitz. Doch man ist ganz froh, dass man hier mitten im Herzen der Maschine nur Zuschauer ist. Zumindest, wenn man sieht, wie unbequem der Fahrer die Beine unter das riesige Lenkrad fädelt, wie mühsam er mit großen Füßen die kleinen Pedale trifft, wie viel Kraft es braucht, um den Koloss um die Kurven zu zwingen und wie umständlich er dabei nach dem Schaltknauf greift, der irgendwo in der Kniekehle des Beifahrers verschwindet.

Froh ist man auch, dass der Mann am Steuer im Traum nicht daran denkt, die Höchstgeschwindigkeit auszuloten. So aber, wie er sich beim Start anfühlt und beim Zwischenspurt, schafft er aber vermutlich die von Porsche prognostizierten 200 km/h mühelos. Und was darüber hinausgeht, kann von uns aus gern ein Geheimnis der Geschichte bleiben.

Denn schon die Hitze des 16-Zylinders, der hinter einer dünnen Blechwand tobt, treibt einem den Schweiß auf die Stirn. Da braucht es weder Angst um Leib und Leben noch die Verantwortung für einen Neuwagen, der schon 90 Jahre auf dem Buckel hat. Sondern man ist plötzlich gern Passagier bei einer vergleichsweise gemütlichen Fahrt und gar nicht böse, dass die Zeitreise nach ein paar Minuten auch schon wieder vorbei ist.

Fazit: Die Mutter aller Hypercars

Hätte, wäre, könnte - natürlich muss man bei diesem Auto im Konjunktiv bleiben, selbst wenn Audi Ferdinand Porsches Traum mit rund 90 Jahren Verspätung doch noch wahr gemacht hat. Aber so faszinierend, wie der Typ 52 auch 2024 noch ist, hätte er tatsächlich das Zeug zum absoluten Überflieger gehabt und wäre wohl zur Mutter aller Hypercars geworden.

Jetzt ist er nur eine blechgewordene Erinnerung. Und vielleicht bald eine Inspiration. Schließlich steigt Audi in zwei Jahren in die Formel 1 ein - und könnte gut wieder einen Straßensportwagen brauchen.

Quelle: ntv.de, Thomas Geiger, dpa


Tags:


Newsticker