Braucht der Range Rover einen Achtzylinder?

  08 Auqust 2024    Gelesen: 407
  Braucht der Range Rover einen Achtzylinder?

Den klassischen Range Rover gibt es noch immer mit einem gerüttelt Maß an Antriebsoptionen. Doch welche ist die beste? ntv.de ist mit dem Sechszylinder-PHEV sowie dem traditionellen Achtzylinder gefahren. Der Selbstzünder ist übrigens auch noch da.

Haben Sie schon mal überlegt, bei Land Rover viel Geld zu lassen und einen Range Rover zu kaufen? Dann besteht der erste Schritt darin, sich mit dem Konfigurator herumschlagen zu müssen - denn PDF-Preislisten sind beim britischen Hersteller aktuell einfach nicht verfügbar. Nach ein paar Mausklicks oder Moves auf dem Handydisplay lernt man dann, dass der 300 PS starke Dreiliter-Diesel zu 140.200 Euro die günstigste Möglichkeit ist, in die Range-Rover-Welt einzusteigen. Und wer der Meinung ist, 300 Pferdchen unter der Haube des Range würden reichen (und das tun sie ganz bestimmt), dem bescheren die Briten sogar einen bestechend günstigen Verbrauch für die Fahrzeugklasse mit acht Litern Kraftstoff je 100 Kilometer.

ntv.de wäre gerne mal probegefahren, aber dem Land-Rover-Presseteam ist der kleine Selbstzünder schlicht nicht fein genug. In der hauseigenen Flotte beginnt der Range-Rover-Einstieg beim starken PHEV mit 550 PS, kleiner hat es Land Rover gerade nicht. Und was kommt nach dem Plug-in-Hybrid in der Rangordnung? Natürlich der begehrte Achtzylinder! Fairerweise muss man aber auch sagen, dass die Kunden Land Rover den Range aus den Händen reißen. Da wird jedes Exemplar für die zahlenden Käufer benötigt, die Presse muss zurückstecken.

Doch der Reihe nach. Für den schwächeren PHEV (460 PS) werden satte 9000 Euro Aufpreis fällig zum kleinen Diesel. Und für das hier getestete PHEV-Modell mit dem stärkeren Antrieb (550 PS) ruft Land Rover gar knapp 170.000 Euro auf. Daraus leitet sich schon mal ab: Über das Einsparen von Kraftstoffkosten bekommt man die Mehrkosten schwer herausgeholt.

Wobei, als theoretisches Gedankenspiel ginge das schon. Schließlich darf man nicht vergessen, dass der Range Rover als Dienst- respektive Geschäftswagen bloß auf Grundlage des halbierten Bruttolistenpreises versteuert wird. Das spart gehörig Kosten. Und wenn ein Range Rover kein klassischer Firmenwagen ist, welches Auto dann? Jetzt müsste man nur noch täglich rund 30 kWh Strom von der hauseigenen Photovoltaikanlage in die große Traktionsbatterie des 4x4 transferieren. Und dann eisern mit dem inzwischen auf 218 PS erstarkten Elektroaggregat des Plug-in-Hybrids fahren ohne Verbrenner - die Reichweite liegt immerhin bei praxistauglichen bei 109 Kilometern in der kombinierten WLTP-Disziplin.

Der PHEV ist bloß mit beiden Motoren richtig souverän

Und genau hier liegt die Krux. Wer den Range Rover mit den himmlisch anschmiegsamen Sesseln sowie dem geschmeidigen Fahrwerk bewegt, wird ganz schnell einer ganz starken Verlockung ausgesetzt. Diese besteht aus dem sahnigen Dreiliter-Reihensechszylinder mit weiteren 400 Pferdchen. Und mit Stromer plus Verbrenner gemeinsam wird der mächtige Brite erst zur richtig souveränen Angelegenheit (fünf Sekunden bis Landstraßentempo und 242 km/h Topspeed).

Der Antriebsstrang ist nobel, keine Frage. Und es macht irgendwie Spaß, auf den Balken zu schauen, der ausschlägt, wenn man einfach nur durch Bremsen Energie zurückgewinnen kann. Rekuperation gehört eben auch zum Hybrid. Das erzeugt ein gutes Gefühl. Und mit externem Aufladen aus regenerativer Quelle fahren sich 2,8 Tonnen Leermasse frei von Gewissensbissen. Wirklich? Nein, natürlich ist ein Range Rover nichts für Menschen mit ausgeprägtem ökologischen Gewissen. Zu massig, zu groß, zu unnötig. Aber leider geil, wie es auf Neudeutsch heißt.

Und Land Rover versteht es nur zu gut, die klassischen Autofans glücklich zu machen. Der Antriebsstrang geht noch feiner. Zwar simpler, aber eben feiner. Für die neue Range-Rover-Generation haben die Briten gut mit BMW verhandelt, um ihr bestes Stück nutzen zu dürfen - nämlich den mild hybridisierten 4,4 Liter großen Biturbo-Achtzylinder. Der bollert allerdings nicht lauthals, sondern übt sich in dezenter Zurückhaltung, passend zum Understatement, das den Briten immer nachgesagt wird. Dank 530 Pferden (es gibt neuerdings auch noch ein Topmodell mit 615 PS) galoppiert der im Vergleich zum PHEV rund 200 Kilogramm leichtere Achtzylinder-Range ganz gut und beschleunigt als Langversion binnen 4,7 Sekunden auf 100 km/h sowie bis 250 Sachen in der Endgeschwindigkeit.

Understatement? Nicht mit dem Range Rover

Ein Range Rover hat natürlich nicht viel mit Unterstatement zu tun angesichts 5,05 Metern Außenlänge und 1,87 Metern Höhe. Und um es auf die Spitze zu treiben, hat ntv.de den sogenannten P530 (V8) in der 5,25 Meter langen LWB-Ausgabe getestet. In diesem Fall wächst der Radstand von glatten 3 auf 3,20 Meter. Dann ist die Beinfreiheit wahrlich überbordend. Aber! Bei der Fondausstattung hätte Land Rover zu Demonstrationszwecken ruhig mal das große Besteck auffahren können. Dann wird die zweite Reihe nämlich zur First Class mit zwei voneinander separierten Sitznischen. Dagegen können selbst edle Sofalandschaften im Wohnzimmer kaum ankommen.

Der Charme eines Range Rover besteht zweifellos darin, dass er trotz ausufernden Luxus am Ende das Supertool schlechthin ist. Hinten sitzen inmitten feiner Materialien mit Infotainment erster Güte, während der Fahrer einen dreieinhalb Tonnen schweren Trailer aus dem Matsch zieht? Kein Ding. Und der Range kann ja auch noch richtig Gelände. Sperren, Untersetzung und ein variables Luftfahrwerk machen aus dem Luxus-Liner einen Luxus-Kraxler.

Für den langen Achtzylinder sind übrigens mindestens 198.100 Euro zu entrichten. Wer von den umfangreichen Individualisierungsmöglichkeiten Gebrauch macht, landet auch blitzschnell bei 250.000 Euro oder mehr. Wie ist das denn bitte möglich? Allein für manche der vielen bereits ab Werk angebotenen Speziallackierungen werden schon mehr als 11.000 Euro fällig. Die Multimediaanlage mit den Bildschirmen im Fond verteuert die Angelegenheit noch einmal um 3300 Euro. Und so schrullige Dinge wie Sitzgelegenheiten auf der elektrisch ausfahrbaren Unterkante der Heckdeckelkonstruktion verschlingen natürlich ebenfalls zusätzliches Geld - Kostenpunkt: 1200 Euro. Und die Liste der Extras ist ziemlich lang.

PHEV hat bloß bei hoher elektrischer Fahrleistung Sinn

Zum Schluss noch ein Fazit zu den Antriebsarten. Der verschiedenartig (also mild sowie extern aufladbar) hybridisierte Benziner macht mit knapp 60 Prozent mittlerweile den größten Anteil innerhalb der Range-Rover-Palette aus. Über die Gründe kann man nur mutmaßen, aber offenbar ist den Kunden in diesem Preissegment nach einem angemessenen Antrieb, den insbesondere der Achtzylinder bestens verkörpert.

Der Plug-in-Hybrid ist ebenfalls leise und kultiviert. Und in betriebsstrategischer Hinsicht haben die Ingenieure den komplexen Strang mit Achtgangautomatik, E-Maschine und Verbrenner ordentlich abgestimmt. Es gibt weder Rucke noch Zugkraftunterbrechungen. Doch richtig Sinn ergibt der PHEV bloß, wenn man viel lädt und rein elektrisch fährt, was dank der einzig wählbaren Batterieoption durchaus weit funktioniert, selbst auf Überlandstrecken. Eine rein elektrisch angetriebene Variante des Range Rover ist obendrein in der Pipeline.

Und was hat es mit der Langversion auf sich? Man kann sie als das Sahnehäubchen auf dem ohnehin schon exquisiten Cocktail bezeichnen. Aber ganz ehrlich, liebes Land-Rover-Presseteam, und an dieser Stelle auch einen Gruß an die Marketingkollegen: Wenn ihr schon einen (fast) top ausgestatteten Achtzylinder in Langversion als Mitglied eures Fahrzeugpools führt, dann bitte in einer schönen Knallfarbe und nicht in einem langweiligen Grauton. Nicht immer darf der Wiederverkauf die höchste Priorität haben. Beim nächsten Mal, okay?

Quelle: ntv.de


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