Neuer BMW 1er - weniger Leistung, aber nicht weniger Fahrfreude

  25 September 2024    Gelesen: 59
  Neuer BMW 1er - weniger Leistung, aber nicht weniger Fahrfreude

Bereits nach fünf Jahren steht die zweite Generation der BMW-Einser-Reihe mit Vorderradantrieb vor dem Marktstart. Bedeutet die neue Modellreihe Fortschritt?

Als vor rund fünf Jahren der erste 1er-BMW mit Vorderradantrieb vorgestellt wurde (der erste frontangetriebene BMW überhaupt war der 2er Active Tourer im Jahr 2014), waren die Reaktionen der Fachpresse gemischt. Manche Kollegen monierten die Antriebseinflüsse im Lenkrad und die Umstellung von Wandlerautomatik auf Doppelkupplungsgetriebe. Wieder andere Tester lobten den hinzugewonnenen Raum. Klar, durch den wegfallenden Kardantunnel sowie den Quer- statt Längseinbau der Motoren wird Platz eingespart, der wiederum den Passagieren zugutekommt.

Nun also steht die zweite Generation vor der Tür. Und die wird von den Fans genauestens beobachtet. Beim Lesen des Datenblattes werden bereits kritische Stimmen laut. Warum beschleunigt der 1500 Kilogramm wiegende 120 (jetzt ohne Buchstaben als Zusatzbezeichnung) mit 7,8 rund eine Sekunde langsamer auf 100 km/h als der bisherige 120i? Das ist im Grunde einfach - der Neue mit seinen 170 PS Systemleistung ist eben 8 PS schwächer. Die Power setzt sich aus 156 Verbrenner- sowie 20 Elektro-PS zusammen. Außerdem boostet der im Siebengang-Doppelkuppler sitzende Elektromotor mit zusätzlichen 55 Newtonmetern ins System. Das Produktmanagement kontert auf die Frage nach der Minderpower mit dem Argument, dass der 120 eigentlich eher mit dem alten 118i vergleichbar sei. Interessanter Ansatz.

120 steht jetzt für Dreizylinder

Fakt ist jedenfalls, dass der jetzt auf die Bezeichnung "F70" hörende 120 den B38-Dreizylinder des früheren 118i nutzt. Und das hört man schon auf den ersten Metern. Kernig brummend statt geschmeidig summend nimmt der neue Kandidat Fahrt auf, gefühlt aber gar nicht unbedingt deutlich weniger bissig. Im Alltag ist die nominal etwas geringere Beschleunigung sowieso zu vernachlässigen. Worüber man sich dann eher wundert, ist, dass der Boost es nicht schafft, das kleine Turboloch des aufgeladenen Hightech-Otto komplett zu kompensieren. BMW hat den 240 Newtonmeter Drehmoment abgebenden Benziner technisch nämlich ganz schön aufgerüstet. Er spritzt das Kraftstoffgemisch zwecks Effizienzsteigerung entweder direkt in den Brennraum oder wahlweise in das Saugrohr und arbeitet gemäß Miller-Prinzip mit kürzeren Öffnungszeiten der Einlassventile. Auf diese Weise drücken die Ingenieure den Kraftstoffverbrauch auf unter sechs Liter je 100 Kilometer in der WLTP-Disziplin.

Wer sich hingegen für den ungleich teureren M135 xDrive (56.200 statt 37.900 Euro Grundpreis) entscheidet, dürfte sich noch ein bisschen mehr für den Antrieb und etwas weniger für den Kraftstoffverbrauch interessieren. Auch ihn hat das BMW-Presseteam für erste Probefahrten mitgebracht. Bei den hier verfügbaren, bezeichnenderweise in Signalgrün lackierten Topmodellen mit 300 PS (ohne Elektrifizierung) dürfen schon mal acht Liter Super durch die Leitungen fließen.

Dafür stehen die Zeichen ganz auf Performance und der Vierzylinder stürmt nahezu frei von Traktionsproblemen los, um die 100-km/h-Marke binnen 4,9 Sekunden zu knacken. Mal abgesehen von der Kraftverteilung auf alle vier Räder haben die Techniker diesem M-Performance-Modell auch noch ein mechanisches Sperrdifferenzial an der Vorderachse gegönnt. Und weil ein komplexer Verbrenner-Antriebsstrang mit verzögertem Drehmomentaufbau beispielsweise im Vergleich zum Stromer und vielen zu wechselnden Gängen nicht immer sofort loslegt je nach Fahrmodus, gibt es wieder die Boostfunktion am Lenkradpaddle analog zu anderen BMW-Modellen. In diesem Fall klebt der Passagier in Verbindung mit voller Motorlast schon recht fest im neugestalteten Sitz.

Giftiger M135 xDrive

Im Sportmodus reagiert der Einsfünfunddreißig dann ohnehin noch eine Ecke giftiger, untermalt jeden Gangwechsel des Doppelkupplers mit kurzem Fehlzündungsknallen aus Richtung Abgasanlage. Ob diese gezielt komponierte aggressive Tonalität den eleganteren Sound der früheren Reihensechszylinder mit Hinterradantrieb ersetzen kann? Nicht wirklich. Doch die Agilität auf der kurvigen Landstraße wischt diesen Einwand weg. Du fühlst dich am Steuer des 1,6 Tonnen schweren M135 xDrive (auch hier fehlt das "i", das wiederum ist künftig nur noch für die Stromer bestimmt) mit der Maschine verbunden.

Zahlreiche Optimierungen im Fahrwerksbereich sollen die Lenkpräzision des 1er-BMW erhöhen. Die Karosserie ist steifer geworden und es gibt eine Domstrebe im Motorraum, um noch einmal mehr Steifigkeit zu generieren. Dass die Topversion zackiger einlenkt, mag auch an der etwas veränderten Lenkübersetzung liegen, aber einen Mangel an Fahrspaß könnte man dem giftgrünen Kompaktsportler jetzt nicht attestieren. Angenehm ist überdies, dass die Besatzung bei ambitionierter Kurvenfahrt durch konturierte Sportsessel mit Alcantara-Polstern fest in der Mittelbahn gehalten wird.

Bei gleichem Radstand (2,67 Meter) ist der jetzt 4,36 Meter lange Bayer rund vier Zentimeter länger geworden. Als sonderlich eng war schon der Vorgänger kaum zu empfinden. Allerdings dominiert nach dem Entern ein ganz anderer Eindruck: Physische Tasten sind nämlich bis auf die klassische Lautstärkeregelung in der Mittelkonsole verschwunden. Und du musst dich mit BMW Operating System 9 auseinandersetzen, was nach ein bisschen Eingewöhnung aber problemlos funktioniert. Ob man sich an die optional lieferbare Fahrautomation gemäß Level 2 gewöhnen kann oder will, muss sich noch herausstellen.

Ohne beleuchtete Niere geht es nicht mehr

Wer noch zögert, ob er sich mit der neuen BMW-1er-Reihe anfreunden kann, sollte vor allem in der Dämmerung einen Blick auf die Front werfen, wo die beleuchtete Niere als optischer Booster einen ganz guten Job erledigt. Ansonsten gibt sich der Kompakte gefällig und unaufgeregt, verzichtet auf übertriebenen Einsatz von Sicken im Blech. "Keep it simple" scheint das Design-Motto zu lauten. Die leichten Zacken in den Rückleuchten erinnern an den coupéhaften X2 und signalisieren Familienzugehörigkeit. Außerdem macht der Kompakte die neue BMW-Mode mit, bei der die eingelassene Baureihenbezeichnung im Bereich des gut ausgearbeiteten Hofmeisterknicks (C-Säule) gesetzt ist. Fein.

Zum Schluss noch der Hinweis, dass der 120 nicht das Einstiegsmodell ist. Es gibt für Leistungsverächter nämlich noch den 116 ohne Elektrifizierung (122 PS) zum Kurs von 32.900 Euro. Außerdem werden mit 118d sowie 120d noch zwei Diesel angeboten zum Tarif von 38.200 respektive 40.500 Euro. Der Unterschied besteht allerdings lediglich darin, dass die Basis ohne Elektrifizierung auskommt, während der 120d zu den 150 PS seines Verbrenners noch 20 Elektro-PS steuert, was zu 163 PS angegebener Systemleistung führt. Ein mittlerer 123 xDrive (218 PS Systemleistung) rundet das Modellangebot ab. Die Qual der Wahl wird mit dem neuen Modell also schon mal nicht verringert. Der Fahrspaß auch nicht wirklich. Probieren Sie es aus.

Quelle: ntv.de


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