Das klingt aber komisch. Wo der Bentley Continental bislang mit dem ebenso souveränen wie sonoren Grummeln eines Zwölfzylinders erwacht ist, hört man jetzt nur die Stille eines Stromers. Wieso? Wenn die Briten zu Preisen ab 246.000 Euro ihren neuen, mittlerweile vierten Gran Turismo an den Start bringen, macht der größte Zwölfzylinder-Hersteller der Welt endgültig Schluss mit dem W12-Motor und mutet dem Adel in Eile einen V8 zu. Der wird aber elektrisch unterstützt - und startet zunächst auch so.
Allerdings machen sie den Abschied leicht und lindern den Trennungsschmerz mit einem Superlativ: Die Kombination aus 4,0-Liter-Turbo und Elektromotor kommt auf 575 kW/782 PS und ist damit nicht nur 20 Prozent stärker als der W12 mit seinen zuletzt 485 kW/659 PS. Er ist zugleich auch der bislang stärkste Bentley, der je den Segen der Zulassungsbehörden bekommen hat.
Mehr Agilität für das Fahrwerk
Und das neue Doppelherz ist ja nicht die einzige Änderung, die sie beim Generationswechsel vorgenommen haben. Sondern der luxuriöse Gran Turismo zu Preisen ab 246.000 Euro hat auch ein neues Fahrwerk bekommen. Das arbeitet mit Zweiventildämpfern und kann sich besser der Straße und dem Fahrstil anpassen.
Je nach persönlicher Präferenz schmatzt es deshalb jetzt gefühlt jedes Schlagloch weg wie ein Bärenfell die Fugen auf den Fliesen im royalen Wohnzimmer. Oder aber es macht sich so straff und steif, dass die Fliehkräfte zwar noch stark an den Insassen zerren können, das Auto selbst aber sich in den engsten Kurven nicht nach außen getragen wird. Es bleibt fest mit der Straße verzahnt, bis man auf der Passstraße den Gipfel erreicht hat.
Dann entdeckt man plötzlich, wie trainiert der Koloss tatsächlich ist und welche Kraft unter dem opulenten Blechkleid stecken. Und man hört, dass ein V8-Motor viel leidenschaftlicher klingen kann, als der in Watte gepackte W12-Motor.
Pulsrasen - auf Wunsch auch oben offen
Ein stärkerer Motor, ein Drehmoment von bis zu 1000 Nm und ein agileres Fahrwerk, dazu wie bisher Allradantrieb und Hinterachslenkung - so bringt der neue Continental GT den Puls auf Touren und lockt mit Fahrleistungen wie ein Supersportwagen: von 0 auf 100 km/h in jetzt 3,2 statt 3,6 Sekunden nach wie vor 335 km/h Spitze. Wem bei sowas noch nicht die Haare zu Berge stehen, kann für 25.000 Euro Aufpreis auch eine Cabrioversion ordern.
Und wer danach eine kleine Verschnaufpause braucht, der macht den rechten Fuß einfach etwas leichter und fährt mit dem knapp 26 kWh großen Akku bis zu 80 Kilometer rein elektrisch – leise und entspannt. Und mit bis zu 140 km/h auch nicht eben langsam.
Elan trifft Eleganz
Während die Ingenieure am Elan gearbeitet haben, haben die Designer die Eleganz gepflegt. Bei nahezu unveränderten Format von 4,90 Metern haben sie die Front gestrafft und die Doppelscheinwerfer zu zwei großen Lichtlinsen verschmolzen.
Die Formen über der Hinterachse wurden weiter herausgearbeitet und das Heck so aerodynamisch gestrafft, dass der unansehnliche Klappspoiler im Deckel des Kofferraums überflüssig wird. Auch wenn es eigentlich nur ein ganz großes Facelift ist, sieht der Continental damit nagelneu aus.
Viel Prestige, wenig Platz
Und drinnen in der Kabine gibt es mehr Luxus als je zuvor. Dazu digitale Instrumente und wie bisher die große Walze nebendran, die man sich nach Gusto drehen kann: Wahlweise ist dann der Touchscreen vorn, mal die drei klassischen Uhren und mal nur die Konsole in Carbon oder Holz - so dosiert man der Generation iPhone ganz geschickt die Screen Time.
Während man vorn im Überfluss schwelgt, ist die Freude für die Hinterbänkler eher eingeschränkt. Ja, sie sitzen weicher als wohl in fast jeden anderen Coupé und die Finger fahren über dickes Leder. Aber die Kniefreiheit bleibt trotzdem eingeschränkt - erst recht für ein Auto mit 2,85 Metern Radstand. Zwar fühlt sich das im Cabrio schon ein bisschen geräumiger an - erst recht bei schönem Wetter.
Aber wer wirklich Rücksicht nehmen will auf die Hinterbänkler, der greift zum neuen Flying Spur. Als Limousine auf der gleichen Plattform nutzt er die gleiche Technik, hat genauso viel Power, ermöglicht aber ein menschenwürdiges Einstiegen und eine bequeme Fahrt auch in der zweiten Reihe. Und auch da dürfte niemand dem W12 hinterherweinen. Erst recht, weil der Halter in diesem Luxusliner oft hinten rechts sitzt statt vorne links.
Fazit: Es hat gar nicht wehgetan
Eine Fahrt im neuen Continental GT mit V8 ist opulent wie eh und je obendrein noch ein bisschen agiler. Und dann der doppelte Punch von V8 und E-Motor - so hat man den seligen W12 nach wenigen Metern vergessen und am Ende hat es gar nicht wehgetan.
Quelle: ntv.de, Thomas Geiger, dpa
Tags: