Reise im SUV Kia EV9 - elektrischer 4x4 fällt auf und eckt an

  11 Februar 2025    Gelesen: 107
  Reise im SUV Kia EV9 - elektrischer 4x4 fällt auf und eckt an

Ohne Reue mit einem dicken Trumm durch die Gegend gondeln? Könnte klappen mit dem Kia EV9, denn dessen Antrieb erfolgt rein elektrisch. Ob man damit moralisch überlegen sein darf, ist die ebenso große Frage. ntv.de hat das Flaggschiff bewegt.

Aktivisten tendieren ja öfter mal zur Übertreibung, zeigen Geschichte und Gegenwart. Links und antikapitalistisch-ökologisch gesinnte Kräfte rufen seit einziger Zeit dazu auf, SUV die Luft aus den Rädern zu lassen, damit sich die Besitzer Gedanken über ihr automobiles Verhalten machen mögen. Aber wann ist ein SUV eigentlich böse? 

Die Grenzen sind fließend, aber der Kia EV9 hat sie sicherlich längst überschritten mit 5,02 Metern Außenlänge sowie 1,98 Metern Breite. Und außerdem fährt man ja noch 2,7 Tonnen spazieren. Der rein elektrische Antrieb hilft wenig gegen die neumodischen Rabauken: Neuerdings erklären Aktivisten wie beispielsweise die "Tyre Extinguishers" den Besitzern per hinterlassenem Zettel unter dem Scheibenwischer, dass auch elektrische Antriebe Ressourcen fressen und in großen Fahrzeugen steckend abzustrafen seien. Sie wissen schon, Grafit, Kobalt und Lithium fallen nicht vom Himmel.

Falls Sie sich jetzt wundern, wo Sie hier gelandet sind - keine Sorge, jedenfalls nicht bei Autofeinden. Aber wer Kia EV9 wählt, muss aushalten können, dass er mit seinem Vehikel polarisiert und sogar provoziert. Aus vielen Gründen. Natürlich, weil der EV9 eine wuchtige Erscheinung ist mit knapp 1,80 Metern Höhe. Und weil er eine charismatische Erscheinung ist mit seinem wuchtig-kantigen Design. Und irgendwie auch eine coole. Der EV9 ist die rollende Botschaft, auf Konventionen zu pfeifen - und zwar in Form, Stil und Technik.

Abmessungen fordern heraus

Natürlich macht die äußere Erscheinung neugierig auf das Innere. Und hier locken endlose Weiten Reisefreudige. So tricky es ist, das Dickschiff durch enge City-Parkhäuser zu bugsieren wegen der Breite - so luftig haben es die Passagiere. Und nicht nur luftig. Die anschmiegsamen Fauteuils selbst sind die Komfortbooster schlechthin. Hier willst du gar nicht mehr raus. 

Außerdem ist das Interieur mit kleinen, teils smarten Spielereien gespickt. So lässt sich der Beifahrersitz auch vom Fahrerplatz aus elektrisch verstellen mit in der Lehne eingelassenen Tasten. Und ein USB-C-Anschluss ist dort gleich auch noch untergebracht. Außerdem beherbergt die Mittelkonsole viele Fächer für den berühmten Kleinkram.

Hinten gibt es ebenfalls herrschaftliche Platzverhältnisse (das gilt allerdings nicht für die dritte Reihe), vor allem die ausufernde Bein- und Kopffreiheit frappieren. Aber klar, der EV9 ist ein rollender Riese, noch dazu mit gewaltigem Radstand von 3,10 Metern. So ganz nebenbei kann das Nutzwertmonster auch noch Gepäck im Äquivalent von exakt 2318 Litern schlucken bei umgeklappten Lehnen. 

Und während die SUV-Baureihe gerade eben noch eine Version mit kleinerem Akku (76 kWh) bekommen hat, saugen die beiden Permanentmagnet-Motoren der hier besprochenen Modellvariante aus einer 100-kWh-Batterie. Große Energiereserven sind freilich gut, vor allem bei Kälte. Denn dann schrumpft die WLTP-Reichweite von deutlich über 500 Kilometern auf deutlich unter 400 Kilometer Realreichweite. 

Auch die Ladeperformance des 800-Volt-Kandidaten bleibt bei strenger Kälte unter null Grad merklich hinter der Werksangabe. Immerhin nähert sich der Akkufüllstand nach leergefahrenem Stromspeicher binnen einer halben Stunde wieder der 80-Prozent-Marke. Bei milderen Temperaturen sollten die werksangegebenen 24 Minuten von 10 auf 80 Prozent eingehalten werden können. Jedenfalls lagen andere Kia- und Hyundai-Modelle testweise schon im Rahmen von Realszenarien.

Trumm fährt behände

Das war jetzt viel der Vorrede, aber wie steht es um das Fahren? Jedenfalls bewegt sich der 385 PS starke Allradler ziemlich flink - zum Erschrecken des Beifahrers bei plötzlich einsetzender Last reicht es jedenfalls. Demnach sind 5,3 Sekunden für den Standard-Sprint (0 bis 100 km/h) ein Statement. Interessant ist, dass Kia seinen größten Brocken flotter rennen lässt als beispielsweise die kleineren und leichteren Mittelklasse-EV6 unterhalb der GT-Ausführung. So wird der EV9 bis zu 200 statt bloß 185 respektive 188 km/h schnell. 

Vom Fahrwerk her ist das Tempo jedenfalls kein Problem, denn selbst auf zügigen Autobahnrunden läuft der Koreaner stabil und stoisch geradeaus. Wer versucht, das Schwergewicht behände durch Landstraßenkehren zu treiben, wünscht sich vielleicht eine geringfügig besser rückmeldende Lenkung, aber dieser Einwand liegt allenfalls im kosmetischen Bereich. Freilich profitiert der Schwerpunkt des hoch bauenden SUV von den tief liegenden Akkus.

Eng mit ländlichem Kurvenspaß verbunden ist die Forderung, dass Assistenten einem nicht zum Beispiel mit Gegenlenken oder Vibration in die Parade fahren. Derlei Automatismen sind bei Kia durch die Modellreihen hinweg zwar per Direkttaste auf dem Lenkrad zu unterbinden. Allerdings reicht ein einzelner Druck nicht, das wäre zu schön. So muss man mehrmals tippen, bis das orangefarbene Lenkrad-Symbol auf dem großen Screen aufleuchtet.

Neugierig geworden auf den EV9? Mit Einführung der kleineren Batterie ist der große Tourer jedenfalls günstiger geworden. Der Einstiegspreis beträgt jetzt 61.990 Euro. Nur zur Einordnung: Ein bodenständiger Kompaktklässler wie der Volkswagen ID.4 überschreitet nach ein paar Kreuzchen bei den Sonderausstattungen ganz schnell die 60.000-Euro-Schallmauer. Und vor Ausstattung strotzt selbst die Grundausgabe des EV9 nur so. Sämtliche Assistenten weilen an Bord. Außerdem gibt es Features wie Batterieheizung, elektrische Heckklappe, LED-Scheinwerfer, Navigationssystem, Parkpiepser, Rückfahrkamera, schlüsselloses Schließsystem (Smartphone oder Türgriff) sowie Tempomat inklusive adaptiver Steuerung. 

Und selbst der hier besprochene Doppelmotorer ist mit 68.990 Euro verhältnismäßig moderat eingepreist. Mit der höchsten Ausstattungslinie "GT-Line" durchbricht man allerdings gar die 80.000-Euro-Schwelle. Und wenn es darüber hinaus noch fancy werden soll mit großem, zweiteiligem Panorama-Glasdach oder drehbaren Sitzen, schlägt der Aufpreis-Teufel abermals zu. Sonderausstattungsmuffel sollten wenigstens zur Wärmepumpe (1000 Euro) greifen zwecks Effizienzsteigerung. Das sollte in dieser Größenordnung verschmerzbar sein.

Fazit: Mit dem rein elektrischen Kia EV9 haben die Koreaner ein ausgefallenes und cooles Riesen-SUV auf die Räder gestellt. Komfort und Platz sind im Überfluss vorhanden. Ein Verbrauchswunder ist der große Stromer natürlich nicht, aber alles andere hätte in dieser Liga auch verwundert. Eingepreist ist das Flaggschiff angesichts des Gebotenen fast schon human, wenngleich es naturgemäß nichts für den schmalen Geldbeutel ist.

Quelle: ntv.de


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