Brüssel riskiert bei EU-Einlagensicherung offenen Streit mit Berlin

  25 November 2015    Gelesen: 941
Brüssel riskiert bei EU-Einlagensicherung offenen Streit mit Berlin
Brüssel trotzt Berlin: Trotz massiven Widerstands aus Deutschland hat die EU-Kommission ihre Pläne für eine europäische Einlagensicherung von Bankguthaben auf den Weg gebracht. Bis 2024 will Brüssel ein einheitliches System aufbauen, das die Guthaben von Bankkunden in der EU bei Institutspleiten gemeinschaftlich absichern soll. Auch die Sparkassen, die schon seit Monaten gegen die Pläne Sturm laufen, müssten in das System einzahlen.
Die Einlagensicherung sei "das große fehlende Element" der EU-Bankenunion, sagte Finanzkommissar Jonathan Hill bei der Vorstellung der Pläne in Straßburg. Die EU-Kommission habe dafür einen "ausgewogenen" Vorschlag vorgelegt, der "kein Freifahrtschein" für unsichere Banken sei.

In der EU umgesetzt ist als Reaktion auf die Finanzkrise bereits eine stärkere Bankenaufsicht; ein Abwicklungsmechanismus für Institute soll Anfang 2016 einsatzbereit sein. Die europäische Einlagensicherung als dritte Säule soll auch verhindern, dass Banken in Krisen noch stärker unter Druck geraten, weil die Kunden ihre Gelder nicht mehr sicher glauben und diese abziehen.

Das EU-Recht garantiert Kunden schon jetzt Guthaben von bis zu 100.000 Euro im Falle von Bankenpleiten - allerdings über nationale Sicherungssysteme. Die Kommission verweist jedoch darauf, dass diese anfällig für "große lokale Schocks" sein können - etwa wenn es zu einem Flächenbrand in einem nationalen Finanzsystem kommt und mehrere Institute pleite gehen. Das europäische System solle garantieren, "dass das Niveau des Sparervertrauens nicht vom Ort der Bank abhängt".

Nach dem Kommissionsplan soll die europäische Einlagensicherung schrittweise zwischen 2017 und 2024 aufgebaut werden. In den ersten drei Jahren bis 2020 würde sie demnach lediglich als "Rückversicherung" dienen. Geht eine Bank pleite, würden Kunden aus dem entsprechenden nationalen Sicherungsfonds entschädigt. Erst wenn dies nicht ausreicht, würde der europäische Fonds einspringen. Entsprechende Gelder müssten später zurückgezahlt werden.

In einer zweiten Stufe ab 2020 würde der Anteil aus dem europäischen Topf bei Ausfällen von anfangs 20 Prozent von Jahr zu Jahr steigen (Mitversicherung). In Stufe drei wäre dann im Jahr 2024 die hundertprozentige Vergemeinschaftung der Risiken erreicht (Vollversicherung). An der Einlagensicherung müssten sich alle 19 Euro-Staaten beteiligen, anderen EU-Ländern steht dies frei. In den Fonds eingezahlt würden 0,8 Prozent der Bankeinlagen - laut Kommission wären dies 2024 etwa 43 Milliarden Euro.

Die deutsche Kreditwirtschaft warnt jedoch vor einer "Transferunion", bei der deutsche Sparer beim Zusammenbruch ausländischer Institute für Einlagen der dortigen Kunden haften müssen. Besonders scharf ist die Kritik aus dem Sparkassen- und Giroverband (DSGV). Er hatte bis vor kurzem noch damit gerechnet hatte, dass seine Institute sich wegen des eigenen Sicherungssystems nicht an der EU-Lösung beteiligen müssten.
EU-Finanzkommissar Hill erteilte dem eine Absage. Alle Institute würden Teil des Systems sein, sagte er. Allerdings hingen die Beiträge von einem für jedes Institut erstellten Risikoprofil ab: "Sichere Banken zahlen weniger Beiträge, weniger sichere Banken zahlen höhere Beiträge."

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kritisiert vor allem den Zeitpunkt der Einführung der Einlagensicherung. Er fordert, erst die anderen Elemente der Bankenunion voll umzusetzen. Auch die Sparkassen verweisen regelmäßig darauf, dass es bisher nur in 14 von 28 EU-Ländern überhaupt nationale Sicherungssysteme gibt.

Schäuble sagte im Bundestag, die einzelnen Mitgliedstaaten dürften in ihrer Entschlossenheit, bereits Vereinbartes umzusetzen, nicht geschwächt werden. Sonst würden ordnungspolitisch die "falschen Anreize" gesetzt. "Was geschieht, wenn man Ländern die Möglichkeit bietet, sich auf das Risiko anderer zu verschulden, das haben wir in der Eurokrise zu lange erlebt."

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