Meghan ist angekommen

  20 Mai 2018    Gelesen: 968
Meghan ist angekommen

Harry und Sally waren einmal - ab jetzt heißt es Harry und Meghan. Das - für royale Verhältnisse - ungewöhnliche Paar ist unter der Haube, England endlich mal wieder aus dem Häuschen vor Glück und alle Zweifler hoffentlich endlich ruhig.

Sogar die verrückte Tante Sarah durfte dabei sein - zumindest in der Kirche. Typisch Harry - er und seine Braut machen einfach alles anders. Das klingt vielversprechend. Bei den Feierlichkeiten abends heißt es dann zwar wieder für viele, nicht nur für die Herzogin von York, die Ex-Frau des Prinzen Andrew und Mutter von Eugenie und Beatrice: "Wir müssen leider draußen bleiben." Aber was soll's, es ist die typische Geste eines Paares, das so anders ist als andere royale Paare, das so anders ist als viele Paare überhaupt: "Lasst uns feiern, und zwar alle zusammen!"

Der britische, rothaarige Rebell und die amerikanische, geschiedene Schauspielerin, die ein paar Jahre älter ist als er, die sich ihren Weg in die Welt der Oberen Zehntausend gebahnt hat, ohne den großen Plan dafür gehabt zu haben - sie werden das Brexit-gespaltene Land sicher ordentlich aufmischen. Zum Besseren. Alle Hoffnungen dabei auf Meghan zu legen dürfte etwas übertrieben sein, sie ist und bleibt auch nur ein Mensch und keine Disney-Projektion - aber ihre Rolle dürfte dazu beitragen, es für viele Frauen in Zukunft etwas komfortabler zu machen. Wie modern diese Braut ist, zeigt ihr Auftritt auf dem Weg in die Kirche: selbstbewusst schritt sie allein die Treppen hoch, nur mithilfe zwei kleiner Jungs, die ihre Schleppe trugen. So ein Malheur wie bei Kate und Williams Hochzeit, als die Schwester der Braut, Pippa, allen die Show stahl mit ihrer makellosen Rückansicht, so einen Fehler wollte Meghan Markle ganz sicher nicht begehen. Niemand sollte ihr in diesem Moment die Show stehlen. Und so war es auch.

Es klingt wie ein Märchen, und so, wie Meghan ihren Harry heute anguckt hat, mit ungläubigen, riesigen Rehaugen, ist es auch ein Märchen: Sie, aus einfachen Verhältnissen, geschiedene Eltern, schwarze Mutter, weißer Vater, gerade in der Filmindustrie mit der Serie "Suits" etabliert, da kommt Harry des Weges. Harry, der ewige kleine Bruder, der Rebell, der traurige Junge, der ohne Mutter aufwachsen musste und der sich in jeder Beziehung wahrhaft ausgetobt hat. Die Voraussetzungen scheinen perfekt, dass dieses junge Paar mit den unperfekten Startbedingungen DAS Paar sein wird, mit dem sich alle identifizieren können: Die Vergessenen, die Weißen, die Schwarzen, die Kinder der Alleinerziehenden, die Erfolglosen, die, die sich hochgearbeitet haben, die Verwaisten, die Armen, die Reichen, und die, die daran glauben, dass Märchen wahr werden können und bisher immer ausgelacht wurden - für alle diejenigen sind Harry und Meghan nun Vorbilder.

Amazing, absolutely amazing


Und dann ist alles - nach den Skandalen und Schwierigkeiten, Unkenrufen und der "lieben Verwandtschaft" aus Amerika, doch noch gut gegangen: Das Wetter hat mitgespielt, die Gäste sahen größtenteils großartig und feierlich aus, die Blumenkinder waren einfach nur bezaubernd, die ganzen Differenzen mit Meghans Familie, sie scheinen vergessen. Ja, der Vater war nicht da, dafür konnten aber auch die Halb-Geschwister nicht mehr peinlich aus der Reihe tanzen. Außerdem war Meghans Mutter Doria anwesend: Ungewöhnlich, schön und stolz - welche Mutter denkt wohl jemals, dass sie ihre Tochter einmal dem künftigen König von Großbritannien an die Hand geben wird, damit dieser sie dann den Rest des Kirchenschiffes hinunter begleiten wird, um einen echten Prinzen zu heiraten?

Einen Prinzen, der das gute Herz seiner viel zu früh verstorbenen Mutter geerbt hat und dem sämtliche Lippenleser an selbigen gehangen haben dürften, als seine schöne Braut in einem schlichten, aber edlen Kleid mit langer Schleppe von Givenchy den Gang hinunter schritt? Er sagte so etwas wie: "Amazing, absolutly amazing" und sah sehr verliebt aus in seiner schicken und schlichten Gehrock-Uniform, neben seinem Bruder William, der sich so sichtlich für ihn mitfreute, dass es einfach nur rührend war. Harry, umgeben von den wichtigen Männern in seinem Leben, konnte sogar auf die Anwesenheit seines Großvaters zählen: Philip, 96 Jahre alt und bester Dinge trotz gesundheitlicher Rückschläge, lächelte an der Seite von Königin Elisabeth, die auf gar keinen Fall wie eine Über-Neunzig-Jährige wirkte. Vielleicht war sie auch einfach nur froh, ihren geliebten, aber sicher nicht immer einfachen Enkel, nun endlich in den Hafen der Ehe gelenkt zu haben. Sie darf sich außerdem sicher bald über weitere Ur-Enkel freuen.

Feuer! Feuer!

Auf den Straßen: Volksfeststimmung. In der St. George's Cathedral in Windsor viel Ungewöhnliches: Vor allem die Rede des US-Bischof von Washington D.C., Michael Curry, dürfte so manchen von den harten Kirchenbänken gerissen haben. Denn ja, wenn Liebe der Weg ist, wie er eindringlich immer und immer wiederholte, dann sind wir in Sicherheit, in jeglicher Beziehung. Das haben wir verstanden, dass wir alle Kinder Gottes sind. Als der Prediger dann aber vom Feuer redete, das in Liebenden ganz sicher loderte und das man immer aufrecht erhalten sollte, da guckten Braut und Bräutigam dann doch etwas sparsam, als der leidenschaftliche Geistliche sich beinahe überschlug in seiner Rede und einen Exkurs in Richtung Moderne startete, auf die man in seiner Hochzeitspredigt ganz sicher verzichten kann. Er philosophierte über die industrielle Revolution und kam zu Instagram und Facebook. What? Zum Glück ist Meghan Schauspielerin und Harry ein Prinz mit Conténance - sie überspielten ihr Erstaunen perfekt.

Die schönste Frau - neben der Braut selbstverständlich - war übrigens die Chorleiterin, die "Stand By Me" in einer anrührenden und wunderbaren Fassung dirigierte. Ihr silbernes Haar, ihre dunkle Haut und ihr rosé-farbenes Kleid deuten darauf hin, dass sich die Zeiten ändern: Es deutet darauf hin, dass wir in Würde altern dürfen, dass unsere Hautfarbe keine Rolle spielt und dass wir einfach sein können, wer und wie wir sein wollen. Der Lerneffekt, den diese Hochzeit auf die Welt und die Gesellschaft haben könnte, ist enorm. Man muss weder Königshäuser mögen, noch muss man Meghan Markle toll finden; man sollte meinen, dass die Hautfarbe seit langem keine Rolle mehr spielt (was leider nicht stimmt) und ja, ein Haus wie das der Windsors hatte bisher niemanden mit schwarzen Wurzeln in seinen Reihen.

Dass das britische Königshaus sich geöffnet hat, ist offensichtlich. Dass die Skandale und Tragödien, die diese Familie aushalten musste, zu etwas gut waren, ist tröstlich. Die Scheidungen, der Betrug und das, was für viele das ganz normale Leben ist, hat das alte, ehrwürdige Haus letzten Endes modernisiert. Die Zeiten haben sich geändert und die Türen stehen so weit offen wie noch nie. God save the Queen. God save Harry and Meghan. God save us all!

Quelle: n-tv.de


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