"Der Tag nach dem Anschlag in Istanbul ist für uns ein Tag wie immer. So hart das klingen mag", sagt Michael Schönewald vom Reisebüro Strohhut in Köln. Drei Mitarbeiter sitzen hinter ihren Schreibtischen, das Telefon klingelt alle paar Minuten. Doch zur Türkei gab es noch keinen einzigen Anruf. "Vor fünf Jahren haben die Leute bei solchen Ereignissen storniert wie die Wilden, heute scheint die Schwelle gesunken zu sein. Die absolute Sicherheit gibt es nicht mehr."
Er vermittelt sehr viele Pauschalreisen in die Türkei - Reisen nach Ägypten und Tunesien haben in den letzten Jahren dramatisch nachgelassen. Doch, sagt Schönewald dann, eine Umbuchung falle ihm noch ein: Ein junges Paar wollte ihre Ägypten-Reise gestern umbuchen. Sie hätten in Hurghada im Hotel nebenan wohnen sollen, wo am Freitag Touristen mit Messern attackiert wurden. Das Paar sitze heute bereits im Flieger in Richtung Kanaren. "Doch die meisten Leute sind nicht mehr so sensibel", sagt er.
Lokale und zeitlich begrenzte Auswirkungen nach Terror
Genau das wollte Stefan Suska von Alltours überprüfen. Er sprach mit seinen Kollegen im türkischen Badeort Antalya an der Mittelmeerküste. Keiner seiner Gäste vor Ort möchte den sonnigen Badeurlaub abbrechen, der Terror von Istanbul scheint dort weit entfernt. Attentate wirkten sich immer nur lokal und kurzzeitig aus, sagt Suska. Wer weit entfernt badet, lässt sich selten beunruhigen.
Dennoch: Alltours hatte im letzten Jahr in der Türkei auf die sich ändernde Lage im Land reagiert. "Wir haben schon vor den Wahlen in der Türkei die Tagesausflüge nach Istanbul gestrichen", sagt er und betont, dass Veranstalter immer sehr vorsichtig seien und die Sicherheitslage beobachteten. Besonders bei den Ländern, die immer wieder getroffen werden. Seit sechs Jahren bietet Alltours weniger Reisen nach Ägpyten an, seit vier Jahren weniger nach Tunesien.
Tunesien konnte sich nach dem Arabischen Frühling vom Tourismusloch erholen. Inzwischen kommen 400.000 deutsche Urlauber pro Jahr ins Land. Eigentlich wuchs die Zahl immer weiter bis zum vergangenen Jahr, bis zu den Anschlägen in Tunis und am Strand von Sousse. Jetzt sind viele Strände menschenleer, Hotels mussten schließen, sagt Torsten Schäfer vom Deutschen Reise-Verband. "Wir rechnen für 2015 mit einem Rückgang der Zahl von Touristen aus Deutschland im zweistelligen Prozentbereich." Der Tourismus in Ägypten erlebe eine Achterbahnfahrt seit 2011. Das vergangene Jahr ergab zwar einen Zuwachs von einer zweistelligen Prozentzahl aus Deutschland, aber das ständige Auf und Ab der vergangenen Jahre haben dem gesamten Land und der Tourismusbranche stark geschadet. Es werde gerade dann für Urlaubsregionen problematisch, wenn sich die Anbieter von Pauschalreisen abwendeten.
Manche Länder besonders von Pauschalreisenden abhängig
Das hat die Türkei nicht erlebt. Mehr als fünf Millionen Deutsche lieben den Urlaub in der Sonne der türkischen Riviera. Das Land war nach Spanien und Italien zuletzt das beliebteste Auslandsreiseziel der Deutschen. Das könnte sich aber ändern, sagt Martin Lohmann vom Institut für Tourismusforschung. "Solche Länder leben von Pauschaltouristen. Es ist dramatisch für Touristen-Regionen, wenn sich Reiseveranstalter aus Sicherheitsgründen gegen sie entscheiden, wenn Reedereien bei Kreuzfahrten plötzlich einfach nicht mehr in Tunis anlegen." Die kurze Wirkung habe Tunesien 2015 wirklich gebeutelt. "Sicher kann man mit kurzzeitigen Preissenkungen den Markt stimulieren", sagt dazu der DRV, "aber der Tourismus bleibt eine der tragenden Säulen für Wirtschaftswachstum im Land."
Das gilt für gebuchte Reisen nach Istanbul
"Wer jetzt nach den Anschlägen seine Reise umbuchen will", sagt der DRV, "soll sich zeitnah an den Reiseveranstalter wenden." TUI ermöglicht seinen Gästen ein gebührenfreies Umbuchen, wenn sie bis zum 18. Januar eine Reise nach Istanbul antreten wollen. Thomas Cook lässt auch umsonst umbuchen und storniert Istanbul-Reisen mit Beginn bis zum 22. Januar. Auch bei DER-Touristik lassen sich Trips bis zum 10. Februar ohne Gebühren kündigen.
Umbuchen und Stornierungen für Istanbul möglich
Die Tourismusbranche in der Türkei ist sowieso schon in Sorge. Die Besucherzahlen im Land waren 2015 bereits gesunken. Seit dem Abschuss eines russischen Kampfjets im November fehlen die zahlungskräftigen Gäste aus Russland, der Bürgerkrieg im benachbarten Syrien und der offene Kurdenkonflikt schrecken ab.
Michael Schönewald vom Kölner Reisebüro bleibt nach den Anschlägen von Istanbul optimistisch. "Für Stornierungen ist es jetzt eigentlich noch zu früh". Die meisten deutschen Urlauber reagieren nicht mehr panisch auf solche Ereignisse. "Die Welt hat sich geändert, das wissen die Deutschen. Die Lust am Reisen lassen sie sich nicht nehmen."
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