Nordkorea-Experte zum Hanoi-Gipfel: “Beide Seiten mit Maximalforderungen“

  28 Februar 2019    Gelesen: 717
  Nordkorea-Experte zum Hanoi-Gipfel: “Beide Seiten mit Maximalforderungen“

US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un haben ihren Gipfel in Vietnam vorzeitig beendet. „Wir hatten das Gefühl, dass jetzt nicht der richtige Moment war, um was zu unterschreiben.“, sagte Trump auf einer Pressekonferenz. Der Nordkorea-Experte Rüdiger Frank von der Universität Wien hat durchaus noch Hoffnung.

Herr Frank, was meinen Sie, woran sind die Gespräche zwischen Trump und Kim Jong-un gescheitert?

Zunächst einmal scheint das Treffen doch nicht so minutiös vorbereitet gewesen zu sein, wie es alle angenommen haben. Offenbar gibt es hier zwei autokratische Führer, die eben ihren Teams nicht alles überlassen. Man hat offenbar nicht geschafft, die Lücken, die da noch offen waren in den Dokumenten jetzt in Hanoi zu schließen. Entsprechend der Pressekonferenz von Donald Trump sieht es so aus, als wären beide Seiten mit Maximalforderungen angerückt und hätten sich letzten Endes nicht einigen können, wer in welchen Punkten nachgibt.

Ein Hauptgrund des Abbruchs von nordkoreanischer Seite soll die amerikanische Weigerung gewesen sein, die Sanktionen aufzuheben.

Die Sanktionen sind schon ein großes Problem für Nordkorea. Die nordkoreanische Wirtschaft hat jetzt ein Stadium der Entwicklung erreicht, wo sie unbedingt Input von außen, Märkte für ihre Exporte und internationales Finanzkapital für Investitionen braucht. Sie wollen Investoren aus dem Ausland in ihren Sonderwirtschaftszonen haben. Da stehen die Sanktionen im Weg und Nordkorea leidet schon stark darunter.

Ein Abschlussdokument soll, laut Trump, schon vorbereitet gewesen sein. Was mag da alles drin gestanden haben?

Ich gehe davon aus, dass es um eine Absichtserklärung oder sogar eine offiziellere Erklärung zu Beendigung des Koreakrieges ging. Aber es gab wohl unterschiedliche Bedingungen dafür auf beiden Seiten. So wie es aussieht, war Kim Jong-un bereit, den Atomreaktor in Nyongbyon zu demontieren, wollte dafür aber die Aufhebung aller Sanktionen und dazu war Donald Trump nicht bereit und daran ist das letztendlich gescheitert.

Neben den Sanktionen, welche Punkte sind den Nordkoreanern am wichtigsten, um sich auf Augenhöhe zu fühlen?

Die Sanktionen sind das Allerwichtigste und die Frage, wieviel sie dafür hergeben müssen. Es ist relativ klar und das hat Nordkorea immer wieder betont, dass sie sich schon als Atomwaffenstaat sehen und die Atomwaffen als Garantie dafür ansehen, dass ihr Staat weiterhin unabhängig bestehen kann. Eine Forderung nach einem kompletten Abbau aller bestehenden Atomwaffen ist für sie inakzeptabel. Sie wäre sicher bereit gewesen, einen weiteren Ausbau des Atomprogramms aufzugeben, aber das hat Donald Trump offenbar nicht ausgereicht.

Wie kann man das lösen? Was wäre ein akzeptabler Kompromiss für beide Seiten? Oder läuft das "Tit for Tat"?

Wenn wir uns das als normalen Verhandlungsprozess vorstellen, ist das gar nicht so außergewöhnlich. Es ist ja erst das zweite Mal, dass sich beide Führer treffen. Beim ersten Mal hat man sich kennengelernt. Beim zweiten Mal seine Maximalforderungen auf den Tisch gelegt, die beide abgelehnt haben. Also wäre jetzt normalerweise der nächste Schritt, dass man hinter den Kulissen versucht, an diesen Maximalforderungen zu drehen auf beiden Seiten bis man einen gangbaren Kompromiss erreicht und darauf läuft es, glaub ich, letzten Endes auch hinaus. Ich bin also noch optimistisch, dass es ein weiteres Treffen geben wird. Zumal Trump sich auch bemüht hat, zu betonen, dass man nicht im Bösen auseinander gegangen ist, sondern den Umständen entsprechend im Guten.

Meinen Sie, die Chinesen könnten auch eine Rolle gespielt haben am Scheitern dieses Gipfels?

Das wäre spekulativ. Ich glaube schon, dass die Chinesen sich das Ganze mit großem Interesse ansehen und möglicherweise Kim Jong-un auch den Rücken gestärkt haben. Vielleicht haben sie ihm sogar in Aussicht gestellt, wenn die Gespräche mit Trump scheitern, sind sie immer noch da, um ihm wirtschaftlich zu helfen. Das hat ihn möglicherweise selbstbewusster gemacht.

Welche Rolle spielt Südkorea bei den Verhandlungen der USA mit Nordkorea?

Südkorea ist im letzten halben Jahr ziemlich außen vor geblieben, weil eben Nordkorea und die USA direkt miteinander gesprochen haben. Ich gehe davon aus, dass jetzt, wo die Sache wieder etwas komplizierter geworden ist, Südkorea wieder eine etwas aktivere Rolle wird übernehmen können, was durchaus im Interesse der gesamten koreanischen Halbinsel ist.

Wie schätzen Sie generell das Tempo ein der Annäherung zwischen den USA und Nordkorea? Ist das nicht atemberaubend? Zu schnell vielleicht?

2018 war es ziemlich schnell. Wenn man sich überlegt, dass die Einladung erst im April übergeben worden ist und im Juni gab es schon den Gipfel — das war sehr schnell. Jetzt haben wir ja schon einige Hundert Tage dazwischen. Natürlich sind wir erst am Anfang eines Prozesses, der sehr lange geht. Das sagen auch beide Seiten und alle vernünftigen Analysten sehen das so. Es sind einzelne Schritte gesetzt worden. Aber es wird noch viele weitere geben müssen, bevor man zu einem akzeptablen Resultat kommt.

Ist das nur Show oder verstehen sich Trump und Kim Jong-un tatsächlich auch persönlich gut?

Ich glaube nicht, dass das Show ist, jedenfalls nicht von Donald Trumps Seite. Die Frage ist, inwiefern das persönliche Verhältnis jetzt gelitten hat unter dem Gipfelabbruch in Hanoi. Das wäre ganz entscheidend, da das Persönliche offensichtlich für Donald Trump eine ganz große Rolle spielt. Er setzt sich dann teilweise über Konventionen hinweg, wenn er jemanden mag. Es kann aber leider auch in die andere Richtung gehen. Deswegen ist es ganz entscheidend zu erkennen, inwieweit man sich tatsächlich im Guten getrennt hat oder ob das Verhältnis Schaden genommen hat.

Warum hat sich Trump, der es sich nach und nach mit immer mehr Ländern verscherzt, ausgerechnet das kommunistische Nordkorea für seine außenpolitische Charmeoffensive ausgesucht?

Das müssen Sie Herrn Trump selbst fragen. Es ist, glaub ich, für viele Menschen extrem schwer, ihn zu verstehen. Es spielt schon eine Rolle, dass China ein Nachbarland von Nordkorea ist. Trump liegt ja sehr viel daran, die amerikanischen Interessen gegenüber den Chinesen durchzusetzen. Ich denke, Korea spielt da für ihn auch eine strategische Rolle. Deswegen vielleicht auch sein überdimensioniertes Interesse an Kim Jong-un und Nordkorea, was ja eigentlich ein kleines und im globalen Maßstab relativ unbedeutendes Land ist.

Wann werden die Beiden den Friedensnobelpreis bekommen?

Die Beiden und vielleicht Moon Jae-in (Präsident von Südkorea, Anm. d. Red.) gleich noch mit, kriegen den Friedensnobelpreis dann, wenn der Koreakrieg beendet worden ist. Wie wir heute gelernt haben, wäre dafür die Voraussetzung, dass Fortschritte erreicht werden beim Abbau des nordkoreanischen Atomprogramms. Und dann wäre so ein Preis auch wirklich verdient.

sputniknews


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