Kaschmir-Konflikt: USA gegen China, die Seidenstraße und BRICS?

  05 März 2019    Gelesen: 1083
Kaschmir-Konflikt: USA gegen China, die Seidenstraße und BRICS?

Der seit Jahrzehnten andauernde Konflikt zwischen Indien und Pakistan geht wieder in die heiße Phase und täglich sterben Menschen. Was auf den ersten Blick wie ein Streit um Territorium aussieht, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung auch als Mittel für die USA um gegen China und sein Seidenstraßenprojekt sowie gegen BRICS vorzugehen.

Der Konflikt um Kaschmir zwischen dem muslimischen Pakistan und dem hinduistischen Indien begann direkt nach dem Abzug der Briten im Jahr 1947. Als sich der Fürst von Kaschmir nicht entscheiden konnte, ob sein Fürstentum ein Teil von Indien oder von Pakistan werden sollte, marschierten pakistanische Milizen ein. Der Fürst bat die indische Armee um Hilfe und es kam zum ersten Kaschmir-Krieg, der 1949 unter der Vermittlung der Uno endete. Die mehrheitlich muslimischen Regionen im Norden wurden Pakistan zugesprochen und der Süden wurde in den indischen Bundestaat integriert. 1956 besetzte China einen Landstreifen im Osten Kaschmirs und wurde aufgrund der gleichgerichteten Interessenslage gegen Indien zum Verbündeten Pakistans.

Für Professor Boris Wilke ist der Kaschmirkonflikt aufgrund „der Dreiecksbeziehung zwischen China, Indien und Pakistan einer der kompliziertesten Krisenherde Asiens“. Während Pakistan die „Heimat aller Muslime in Südostasien“ werden möchte ist für Indien „Kaschmir ein Teil seines Vielvölkerstaates, das einen Dominoeffekt in anderen Regionen auslösen könnte”. Die Situation wurde noch komplizierter, als die CIA in Zusammenarbeit mit dem pakistanischen Geheimdienst ISI 1979 begann Araber im „im islamistischen Dschihad“ auszubilden. Die dort ausgebildeten Kämpfer wurden in zahlreichen bewaffneten Konflikten in Afghanistan, in Tschetschenien und in Syrien eingesetzt. Pakistan schickte diese Kämpfer auch nach Kaschmir, was den Konflikt noch zusätzlich verschärfte.

So sind in den letzten 15 Jahren rund 300 wahhabitische Moscheen in Kaschmir entstanden und islamistische Organisationen finanzieren Schulen und Krankenhäuser. 1990 erreichte der islamistische Terror in Kaschmir seinen Höhepunkt, als mehr als 100 000 Hindus aus der Region flohen. 2001 folgten Selbstmordanschläge auf das indische Parlament, welche die beiden Atommächte Pakistan und Indien laut dem Forscher Levon Sevunts „an die Schwelle eines neuen Krieges bringen sollte“.

Für China ist die Region nicht nur aufgrund der Gebiete im Osten sehr interessant. Im Zuge der „Neuen Seidenstraße“ (One Belt one road) plant China in den nächsten Jahren 57 Milliarden Dollar in den „Chinesisch-Pakistanischen Wirtschaftskorridor“ zu investieren. Der nördliche Teil dieses Korridors führt dann durch den pakistanischen Teil Kaschmirs, der auch von Indien beansprucht wird. Für den Südostasien-Experten Christian Wagner ist klar, dass „die Bindung Pakistans an China natürlich das Misstrauen des Rivalen Indien anfacht“.

Indien hatte aufgrund dieses Korridors auch die Teilnahme am Seidenstraßen-Gipfel in Peking abgelehnt.

Das Verhältnis zwischen Islamabad und Washington hat sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert. Im vorigen Jahr twitterte der US-Präsident Donald Trump: „Die USA haben Pakistan in den letzten 15 Jahren fälschlicherweise mehr als 33 Milliarden Dollar gegeben. Wir haben im Gegenzug nichts außer Lügen und Täuschung zurückbekommen“. Im jüngsten Konflikt haben die USA überraschend klar Stellung für Indien bezogen, als Außenminister Mike Pompeo die indischen Luftangriffe als „Anti-Terror-Operation” bezeichnete und Pakistan aufforderte „mehr gegen den Terrorismus zu unternehmen“.

Für die USA kommt der Konflikt zu einem guten Zeitpunkt, um China zu schwächen und Zwiespalt innerhalb der BRICS-Gruppe zu säen. Nachdem mit Jair Bolsonaro ein eindeutig pro-amerikanischer Präsident in Brasilien an die Macht gekommen ist, könnte der Kaschmir-Konflikt die Einigkeit unter den BRICS-Staaten weiter schwächen. Neben der BRICS-Gruppe ist den USA auch das Seidenstraßenprojekt ein Dorn im Auge, da es die Vormachtstellung der USA bedroht. Der Wirtschaftsexperte Dirk Müller geht davon aus, dass „das Seidenstraßenprojekt unvorstellbaren Reichtum nach Eurasien bringen kann — ohne dass die USA davon profitieren“.

Zwischen den USA und China tobt ein Handelskrieg der jederzeit eskalieren kann. Obwohl sich Donald Trump und Xi Jinping Ende des vorigen Jahres auf eine Aufschiebung der Strafzölle einigen konnten, sind die Fronten zwischen den beiden Supermächten weiterhin verhärtet. Während den chinesischen Firmen vor allem die Zinsanhebung in den USA zusetzte, leiden amerikanische Firmen unter den sinkenden Exporten nach China. Im Jahr 2019 hat China zum Beispiel noch keinen einzigen Barrel Öl aus Amerika importiert, obwohl es 2018 noch 245 000 Barrel pro Tag waren. Die neue Seidenstraße bedroht dabei nicht nur die amerikanischen Exporte nach China, sondern nach ganz Eurasien. Forscher am Moskauer Institut für Weltwirtschaft sind davon überzeugt, dass die USA China in mehrere Konflikte verwickeln will: „Die USA sind daran interessiert, dass China in eine maximale Anzahl von Konflikten verwickelt wird. […] Das wird Peking davon abhalten, seine Streitkräfte im Pazifik aufzubauen. Jeder Konflikt würde das chinesische Wirtschaftswachstum verlangsamen, was weniger Gefahr für die Hegemonie der USA im Pazifik bedeutet. “ In diesem Zusammenhang ist es auffallend, dass in der vorigen Woche indische Bomben „nur rund 50 Kilometer von einer von China finanzierten Autobahn“ einschlugen.

Nicht nur wirtschaftlich könnte die Region Kaschmir von der neuen Seidenstraße profitieren. Die neue Seidenstraße könnte der Region auch Stabilität und Frieden bringen. Der Südostasien-Experte Christian Wagner ist überzeugt, dass „China  an Sicherheit und an einer Stabilisierung des Status quo interessiert ist — also an einer allgemein anerkannten Teilung Kaschmirs in einen pakistanischen und einen indischen Teil.“ Danach würde Pakistan vermutlich seine Gebiete in Kaschmir zu einer Provinz aufwerten und damit die gleiche Politik wie Indien verfolgen. Damit würde Pakistan seine internationale Haltung in der Kaschmir-Frage aufgeben und damit wäre der Kaschmir-Konflikt auf internationaler Ebene de facto beigelegt.

sputniknews


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