Glaube an Gott verbindet

  05 Oktober 2015    Gelesen: 660
Glaube an Gott verbindet
Bunte Luftballons wehen im Wind, die Tore zum Hof stehen sperrangelweit offen. Ansonsten ist das Haus, das am Kreisel der Friedrich-Ebert-Straße steht, nach außen hin eher unscheinbar - und nicht gerade als Gotteshaus zu erkennen. Doch mit jedem Schritt auf den Hof und ins Haus hinein fallen immer mehr Besonderheiten und kleine Details auf. Gelbe Bemalungen über den Türen, die orientalischen Dächern gleichen, ausgefallene Muster auf den Sitzgelegenheiten und geschwungene Schriftzüge, die so gar nicht den heimischen Buchstaben entsprechen.
Beim Tag der offenen Moschee präsentiert die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) die Sultan-Ahmet-Moschee. Eines der wesentlichen Ziele der bundesweiten Aktion ist es, durch Offenheit und Kommunikation Vorurteile abzubauen. Dabei können kleine Dinge viel bewirken: Nachdem Ismail Melih Tuzlaci den ersten Teil der Führung beendet hat, übernimmt eine Frau die zweite Hälfte, Selma Emekci. Mit viel Witz präsentiert sie die Küche, das Gemeinschaftszimmer für junge Frauen und die Unterrichtsräume für Kinder und Jugendliche. "Sie spricht ein tolles Deutsch", sagt ein Besucher erstaunt zu seiner Frau. Selma Emekci kennt die Vorurteile allzu gut.

Gemeinsames Gebet

Als sie den prächtigen Raum vorstellt, in dem die Frauen getrennt von den Männern beten, greift sie vor: "Diese Frage kommt eigentlich immer: Warum dürfen die Frauen das nicht im gleichen Raum tun wie die Männer?" Bei einigen Unwissenden herrsche etwa die falsche Annahme, Muslime würden Frauen für unrein halten. "Der eigentliche Grund ist, dass unsere rituellen Gebete sehr körperlich sind. Beim Gebet soll man sich aber auf Gott konzentrieren und nicht vom anderen Geschlecht abgelenkt werden." Die Besucher dürfen beim gemeinsamen Gebet der Muslime zusehen. Dabei wird deutlich, was Emekci mit "Körperlichkeit" meint. Die Gläubigen stehen Schulter an Schulter und folgen den Bewegungen des Imam Nihat Ciftci. In besonderem Tonfall betet er vor, legt die Stirn auf den Boden, steht auf, kniet wieder nieder. Er ist sichtlich erfreut über die Anzahl und das Interesse der Besucher.

Sinan Yilmaz übersetzt die Worte des Imam: "In einer Zeit, in der der Islam großer Kritik ausgesetzt ist, ist Kommunikation besonders wichtig." Radikale gebe es in allen Religionen, aber die Minderheit an Extremisten dürfe nicht über die Mehrheit der gutherzigen Gläubigen hinwegtäuschen. Der Imam zählt auf, was Christen, Juden und Muslime gemeinsam haben: das Jenseits, Paradies, Gebete, Fasten, und allem voran Gott.

"Letztendlich haben wir alle den gleichen Glauben. Nur die Praktiken sind unterschiedlich." Das Motto des Tags der offenen Moschee lautet "Junge Muslime in Deutschland". Daher kommen junge Gemeindemitglieder zu Wort. Der 19-jährige Arif Temür berichtet vom ehrenamtlichen Engagement vieler junger Muslime bei nachhaltigen Projekten. "Machen Sie das unabhängig von der Religion?", fragt ein Zuhörer. "Na klar", antwortet Arif. "Wir wollen nicht nur Muslimen helfen, sondern allen Menschen." Der 18-jährige Fatih Atalay gibt jungen Gemeindemitgliedern Nachhilfe. Außerdem findet er es wichtig, für die deutsche Gesellschaft aktiv zu sein: "Ich bin in der dritten Generation hier, ich wähle hier, nicht in der Türkei, deshalb muss ich mich auch hier in die Politik einbringen."

Der Nachmittag klingt mit Gesprächen bei türkischem Tee und kulinarischen Spezialitäten aus. Tuzlaci verabschiedet die Gäste: "Wir öffnen nicht nur unsere Tore und Türen für Sie, sondern auch unsere Herzen. Sie sind nicht nur einmal im Jahr willkommen, sondern immer."

Tags:


Newsticker